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# taz.de -- Umweltschutz in Ukraine: Wie sich die Zivilgesellschaft für einen …
> In Charkiw in der Ostukraine leisten Bewohner:innen Widerstand gegen
> eine Kiesgrube. Sie wollen ihr Land ökologisch wieder aufbauen.
Bild: Swetlana Kuraksina am Rande der Sandgrube, in dem Wald bei Charkiw, im ve…
Charkiw taz | Wer in Schichar aus dem Taxi aussteigt, steht auf einmal auf
dem Land. [1][Wenig erinnert hier an die Millionenstadt Charkiw], dabei
liegt Schichar am Rand der ostukrainischen Metropole, keine Stunde vom
Stadtzentrum entfernt. Hochhäuser sucht man vergebens, die Gegend wirkt
ländlich. Und da, wo die Bebauung endet, beginnt an vielen Stellen
Kiefernwald.
Auf dem Weg dorthin fallen Flugblätter auf, die an Masten und
Straßenschildern angebracht sind. „Sie wollen uns den Wald und den
Erholungsort wegnehmen“, ist darauf zu lesen. Sie warnen vor einer
Abholzung von 11 Hektar Kiefernwald, einem beliebten Ausflugsziel der
Bewohner von Charkiw.
Beliebt ist das Waldstück bei der Bevölkerung, weil es nahe gelegen ist und
direkt an einen Baggersee grenzt. Hier kann man im Sommer baden, sich
sonnen oder im Kiefernwald mit den Kindern picknicken. Die vielen
Flugblätter zeigen, dass hier eine Initiative von Waldschützern am Werk
ist, die in der Bevölkerung verankert ist. Die 11 Hektar Wald sollen einer
Sandgrube weichen.
Die taz besuchte Swetlana Kuraksina, die selbst in Schichar lebt und vor
Ort die Proteste gegen die geplante Rodung, juristische
Auseinandersetzungen und den Kontakt mit den Behörden koordiniert. Seit
Frühjahr 2024 stehen sich Umweltschützer und Anwohner auf der einen Seite
und die Firmen „Fabrik Baumaterialien Charkiw“ und „Karjer Osnova“, die…
die „Fabrik Baumaterialien Charkiw“ Sand abbaut, auf der anderen Seite,
gegenüber. Denn da war bekannt geworden, dass die beiden Firmen lang
gehegte Pläne einer Erweiterung der Sandgrube umsetzen wollen. Dafür soll
das Forstunternehmen Schovtne Lisove Gospodarstvo den Wald roden. Gegenüber
der taz bestätigte die staatliche Forstbehörde Derschlisagentstvo, dass sie
dem Forstunternehmen Schovtne Lisove Gospodarstvo eine „Sondernutzung zur
besonderen Nutzung der Waldressourcen“ gewährt habe, also das Recht, Holz
zu schlagen.
## Entscheidende Versammlung am Freitag
Regelmäßig versammelt Swetlana Kuraksina Umweltschützer und AnwohnerInnen
auf dem besagten Waldstück, um gegen die Rodungen zu protestieren.
Vielschichtig ist der Kampf der Umweltschützer*innen und
Anwohner*innen für den Erhalt ihres Waldes. Sie stehen im Kontakt mit
der Militärverwaltung, den örtlichen Behörden, dem Bürgermeister Ihor
Terechow, der Bezirksverwaltung, dem Ministerium für Umwelt und natürliche
Ressourcen und der Forstbehörde.
[2][Im Juli 2024 hatte die Militärverwaltung Charkiw versucht, im Streit
zwischen Anwohnern und Umweltschützern auf der einen Seite und den
Betreiberfirmen auf der anderen Seite zu schlichten.] Erfolglos.
Umweltschützer und Anwohner wollten sich nicht auf den Vorschlag der Firmen
„Fabrik Baumaterialien Charkiw“ und „Karjer Osnova“ einlassen. Diese ha…
bei dem von der Militärverwaltung organisierten Gespräch angeboten, in das
Naherholungsgebiet Schichar zu investieren und Bäume an einer anderen
Stelle zu pflanzen, wenn Umweltschützer und Anwohner im Gegenzug ihren
Widerstand gegen die Erweiterung der Sandgrube und die Rodungen aufgäben.
Nun ist für Freitag, den 4. April, eine neue Anhörung geplant. Bei dieser
werden alle Beteiligten zu Wort kommen: die Anwohner*innen, die
Umweltschützer*innen, die lokalen Behörden und Vertreter des in Kiew
angesiedelten Ministeriums für Umwelt und natürliche Ressourcen, und der
ebenfalls in Kiew angesiedelten Forstbehörde. Doch auch dabei ist keine
Einigung zu erwarten. Zwar ist es für die Umweltschützer*innen und
Anwohner*innen erfreulich, dass Bürgermeister Ihor Terechow, die
Bezirksverwaltung und der örtliche Parlamentsabgeordnete Alexandr Bakumow
auf ihrer Seite sind. „Aber Forstbehörde, Umweltministerium und Gerichte
entscheiden im Sinne der Betreiberfirmen“ so Kuraksina.
Aktuell wird nicht gerodet. „Die ‚Karjer Osnova‘ führt keine Rodungen im
Rayon Schichar der Stadt Charkiw durch“, teilte denn auch Anschelika
Udalowa, die Direktorin der „Fabrik Baumaterialien Charkiw“, schriftlich
mit. Für den Fall, dass doch gerodet wird, haben die Waldschützer schon
einen Plan B. „Wenn sie wirklich roden werden, werden wir den Wald mit
unseren Körpern schützen“, kündigt Kuraksina an. „Und an der Blockade der
Fahrzeuge der Rodungsfirma werden sich auch einheimische Soldaten mit
Fronterfahrung beteiligen.“
## Die Ukraine ökologisch wieder aufbauen
Kuraksina ist Optimistin. Sie lächelt viel und ist fest davon überzeugt,
dass der Krieg bald enden wird. Sie weiß, wovon sie spricht: Ihr Mann wurde
vor knapp drei Jahren von einer russischen Splitterbombe getötet, ihr Sohn
kämpft an der Front. „Wir müssen jetzt schon den Wiederaufbau vorbereiten,
und dieser muss ökologisch sein“, sagt sie entschlossen. „Im Umweltschutz
gibt es keine territorialen Grenzen. Wenn wir in Charkiw schlechte Luft und
verschmutztes Wasser haben, betrifft das auch euch in Europa. Nur gemeinsam
können wir auf dieser Welt überleben.“
Und sie hat schon ein weiteres Aufgabenfeld, den Kampf gegen das geplante
Fracking in der Nähe von Charkow, wie Charkiw von ihrer russischsprachigen
Bevölkerung genannt wird. Anfang der Woche war bekannt geworden, dass mit
der umstrittenen Fracking-Methode im Gebiet Charkiw nach Gas gebohrt werden
soll. [3][Aus Furcht um die Trinkwasserqualität haben erschreckte Anwohner
sofort eine Protestveranstaltung organisiert.] Und auch in der zu
erwartenden Auseinandersetzung um das Fracking-Gas steht Bürgermeister Ihor
Terechow bei den Anwohnern. Er sei auf der Seite der vor Ort lebenden
Menschen, zitiert das Portal Mediaport.ua den Bürgermeister. „Wichtige
Entscheidungen dürfen nicht hinter dem Rücken der Menschen getroffen
werden.“
3 Apr 2025
## LINKS
[1] /Serhij-Zhadan-ueber-seinen-Erzaehlband/!6076105
[2] https://www.youtube.com/watch?v=MPK5nxXN2Lw
[3] https://www.youtube.com/watch?v=6j0zHp_1Ftc
## AUTOREN
Bernhard Clasen
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