# taz.de -- Performance „War Games“ in Hamburg: Krieg in der Spielwelt | |
> „War Games“ fragt, wie Kinder Krieg und Gewalt erleben, und zeigt | |
> bildstark mit überraschenden Perspektiven, wie tief Konflikte unser | |
> Handeln prägen. | |
Bild: Und plötzlich knallt's beim Minensuchen | |
Die Liste mit den Triggerwarnungen, die im Kampnagel-Foyer in Hamburg | |
vorher verlesen wird, ist lang: schnelle Lichtwechsel, Stroboskop, | |
Dunkelheit, laute Sounds, Pyroeffekte, Schüsse aus einer Druckluftwaffe | |
(ohne Projektil) und vor allem: „Krieg, Gewalt und Tod sind zentrale Themen | |
des Stücks und werden szenisch dargestellt.“ | |
Empfohlen ist „War Games“, Kriegsspiele, vom [1][altersgemischten Hamburger | |
Ensemble Skart & Masters of the Universe], ab 12 Jahren. Viele Kinder | |
sitzen im Publikum und auch drei der Performer:innen sind Kinder. Mit | |
Krieg und Waffengewalt sind sie spätestens seit dem russischen Überfall auf | |
die Ukraine überall konfrontiert: im Fernsehen, in der Schule, in | |
Videospielen. Waffen und Krieg erscheinen fast selbstverständlich. | |
Aber wie erleben Kinder diesen von Erwachsenen geprägten Gewaltdiskurs, wie | |
die Anziehungskraft von Gewalt oder die Lust an der Angst, die ihnen in | |
Kriegsspielen begegnet? | |
Damit haben sich die Theatermacher:innen zwei Jahre lang mit Siebt- | |
bis Elfklässler:innen der Stadtteilschulen Altona und Eidelstedt in | |
Arbeitsgruppen beschäftigt, haben Expert:innen eingeladen und sich | |
Gedanken über Bühnen- und Kostümbild gemacht. Schließlich wurde all das | |
zusammengebracht und mit [2][Performer:innen des inklusiven Ensembles | |
Meine Damen und Herren] zu einem Theaterabend entwickelt. | |
## Es knallt und raucht | |
Der beginnt leise. Nach frischem Gras riecht es, die Bühne ist eine | |
Spielwiese mit Rollrasen. Da ist noch ein anderer Geruch, vielleicht vom | |
Schleim, der aus einem Behälter auf einen gut getarnt auf dem Gras | |
liegenden Heckenschützen tropft. Später wird es immer wieder verbrannt | |
riechen. Im Hintergrund steht ein riesiges Mauersegment, darauf groß das | |
Wort „Reue“. | |
Mit einem Metallsuchgerät betritt eine Figur in weißer Uniform den Rasen. | |
Ist das ein Kampfanzug oder der Schutzanzug einer Forscherin? Vorsichtig | |
sucht sie den Boden ab, schreckt zurück, wenn das Gerät piept. Dann knallt | |
es hinter ihr und ein Rauchpilz steigt zur Decke. Sie sucht weiter, es | |
knallt wieder. Dunkelheit. | |
Eine Stunde lang reihen sich solche Szenen aneinander, oft ohne Worte, | |
bildstark, toll beleuchtet und choreografisch. Dazu erklingen mal ruhige | |
Ambientsounds, mal ballert Technoides wie ein Gewehr. Loops nennt der | |
Abendzettel diese Szenen, auch die dazu auf die Mauer projizierten Worte | |
wiederholen sich bald: Reue, Vergessen, Macht, Exzess. | |
Mal liegen die Performer:innen auf dem Boden und winden sich wie | |
gefangen, die Uniformen sehen dann aus wie Anzüge von Insass:innen einer | |
Anstalt, schließlich werden sie mit einer Pistole erschossen. Dann tanzen | |
sie wild oder marschieren militärisch. In extremer Zeitlupe verprügeln sie | |
einen von ihnen brutal. In einer beeindruckenden Szene steht die Kleinste | |
von ihnen in der Mitte der Bühne, mit riesigen Flügeln aus Wahlplakaten von | |
Parteien. | |
## Berührende Geschichten | |
Zu den eindringlichen Bildern gibt es auch Geschichten wie die vom Jungen | |
aus der Schule, der immer drangsaliert wird. Nur einer versucht, die | |
anderen zurückzuhalten. Doch einmal, erzählt dessen Stimme aus dem Off, sei | |
auch er gewalttätig geworden, als der Junge nicht aufgehört hatte zu | |
nerven. Heute denke der Erzähler, dass er bloß noch kindlich gewesen war | |
und tief in seiner Spielwelt steckte. Seinen Blick könne er nie vergessen: | |
Von dir hätte ich das nicht erwartet … | |
Oder die skurrile Geschichte, die einer der Performer als Fliegerbombe | |
erzählt, die als Blindgänger unter der Erde schlummerte, bis sie entdeckt | |
wird. „Ich liege mit anderen Fliegerbomben auf einem Tisch. Ich spüre eine | |
starke Verbundenheit mit ihnen. Auch sie haben es geschafft, nicht sofort | |
hochzugehen.“ Doch mit ihnen zu „connecten“ klappt nicht und sie fühlt s… | |
verletzlich wie eine Kartoffel. Als Kartoffelbrei landet sie im Schlund | |
eines Flugzeugs. | |
Es sind diese Perspektivwechsel, die „War Games“ nie langweilig werden | |
lassen und am Ende [3][einen eigentümlichen Eindruck hinterlassen vom | |
Spielen] mit dem Krieg: Unfassbar bleibt all das, aber Spaß macht es ja | |
schon, und man staunt und denkt und ist fasziniert – und sorgt sich, wie | |
tief der Krieg unser Miteinander und die Spielwelt unserer Kinder schon | |
prägt. | |
Und dann hat man wieder viel Hoffnung: Wenn ganz unterschiedliche Menschen | |
gemeinsam einen so schönen Abend über so etwas Schreckliches wie Krieg | |
hinbekommen, dann ist ja doch noch lange nicht alles verloren. Oder? | |
11 Apr 2025 | |
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## AUTOREN | |
Robert Matthies | |
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