# taz.de -- Juraprof über Presse in den USA: „Unser rechtlicher Rahmen beruh… | |
> Die US-Verfassung biete noch Schutz vor den Angriffen von US-Präsident | |
> Donald Trump auf die Presse, sagt Juraprofessor Russell Miller. Ein | |
> Gespräch. | |
Bild: Bild des Jahres 2018: Donald Trump lässt den CNN-Journalisten Jim Acosta… | |
taz: Die Trump-Regierung greift die Pressefreiheit in den USA an mehreren | |
Fronten an. Wie solide sind die gesetzlichen Garantien? | |
Russell Miller: Ich bin noch ziemlich zuversichtlich, was den rechtlichen | |
Rahmen zum Schutz der Pressefreiheit angeht. Ich möchte nicht das Thema | |
wechseln, aber in gewisser Weise sind die nichtrechtlichen | |
Herausforderungen für die Presse im Moment viel bedrohlicher. Es gibt eine | |
Zersplitterung der Medien, da die sozialen Medien eine immer größere Rolle | |
spielen, und dazu eine größere Konzentration bei den Eigentümern der | |
Medien. Dazu kommt das allgemeine Misstrauen. In unserem System haben wir | |
sogar fast eine Kultur der Feindseligkeit gegenüber den Medien. Und gegen | |
diese soziokulturelle Erosion kann das Rechtssystem nicht viel ausrichten. | |
taz: Dennoch braucht ein System rechtliche Leitplanken. Eine ziemlich gute | |
scheint der erste Zusatzartikel zur Verfassung zu sein, in dem die | |
Redefreiheit festgeschrieben ist. | |
Miller: Genau. Der erste Verfassungszusatz beschäftigt sich mit dem, was | |
wir „prior restraint“ nennen. Das geht bis auf die amerikanische Revolution | |
zurück. Davor beurteilte der König, was veröffentlicht werden durfte, und | |
erteilte Lizenzen für bestimmte Inhalte. Davor bietet die Verfassung einen | |
fest verankerten Schutz. | |
taz: Könnte man dieses Prinzip auf den Fall der Associated Press anwenden, | |
deren Journalisten Trump aus dem Oval Office verbannt hat, weil sie sich | |
weigerten, den Begriff „Golf von Amerika“ zu übernehmen? | |
Miller: Stellt man es so dar, dass der Ausschluss einer Journalistin aus | |
dem Pressepool sie daran hindert, eine bestimmte Nachricht zu berichten, | |
könnte das diesen Schutz gegen Zensur und „prior restraint“ berühren. Eine | |
ebenso wichtige Doktrin des ersten Verfassungszusatz ist die „chilling | |
doctrine“. Der Gedanke dahinter: Die Politik geht nicht gegen die | |
Berichterstattung eines einzigen Journalisten vor und wirkt daher auf den | |
ersten Blick neutral. Aber sie schreckt eine mögliche Rednerin ab, bringt | |
sie zum Nachdenken: Wird das, was ich tun will, rechtliche Folgen haben? Es | |
gibt auch einige neuere Fälle, die sich nicht auf den Ersten | |
Verfassungszusatz berufen, sondern auf den Fünften, der ein | |
rechtsstaatliches Verfahren garantiert. | |
taz: Nennen Sie ein Beispiel. | |
Miller: Ich denke da an „CNN v Trump“ im Jahr 2018. Der Reporter Jim Acosta | |
wurde aus dem Weißen Haus geworfen, weil er unangenehme Fragen gestellt | |
hatte, woraufhin das Gericht anordnete, dass sein Pressezugang wieder | |
hergestellt werden muss. Nicht so sehr wegen des Ersten | |
Verfassungszusatzes, sondern wegen dieses Rechtsstaatlichkeitsbegriffs in | |
unserer Verfassung, der besagt, dass der Staat nicht willkürlich oder aus | |
Animosität handeln darf. Wenn wir über die Versuche der Trump-Regierung | |
reden, Journalisten auszuschließen, überzeugt und beruhigt mich dieser | |
rechtliche Rahmen. | |
taz: Eine weitere Taktik der Regierung ist es, Medienhäuser mit | |
kostspieligen Verleumdungsklagen anzugreifen. Es gibt das Urteil im Fall | |
„New York Times v Sullivan“ aus dem Jahr 1964, in dem der Oberste | |
Gerichtshof das Recht von Amtsträgern, wegen Verleumdung zu klagen, stark | |
eingeschränkt hat. Es besteht jedoch die Sorge, dass ein neues Urteil | |
diesen Präzedenzfall aufheben oder verwässern könnte. | |
Miller: Das Urteil „NYT v Sullivan“ ist sehr eindeutig. Es ist wiederholt | |
angewandt worden. Es ist ein Grundpfeiler unserer Rechtssprechung. Und so | |
wie Präzedenzfälle hier in den USA funktionieren, sollte das Urteil für | |
immer bindend sein. Eine große neue Studie von mir zeigt aber, dass das | |
Oberste Gericht ein neues Verständnis davon hat, wie verbindlich | |
Präzedenzfälle sein sollten. Wir haben wiederholt wichtige Entscheidungen | |
gesehen, in denen das Gericht etablierte Präzedenzfälle gekippt hat. Die | |
Dobbs-Entscheidung hat etwa „Roe v Wade“ gekippt und das Recht auf | |
Schwangerschaftsabbruch abgeschafft. | |
taz: Wo sehen Sie Verbesserungsbedarf im Rechtssystem? | |
Miller: Ich würde gern ein Recht auf Nachrichtenbeschaffung sehen. Etwa | |
eine Mischung aus dem Ersten Verfassungszusatz und dem Recht auf ein | |
rechtsstaatliches Verfahren, die besagt, dass man mich als Journalisten | |
nicht daran hindern darf, Informationen zu sammeln, zu berichten und mein | |
Recht auf freie Meinungsäußerung auszuüben. Da würde ich gerne eine | |
stärkere Grundlage sehen. | |
1 May 2025 | |
## AUTOREN | |
Leon Holly | |
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