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# taz.de -- Vergewaltigungsprozess in Berlin: „Ich glaube ihm kein Wort“
> Ein 38-Jähriger ist angeklagt, weil er eine junge Frau unter Drogen
> gesetzt und vergewaltigt haben soll. Die Polizei hatte zunächst nicht
> ermittelt.
Bild: Derzeit wird gegen Marvin S., heute 38 Jahre alt, vor dem Landgericht Ber…
Berlin taz | Die Rettungskräfte finden die damals 20 Jahre alte Frau am
frühen Nachmittag des 22. April 2022 in der Wohnung von Marvin S. in
Berlin. Auf ihren Körper sind die Wörter „Slut“ und „Whore“ geschrieb…
Der Körper weist Spuren von Wachs auf, Würgemale sowie zahlreiche
Verletzungen durch Schläge und Tritte. Die junge Frau atmet nicht mehr, ihr
Herz steht still. Es dauert zwölf Minuten, so steht es in der
Anklageschrift, bis es gelingt, sie wiederzubeleben. In der Charité wird
sie fünf Tage lang im künstlichen Koma liegen.
Tabea R. (Name geändert) stand im April 2022 kurz vor ihrem Fachabitur. Am
Abend des 21. April hatte sie getrunken und sich in der Nacht von einer
Freundin aus auf den Heimweg gemacht. An einer Bushaltestelle in Steglitz
im Berliner Südwesten trifft sie auf Marvin S. – so belegen es
Sprachnachrichten, die Tabea R. in der Nacht an eine weitere Freundin
schickt. Ihre letzte Nachricht schickt sie um 2.34 Uhr ab. Mehr als zehn
Stunden später ruft Marvin S. den Notarzt.
Derzeit wird gegen Marvin S., heute 38 Jahre alt, vor dem Landgericht
Berlin verhandelt. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, er habe in der
Aprilnacht 2022 erkannt, wie betrunken Tabea R. war, als er sie mit in
seine Wohnung nahm. Er habe ihr ein Kokain-Heroin-Gemisch gespritzt, um die
teils bewusstlose Frau vergewaltigen zu können. Und er habe in Kauf
genommen, dass die Drogen tödliche Folgen haben könnten.
Am Dienstag äußerte sich Marvin S., der die Tat bestreitet, zum ersten Mal
während des Verfahrens. Per schriftlicher Einlassung behauptet er, die
Stimmung zwischen ihnen sei „flirty“ gewesen. Er habe nicht den Eindruck
gehabt, dass Tabea R. bereits „sturzbetrunken“ gewesen sei, als sie sich
getroffen hätten. Er beschreibt sexuelle Praktiken zwischen ihnen, Tabea R.
habe sich etwa ein Halsband „selbst angelegt“.
Beide seien irgendwann eingeschlafen, und als er gegen Mittag wieder
aufgewacht sei, seien ihre Lippen „etwas blau“ gewesen. Als sie sich nicht
habe wecken lassen, habe er die Sanitäter gerufen.
## Die Mutter glaubt ihm nicht
Tabea R. ist im Verfahren Nebenklägerin. Ihre [1][Anwältin Christina Clemm]
sagte am Dienstag der taz, jetzt, am Ende der Beweisaufnahme und nachdem
die ZeugInnen bereits gehört worden seien, könne S. „viel erklären – er
lässt sich ja nicht befragen“. Tabea R.s Mutter sagte: „Ich glaube ihm kein
Wort“. So oder so: Ihr gehe es nicht ums Strafmaß. „Sondern darum, dass die
Vergewaltigung anerkannt wird und dass andere Frauen dadurch geschützt
werden.“
Denn dass überhaupt gegen Marvin S. verhandelt wird, war nicht
selbstverständlich. Zwar sagten die Rettungskräfte vor Gericht aus, die
Situation, in der sie Tabea R. fanden, habe „irritierend“ gewirkt. Die von
ihnen herbeigerufene Polizei sah dennoch keinen Anfangsverdacht für eine
Straftat. Die Polizei ermittelte nicht und die Betroffene wurde nicht
rechtsmedizinisch untersucht, was die Arbeit des Gerichts nun deutlich
erschwert.
Vor dem Gericht hielt eine queerfeministische Initiative namens „Nur Ja
heißt Ja!“ am Dienstag deshalb eine Mahnwache ab. Auf deren Banner stand:
„Ein Staat, der nicht schützt, macht sich mitschuldig!“
## Beweise auf Video
Erst als die Familie der Betroffenen Strafanzeige erstattet, nimmt das
Landeskriminalamt Ermittlungen auf. Im Juni 2022 wird die Wohnung von
Marvin S. durchsucht – und die BeamtInnen finden mehrere hundert Bild- und
Videodateien. Laut Anklage ist darauf zum einen der sexuelle Missbrauch von
Tabea R. zu sehen, die kaum noch bei Bewusstsein ist. Zudem zeigen die
Bilder und Videos den Missbrauch von Kindern, einige von ihnen im
Kleinkindalter. Schließlich erhebt die Staatsanwaltschaft Anklage.
[2][Wie der Spiegel schreibt], zeigen die Videos zudem, wie sich S. an
weiteren betäubten Frauen vergeht. Noch seien nicht alle identifiziert. Am
Dienstag hieß es vor Gericht, es gebe zwei weitere Anklagen gegen S., bei
denen „umfangreiches Videomaterial“ vorhanden sei. Im Fall Tabea R. sind
noch zwei Termine bis zur Urteilsverkündung angesetzt. Aber es ist offenbar
nicht der letzte Fall, in dem Marvin S. vor Gericht steht.
27 May 2025
## LINKS
[1] /Rechtsanwaeltin-ueber-Gewalt-gegen-Frauen/!6049470
[2] https://www.spiegel.de/panorama/justiz/berlin-prozess-wegen-mutmasslicher-v…
## AUTOREN
Patricia Hecht
## TAGS
Prozess
Vergewaltigung
Sexualstrafrecht
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Sexualisierte Gewalt
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Schwerpunkt Femizide
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