# taz.de -- Die deutsche Kartoffel: Von der Hexenpflanze zur woken Selbstironie | |
> Manche bezeichnen sich als „Kartoffel“. Die Beilage ist zum Essen da, als | |
> Begriff schmeckt sie vielen nicht – er gehört auf den Komposthaufen. | |
Bild: Deutsche Kartoffeln haben oft ausgefallene Namen: Diese Sorte heißt „M… | |
Essen Sie auch so gern Kartoffeln? Dann bedienen Sie das Klischee, wonach | |
sehr [1][viele Deutsche sehr viele Kartoffeln essen]. Als deutsche | |
Kartoffel würden Sie sich selbst deswegen aber nicht bezeichnen, oder? | |
Wenn doch, gehören Sie vielleicht zu einer Gruppe von Menschen, die sich im | |
linken Spektrum verorten und die „deutsche Kartoffel“ in einer Marinade aus | |
würziger Selbstironie und raffinierter self-awareness servieren. Kaut man | |
etwas länger darauf herum, tritt indes ein schaler Beigeschmack auf. Zeit | |
also für einen kritischen Biss, äh, Blick. | |
Die deutsche Kartoffel hatte nicht immer einen guten Ruf. Gestartet ist sie | |
als Bezeichnung migrantischer communities für Deutsche ohne | |
Migrationshintergrund – eben weil die so gern Kartoffeln essen. So viele | |
sind es dann aber doch nicht. Die Deutschen und ihre Kartoffelliebe | |
schaffen es europaweit nur auf Platz sechs. | |
Und so beliebt wie heute war die Kartoffel auch nicht immer. Bei ihrer | |
Ankunft in Europa hatte sie erst einmal den Ruf der „Hexenpflanze“, weil | |
sie ungekocht bisweilen Bauchweh auslöste. Auch einigen deutschen | |
Konservativen bereitete das Gemüse lange Verdauungsbeschwerden. Sie | |
empfanden den Begriff als antideutsch und rassistisch. | |
## Kartoffel auf Karrierehoch | |
Heute erlebt die „deutsche Kartoffel“ indes ein Karrierehoch. Unter der | |
selbstironischen Schale steckt manchmal das Bild eines unbeholfenen, | |
humorlosen Deutschen („Alman“). Stereotype also, die es über jede Nation | |
gibt und die so verletzend wie lustig sein können. Oft verbirgt sich hinter | |
der Bezeichnung die soziale Konstruktion „weiß“ oder „biodeutsch“. | |
Letzteres hat eine weniger steile Karriere als [2][Unwort des Jahres 2024]. | |
„Biodeutsch“ bewerte Menschen vor dem Hintergrund vermeintlich biologischer | |
Abstammungskriterien und diskriminiere sie, begründete die Jury. | |
Verständlich, dass viele auf die locker-lustige Kartoffel ausweichen. | |
Natürlich dürfen [3][deutsche Kartoffeln weiter gekocht, gebraten], | |
[4][frittiert] werden. Um Rassismus zu bekämpfen, müssen wir die reale | |
Grenze samt ihrer Ausgrenzungsmechanismen gegen Bevölkerungsgruppen | |
konfrontieren. Aber manchmal lohnt sich zu prüfen, welche Narrative man | |
reproduzieren möchte und wann man lieber einfach „weiß“ sagt. Über | |
Ethnizität zu sprechen, ist eine schwierige Aufgabe. Eine mit Witz gewürzte | |
Kartoffel löst sie nicht auf. | |
16 Mar 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Ernaehrungsarmut-in-Berlin/!6067155 | |
[2] https://www.rbb24.de/panorama/beitrag/2025/01/biodeutsch-unwort-jahres-2024… | |
[3] /Integration-mit-Kohl-und-Pinkel/!5910929 | |
[4] /Mehr-als-Essen/!6024225 | |
## AUTOREN | |
Yi Ling Pan | |
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