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# taz.de -- Modernes Sexualstrafrecht nach MeToo: Endlich! Ein feministischer E…
> Frankreich und Norwegen wollen das „Ja heißt Ja“-Prinzip einführen, das
> Zustimmung zu Sex erfordert. Das Thema löst prompt starke Gefühle aus.
Bild: Danke Gisèle: Pelicots Mut zur Öffentlichkeit hat die Politik in Frankr…
Dieser Text will alle mitnehmen. Auch diejenigen, die mit Gefühlen nicht so
gut zurechtkommen, etwa weil sie ihnen vom Patriarchat abtrainiert oder
verboten werden. Deshalb zunächst, ganz sachlich, die Nachricht.
Schon dreizehn europäische Staaten haben das [1][Prinzip „Ja heißt Ja“] in
ihr Strafrecht übernommen. Das verlangt die Istanbul-Konvention, bindendes
Völkerrecht für die beteiligten Mitglieder des Europarats.
Nun haben zwei weitere Länder vor, internationales Recht in nationales
Recht zu überführen. In Frankreich hat die Nationalversammlung einen
Entwurf angenommen, der eine Anpassung des Sexualstrafrechts vorsieht. In
Norwegen plant die Justizministerin einen ähnlichen Vorstoß.
Waaas?, werden jetzt einige empört rufen. Muss man dann vor dem Rummachen
etwa einen Vertrag unterschreiben? Das versaut doch die ganze Stimmung. Was
soll die Scheiße?!
Ganz ruhig. Bevor die Gefühle doch noch mit irgendwem durchgehen, zurück
zur sachlichen, juristischen Bedeutung der Reform: Sie besagt, dass Sex nur
mit Zustimmung aller Beteiligten legal ist. Und das wollen ja angeblich eh
alle, also kein Grund zur Aufregung. Wer nicht übergriffig sein will,
beachtet ohnehin die nonverbalen und verbalen Signale des Gegenübers – und
kann sich weiter den guten Gefühlen hingeben.
## Einbrechern muss man auch nicht widersprechen
Um die Reform zu verstehen, ein Vergleich: Stellen Sie sich vor, ein
Einbrecher kommt in Ihr Haus. Sie sind total überrumpelt, vielleicht
panisch und unfähig zu handeln, wie gelähmt. Dann klaut er auch noch Ihre
Uhr. Landet der Fall vor Gericht, ist völlig egal, wie Sie sich in dem
Moment gefühlt und ob Sie geschwiegen haben. Sie können sich auf das Haus-
und Eigentumsrecht berufen. Für eine Verurteilung reicht, dass Sie dem
Einbrecher nicht zugestimmt haben.
Klingt logisch? Das Gleiche sollte für die sexuelle Selbstbestimmung
gelten. Doch bislang folgen Länder wie Deutschland dem „Nein heißt
Nein“-Prinzip. Das heißt: Es muss eine objektiv erkennbare Ablehnung des
Sexualkontakts nachgewiesen werden. Als Vergewaltigung gilt sonst
ausschließlich Sex, der durch Gewalt, Drohung oder ähnliche Mittel
erzwungen wurde. Ein Grund, warum Schuldige so selten verurteilt werden.
Selbst wenn Gerichte den Betroffenen glauben. Eine himmelschreiende
Ungerechtigkeit!
Und nun zu den Gefühlen, die mit der Reform in Frankreich verbunden sind:
Überraschung, Freude, Scham, Hoffnung. Frust.
Überraschend ist, dass bürgerliche Parteipolitiker*innen überhaupt
noch sinnvolle Gesetze auf den Weg bringen. In Frankreich stimmte eine
illustre Mixtur aus zerstrittenen Macronisten, Grünen und Linken dafür.
## Ein feministischer Erfolg
Erfreulich ist, dass Gerichtsverfahren für Betroffene ein klein wenig
erträglicher werden könnten. Denn künftig ist es der Angeklagte, der im
Fokus steht und nachweisen muss, dass es Zustimmung gab. Mit „Ja heißt Ja“
wechselt die Scham also auch im juristischen Prozess die Seite – so [2][wie
Gisèle Pelicot es forderte]. Die Französin war über Jahre immer wieder von
ihrem Ehemann betäubt und Männern zur Vergewaltigung angeboten worden.
Hoffnung machen kann das Vorhaben allen, die seit Langem gegen
sexualisierte Gewalt kämpfen. Erfolge sind möglich! Um die MeToo-Bewegung
war es ruhiger geworden. Pelicots Mut zur Öffentlichkeit hat die Politik in
Frankreich offensichtlich unter Zugzwang gesetzt. Deutschland hat – hier
kommen wir zum Frust – eine „Ja heißt Ja“-Regelung [3][auf EU-Ebene bish…
blockiert.]
Nicht ausgeschlossen, dass die wachsende Zahl an Ländern, die ihr
Sexualstrafrecht reformieren, den Druck erhöhen. Den braucht es. Denn
freiwilliges feministisches Handeln ist von der neuen Bundesregierung nicht
zu erwarten. Und das versaut doch die ganze Stimmung. Was soll die
Scheiße?!
18 Apr 2025
## LINKS
[1] /Juristin-erklaert-Ja-heisst-Ja-Reglung-Sollte-Deutschland-Norwegen-und-Fra…
[2] /Pelicot-Prozess/!t6057825
[3] /EU-Richtlinie-zu-Gewalt-gegen-Frauen/!5987456
## AUTOREN
Lotte Laloire
## TAGS
Sexualisierte Gewalt
Schwerpunkt #metoo
Schwerpunkt Frankreich
Istanbul-Konvention
Kolumne Starke Gefühle
GNS
Prozess
Schwerpunkt #metoo
Feminismus
Pelicot-Prozess
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