# taz.de -- WEF-Chef Klaus Schwab tritt zurück: Der Papst der Globalisierung | |
> Linke fanden ihn schon lange doof, Rechte nun auch: Klaus Schwab, Gründer | |
> des Weltwirtschaftsforums, zieht sich aus dessen Vorsitz zurück. | |
Bild: Bitte was? Muss sich Kritik jetzt auch auf dem rechten Ohr anhören: Klau… | |
Berlin taz | Wenn die Globalisierung ein Zuhause hätte, läge es in Davos. | |
Dafür hat Klaus Schwab gesorgt, der das [1][Weltwirtschaftsforum] gegründet | |
hat, das jährlich in dem Schweizer Skiort tagt. Nun tritt Klaus Schwab von | |
dessen Vorsitz zurück. Das passt in die Zeit: Die Phase des ungestüm | |
wachsenden Welthandels seit Ende der 1980er Jahre geht zu Ende. Das | |
Weltwirtschaftsforum verliert an Bedeutung. | |
Der Rückzug des 87-Jährigen aus dem Verwaltungsrat des Forums kündigte sich | |
schon länger an. Das Tagesgeschäft in der Zentrale am Genfer See leitet | |
mittlerweile schon der frühere norwegische Außenminister Børge Brende. | |
Aufräumarbeiten sind im Gange, zu denen auch Belästigungsvorwürfe | |
beigetragen haben mögen, die im vergangenen Jahr das Wall Street Journal | |
erhob. Die Kritik von Frauen und Schwarzen Personen an unangemessenem | |
Verhalten, unter anderem durch Führungspersonal, hat das Forum untersuchen | |
lassen – und anschließend zurückgewiesen. | |
Unmittelbarer Anlass für den Rückzug war nach Darstellung des WSJ nun ein | |
neuer Brief von Whistleblowern an das Forum. Darin würden Schwab und seiner | |
Frau Missbrauch von Firmengeldern für private Zwecke vorgeworfen, etwa | |
teure Reisen und die Nutzung einer Unternehmensimmobilie. Das | |
Weltwirtschaftsforum erklärte, es habe eine „unabhängige Untersuchung“ der | |
„unbewiesenen Anschuldigungen“ veranlasst. Ein Sprecher Schwabs wies die | |
Vorwürfe zurück. | |
## Vorträge, Empfänge, Partys | |
Der Kongress fand seit Anfang der 1970er mit wenigen Ausnahmen jedes Jahr | |
in Davos statt, zu Beginn mit einigen Hundert Teilnehmenden, später mit | |
Tausenden Managerinnen und Managern, plus jeweils dutzenden Staatschefs und | |
Ministerinnen. Der oft tief verschneite mondäne Bergort mutierte dann für | |
einige Tage zur Hauptstadt der Globalisierung. | |
Schwab legte Wert auf informelle Atmosphäre ohne Krawatten, aber mit | |
rutschfesten Schuhen. Wer fit genug war, konnte am Schluss ein Skirennen | |
mitfahren. Noch immer gibt es tagsüber Vorträge, abends Empfänge, nachts | |
Partys. Milliardäre wie Bill Gates sind meisten da. | |
Schwab war die zentrale Person in dieser Erfolgsgeschichte. In bestem | |
Englisch mit hartem deutschen Akzent pflegte der aus Ravensburg stammende | |
Ökonom persönliche Beziehungen zu den wichtigsten Akteuren der Weltpolitik. | |
Das Motto der Organisation lautet: „Verpflichtet, den Zustand der Welt zu | |
verbessern“. | |
Schwab verbreitet die Botschaft, dass es eine für alle gute Globalisierung | |
geben könne. Sein Ideal eines Stakeholder-Kapitalismus besagt, dass | |
Unternehmen sich nicht nur um Gewinnmaximierung, sondern auch um | |
gesellschaftlichen Fortschritt kümmern müssen. | |
Zwar gab es Formen der Globalisierung schon in früheren Jahrhunderten. Die | |
Phase ab Mitte der 1980er bot jedoch etwas Neues: Der Zusammenbruch der | |
Sowjetunion eröffnete die Möglichkeit eines einheitlichen kapitalistischen | |
Weltmarktes mit immer weniger Handelsbeschränkungen an nationalen Grenzen. | |
Für diese Ära wollte Schwab das Weltwirtschaftsforum als Regelungsinstanz | |
positionieren, als globalen runden Tisch für Wirtschaft, Politik, | |
Wissenschaft und Zivilgesellschaft. | |
## Die Lobby für die Konzerne | |
Gleichzeitig allerdings arbeitet das Forum als Lobbyorganisation der | |
größten Unternehmen der Welt, welche es mitfinanzieren. Das löste Kritik | |
der Linken aus, die die in Davos anwesenden Konzerne mitverantwortlich | |
machten für neue Ausbeutung, schlechte Arbeitsbedingungen und | |
Menschenrechtsverletzungen in den globalen Lieferketten der europäischen | |
und nordamerikanischen Konzerne. | |
In den 2000er Jahren beanspruchte das [2][Weltsozialforum] im | |
brasilianischen Porto Alegre die Rolle der Gegenveranstaltung zu Davos. | |
Einmal fand eine Fernsehdiskussion per Satellit zwischen beiden Foren | |
statt. | |
In den vergangenen Jahren bauten außerdem Rechte Klaus Schwab als Feindbild | |
auf. [3][Sie sehen ihn an der Spitze einer Weltverschwörung der | |
„Globalisten“], die den Nationalstaaten Arbeitsplätze und Kompetenzen | |
stiehlt. Die neueste Wendung dieser Entwicklung zeigt sich in der | |
Zollpolitik von US-Präsident Donald Trump, seinen Angriffen auf Welthandel | |
und globales Finanzsystem – Ideen, die Schwabs Credo grundsätzlich | |
zuwiderlaufen. | |
Ironie der Geschichte: 2018, zu Beginn seiner ersten Amtszeit, reiste Trump | |
persönlich nach Davos. Im Januar 2025 hielt er eine Video-Ansprache, die | |
ins Kongresszentrum übertragen wurde. Beide Male begrüßte ihn Klaus Schwab | |
sehr freundlich – um sich dann kritiklos dessen feindselige Statements | |
anzuhören. | |
Transparenzhinweis: Der Brief der Whistleblower, über den das WSJ | |
berichtete, sowie die Reaktion von Schwabs Sprecher darauf fehlten in der | |
zuerst veröffentlichten Version und sind nun ergänzt | |
22 Apr 2025 | |
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## AUTOREN | |
Hannes Koch | |
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