# taz.de -- Museum für Kulturgeschichte: Brotkunst für die Welt | |
> Das „Museum Brot und Kunst – Forum Welternährung“ schlägt den Bogen v… | |
> basalen Ernährungsfragen zur hohen Kunst. „Brotmuseum“ hört man nicht | |
> gern. | |
Bild: Brot und Kunst im Salzstadel: das „Museum Brot und Kunst – Forum Welt… | |
Berlin taz | Einer dieser Gebäudekomplexe, wie man sie vor vier Jahrzehnten | |
wieder in die Ulmer Altstadt pflanzte: schmaler Baukörper, Lochfassade, | |
steiles Dach, architektonische Langeweile. „Salzstadel“ steht über dem | |
Haupteingang. Angefügt ist ein leuchtendes „P“ in Blau. Es kann durchaus | |
sein, dass man tatsächlich erst hier landet auf der Suche nach dem | |
eigentlichen „Salzstadel“, dem historischen. Den Salzstadel gibt es in Ulm | |
doppelt – der historische gleich nebenan. | |
Und während der Wiedergänger eine im Grunde eine Tiefgarage mit | |
Wohnbebauung obendrüber ist, präsentiert sich das Original als mächtiges | |
Renaissancegebäude von 1592, belegt mit dem [1][„Museum Brot und Kunst – | |
Forum Welternährung“], landläufig abgekürzt als „Brotmuseum“, vereinze… | |
gar kleingestutzt zum „Ulmer Brotmuseum“. | |
Unfaire Praxis. Denn das Haus ist eine Institution, die ausgezeichnete | |
Arbeit leistet, aufbauend auf einer Sammlung von weit über 10.000 Objekten, | |
und furchtlos genug, sich ins Getümmel der Kulturkämpfe von heute zu | |
stürzen. „Verrückt nach Fleisch“ hieß etwa die Wechselausstellung, die | |
gerade zu Ende ging. | |
## Ein unerwartet komplexes Thema | |
Beackert wird hier ein drängendes und vielschichtiges Thema. Kurz ist der | |
gedankliche Sprung [2][vom Brot zur Ernährung], hochpolitisch aufgeladen | |
die Frage, wer darüber bestimmt, etwa über das Saatgut, die Preise, die Art | |
der Nutzung der Flächen. Die unterschiedlichen Ansichten und Interessen | |
prallen aufeinander in der dokumentarisch-künstlerischen | |
(Video-)Installation im obersten Geschoss zur „Zukunft der Ernährung“. | |
Gentechnik in der Landwirtschaft, „fairer Welthandel“, die „Logik des | |
Geldes“, und das „Saatgut von morgen“ sind lediglich ein Ausschnitt aus | |
über 20 Themenfeldern. Landwirtschaftliche Kultur ist bunt – jedenfalls da, | |
wo die Saat des Einflusses von Konzernmacht, Agrarindustrie, Bauernverband | |
und Co noch nicht vollumfänglich aufgegangen ist. | |
Der Horizont der Einrichtung endet also weder an Ulms noch an Deutschlands | |
Grenzen. Für einen Besuch sollte man auf jeden Fall genügend Zeit | |
einkalkulieren, denn es gibt viel zu schauen, zu lesen und zu hören. Einen | |
der Kerne der Sammlung bilden Werke der bildenden Kunst, vielfach von Rang. | |
Zu den Spezialitäten des Hauses zählt, dass es ebenfalls die Sonderschauen | |
mit solchen bestückt, vornehmlich mit zeitgenössischen Positionen. Das | |
erzeugt Reibungsflächen und eröffnet weitere Perspektiven. Zuletzt schlug | |
Marije Vogelwang vegane Alternativen aus erfundenen Tieren vor, und Hartmut | |
Kiewert ließ in seinem Utopia Tiere und Menschen friedlich miteinander | |
picknicken. | |
## Trotzige Stullen | |
Brot ist eine menschliche Geste, „um den launischen Göttern und der | |
schwierigen Natur zu trotzen. Es formt ihr Zusammenleben und die Kultur, | |
wie wir sie kennen“, stellt das Haus seine Programmatik vor. Die | |
Besuchenden wandeln in Backstuben und in Labore, werden in den Arrangements | |
der Dauerausstellung mit Werbung konfrontiert und mit theologischen | |
Positionen, mit industriellen Lebensmitteln wie mit Genuss. | |
Begründet hat sie ein Ulmer Fabrikant. Willy Eiselen (1896–1981) baute ein | |
Unternehmen für Back- und Nährmittel auf und nebenbei eine kunst- und | |
kulturgeschichtliche Sammlung, die er ab 1960 unter dem Namen „Deutsches | |
Brotmuseum“ in kleinerem Rahmen präsentierte. Ihm folgte sein Sohne Hermann | |
Eiselen (1926–2009) nach – das finanzielle Fundament blieb auch dank der | |
bereits 1978 ins Leben gerufenen Vater und Sohn Eiselen-Stiftung stabil. | |
## Aus Ulm in die Welt | |
Heftig fiel der Protest aus, wenn die Zeitung mal wieder (und nicht immer | |
aus Versehen) vom „Ulmer Brotmuseum“ schrieb. Schon der Junior beanspruchte | |
für sein Haus eine „weltweite Bedeutung“. Erst der Wechsel an den zentralen | |
Standort und die folgende Nach-Eiselen-Ära eröffneten dem Haus neue | |
Freiheiten. Es flaggte sich um zum „Museum für Brotkultur“ und danach | |
erneut, um der Erweiterung zum Kunstgeschehen gerecht zu werden. | |
Der Salzstadel wiederum ist stadthistorisch von Belang, gehört er zu einer | |
Serie an Stadelbauten, die sich die Freie Reichsstadt im 16. Jahrhundert | |
zur Vorratshaltung in Kriegszeiten und als Waffendepots zugelegt hatte. | |
Bespielt werden mehrere Hallen, die untere mit Kreuzgratgewölbe versehen, | |
die oberen in Fachwerkständerbauweise. Toskanische Hausstein-Säulen | |
vertreten eine Frühform der Italiensehnsucht. Eine aus dem Eiselen-Vermögen | |
gespeiste zweite Stiftung, „fiat panis“, engagiert sich für Forschung zur | |
Verbesserung der Welternährung. | |
Allein in Deutschland gibt es noch vier weitere Museen mit diesem | |
Schwerpunkt, unter denen sich das „Europäische Brotmuseum“ in Ebergötzen | |
ehrerpicht nach vorne drängelt. Ulm hat sich aus diesem Balzgeschehen | |
verabschiedet, gibt nur eine kleine Bitte mit auf den Nachhauseweg: „Don’t | |
call me brotmuseum.“ | |
7 May 2025 | |
## LINKS | |
[1] https://museumbrotundkunst.de/ | |
[2] /BaeckerInnen-ueber-Arbeit-im-Kollektiv/!6081543 | |
## AUTOREN | |
Thomas Vogel | |
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