# taz.de -- Notfallzulassung für Pestizid: Chemiekeule gegen Glasflügelzikade | |
> Die Glasflügelzikade führt zu starken Einbrüchen des Zuckerrüben- und | |
> Kartoffelanbaus. Jetzt soll mit Pestiziden gegen sie vorgegangen werden. | |
Bild: Auch die Pelz-Glasflügelzikade kommt in Mitteleuropa vor | |
Berlin taz | [1][Das Bundesamt für Verbraucherschutz und | |
Lebensmittelsicherheit hat sieben für Mensch und Umwelt gefährliche | |
Pestizide vorübergehend nun auch für den Zuckerrübenanbau zugelassen.] | |
„Diese Notfallzulassungen sind ein Baustein im Rahmen der abgestimmten | |
Strategien zur Bekämpfung von Glasflügelzikaden als Überträger zweier | |
bakterieller Krankheitserreger“, teilte die Behörde am Donnerstag mit. Alle | |
sieben Insektengifte sind mit Piktogrammen gekennzeichnet, die vor | |
Gesundheits- und Umweltgefahren warnen. | |
Die Glasflügelzikade ist ein einheimisches Insekt, welches ursprünglich in | |
Schilf lebte und nur selten auftrat. Die Zikade steht auf der Roten Liste | |
und ist als gefährdet eingestuft. In den letzten Jahren hat sich das Insekt | |
stark ausgebreitet und lebt nun unter anderem in Kartoffel- und | |
Zuckerrübenfeldern. Das Problem: Sie überträgt bakterielle | |
Krankheitserreger, welche zu massiven Ernteausfällen führen. | |
In den betroffenen Regionen seien seit 20 bis 25 Jahren sehr enge | |
Fruchtfolgen mit Zuckerrüben und Weizen zu finden, so Agrar-Expertin | |
Reinhild Benning von der Deutschen Umwelthilfe. In diesen einseitigen | |
Fruchtfolgen habe die Zikade optimale Wirte zur Vermehrung gefunden. „Es | |
ist eine uralte ackerbauliche Weisheit, dass zu enge Fruchtfolgen | |
Schädlinge und Krankheiten geradezu heranzüchten“, sagt Benning. Nötig | |
seien abwechslungsreiche Fruchtfolgen, um das Problem in den Griff zu | |
bekommen. [2][Auf gar keinen Fall brauche es neue Pestizide, denn diese | |
würden meist auch viele andere Organismen wie etwa Nützlinge und | |
Bestäuberinsekten schädigen, so die Umweltschützerin.] | |
## Pestizide ja, aber nicht als Dauerlösung | |
Jürgen Gross, Pflanzenschutzexperte des bundeseigenen | |
Julius-Kühn-Forschungsinstituts für Kulturpflanzen, dagegen rechtfertigte | |
die Notfallzulassungen: Die Pestizide seien eine kurzfristige Maßnahme, um | |
zu verhindern, dass der deutsche Zuckerrüben- und Kartoffelanbau in den | |
nächsten Jahren zusammenbricht, sagte er der taz. „Es ist tatsächlich | |
dramatisch, was gerade passiert, die Pestizide sollen aber auf keinen Fall | |
eine Dauerlösung sein“, so Gross. | |
Er forscht schon seit Jahren an alternativen Methoden wie der Züchtung | |
resistenter Zuckerrüben- und Kartoffelarten, dem Einsatz von Lockstoffen | |
und einer unterstützenden Fruchtfolge. Doch die Verbreitung der Zikade ist | |
schneller als die Forschung. [3][Das beste natürliche Mittel, um das Insekt | |
auszuhungern, sei, Schwarzbrachen in die Fruchtfolge einzubauen, also | |
zeitweise die Flächen nicht zu nutzen, sagt Gross.] „Aus ökologischen und | |
ökonomischen Gründen versucht man dies eigentlich zu vermeiden“. | |
Das Bundesamt argumentiert, zum Schutz der Natur, der Bienen sowie der | |
Gesundheit von Anwendern, Arbeitern, Anwohnern und Umstehenden würden die | |
120 Tage gültigen Notfallzulassungen zusätzliche Auflagen zur Minderung des | |
Risikos vorschreiben. „Hierzu gehören unter anderem Mindestabstände und die | |
Ausbringung mit verlustmindernder Technik“, so die Behörde. | |
5 Apr 2025 | |
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## AUTOREN | |
Paula Schurbohm | |
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