# taz.de -- Bekämpfung der Altersarmut: Sozialämter überlastet | |
> Rentner*innen warten oft monatelang auf ihre Grundsicherung. Die | |
> Mitarbeiter*innen der Sozialämter schieben in allen Bezirken | |
> Überstunden. | |
Bild: Altersarmut: Ein Rentner hält sein leeres Portemonnaie in der Hand | |
Berlin taz | Übervolle Wartesäle und Terminknappheit in den Sozialämtern | |
werden wohl auch zukünftig die Regel und nicht die Ausnahme sein. | |
Rentner*innen, die sich in akuten finanziellen Nöten befinden und deshalb | |
einen Antrag auf Grundsicherung im Alter stellen, warten oft mehrere Monate | |
auf die Bearbeitung. Der Grund: Die Sozialämter sind seit Jahren völlig | |
überlastet. | |
Eigentlich sollte sich ein*e Mitarbeiter*in höchstens mit 188 | |
Antragsteller*innen befassen. Doch im Schnitt kümmert sich jeder | |
Beschäftigte um 278 Applikanten. In Tempelhof-Schöneberg sind es 350, in | |
Mitte sogar 395. Am niedrigsten liegt die Bearbeitungsquote in | |
Marzahn-Hellersdorf bei 200 Anträgen pro Person. Dies verzögert die | |
Bearbeitungszeit der Anträge enorm. Das geht aus einer parlamentarischen | |
Anfrage des Grünen-Abgeordneten Taylan Kurt hervor, die der taz vorliegt. | |
„Die Zustände in den Sozialämtern sind absolut katastrophal“, sagt Kurt. | |
Der Senat lasse die Bezirke allein. Angesichts der wachsenden Altersarmut | |
sei das „absolut unverantwortlich“, fügt der Grünen-Sprecher für | |
Sozialpolitik und Armutsbekämpfung hinzu. | |
„Bundesweit ist jeder fünfte von Altersarmut betroffen“, sagt Joachim Rock | |
vom Paritätischen Gesamtverband. [1][Besonders Frauen] seien davon bedroht. | |
Denn gerade sie übernähmen schlecht bezahlte Jobs und bewältigten die | |
unbezahlte Kinderbetreuung. | |
„Die Renten steigen langsam, die Mieten steigen schnell“, sagt Rock. | |
Deshalb [2][brauchten immer mehr Menschen] die Grundsicherung im Alter. | |
„Die langen Wartezeiten sind dabei für ältere Menschen fatal“, konstatiert | |
der Geschäftsführer des Paritätischen. | |
Dabei machen die Angestellten auf allen Sozialämtern schon regelmäßige | |
Überstunden. Im Sozialamt Reinickendorf beispielsweise kamen auf einen | |
Mitarbeitenden durchschnittlich 56 Überstunden, in der Abteilung | |
„Materielle Hilfen“ waren es sogar 111. Auch in Friedrichshain-Kreuzberg | |
gab es in dieser Abteilung 101 Stunden Mehrarbeit pro Mitarbeitendem. | |
Ein Grund dafür ist die chronische Unterbesetzung der Ämter. Dies liegt | |
unter anderem am kontinuierlichen Anstieg der Anträge. Viele Sozialämter | |
berichten von hohem Krankheitsstand und Fehlzeiten der Beschäftigten. Das | |
Sozialamt Tempelhof-Schöneberg begründet dies mit der „Überlastung der | |
Bereiche“. | |
Zuletzt wandten sich die Sozialstadträte der zwölf Bezirke Ende Januar mit | |
einem Brandbrief an Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD). Daraufhin ist | |
aber nur wenig passiert. Bis Ende 2025 wollen Stadt und Bezirke eine | |
Zielvereinbarung zur „Steuerung der Personalsituation“ und der | |
„Transferkosten in Schlüsselbereichen materieller Hilfen“ erstellen. Diese | |
soll dann bis 2027 gelten. | |
Die Senatsverwaltung für Soziales nehme in Kauf, dass [3][Rentner*innen | |
in Not] auf sich allein gestellt seien, so Taylan Kurt. Durch fehlende | |
Mitarbeiter*innen und steigende Antragszahlen bliebe schnelle Hilfe | |
aus. „Wir laufen auf neoliberale Verhältnisse beim Sozialstaat in Berlin zu | |
– und damit in die Katastrophe“, sagt Kurt. | |
22 Apr 2025 | |
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## AUTOREN | |
Klarissa Krause | |
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