Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Die Morgenroutinen der Influencer: Toxische Routinen
> Influencer Ashton Hall steht um 3:52 Uhr auf, badet in Eiswasser, predigt
> von Investments – und lässt sich bekochen. Ein fragwürdiges Männerbild.
Bild: Vielleicht die gewöhnlichste Morgenroutine der Welt: Zähneputzen
Zu welcher Zeit steigen Sie aus [1][dem Bett]? Zählen Sie zu den – wie die
Politik sagt – hart arbeitenden Menschen, die um sieben Uhr aufstehen? Oder
noch früher, weil die Kinder umsorgt werden müssen oder ein Angehöriger
Pflege benötigt? Oder ist der Morgen Ihr Abend, weil die Schichtarbeit
gerade erst endet?
Ganz gleich, wann Sie aufstehen, laut dem Trend der
Fitnessi[2][nfluencer]-Morgenroutine ist es zu spät. Um 3:52 Uhr nachts
muss man schon vor dem Badezimmerspiegel stehen, gegen 4:04 Uhr die ersten
Liegestütze machen und um 4:42 Uhr in das Tagebuch schreiben. Um 6:38 Uhr
geht es [3][ins Fitnessstudio], eine gute Stunde später zum Schwimmen und
erst dann gibt es ein spartanisches Frühstück.
Die Zeiten stammen aus der angeblichen Morgenroutine des selbsternannten
christlichen Fitnessinfluencer Ashton Hall. Auf Instagram folgen dem
muskulösen US-Amerikaner knapp zehn Millionen. Auf Youtube haben seine
Fitnessvideos weit über 800 Millionen Aufrufe. Anfang Februar postete er
ein Video seiner Morgenroutine auf Instagram. In nur fünf Tagen bekam es
über 680 Millionen Aufrufe. Mit den Reposts und Klicks auf anderen
Plattformen liegt das Video im Milliardenbereich.
Den Trend der Morgenroutine hat Hall zwar nicht begründet, doch er hat ihn
auf ein virales, exzessives Level gehoben. Neben den denkbaren
Trittbrettfahrer:innen im Influencertum gibt es nun auch eine Vielzahl
an Parodien der Morgenrituale. Ob es die Routine von dem Philosophen
Immanuel Kant oder tierische Versionen von Halls Videos sind, das Internet
hat den Irrsinn in den unrealistischen Morgenroutinen erkannt.
Das Alleinstellungsmerkmal des muskulösen Influencers, der sich stets
oberkörperfrei präsentiert, ist ein Eisbad für’s Gesicht. Laut seiner
Routine taucht er das Gesicht schon mehrmals am Morgen in eine Schüssel mit
Eiswürfeln, die ausschließlich mit der US-amerikanischen Sprudelmarke
Saratoga hergestellt wurden.
## Die Sichtbarkeit der eigenen Produkte
Die dunkelblaue Flasche ist omnipräsent in seinen Videos und obwohl
Influencer für ihre oft dubiosen Werbepartnerschaften bekannt sind, hat
Hall keinen offiziellen Vertrag mit der Sprudelmarke – noch nicht. Seit er
Saratoga in seinen Videos präsentiert, haben sich die Suchanfragen nach dem
Wasser vertausendfacht und der Instagram-Kanal des Unternehmens bekam einen
rasanten Zuwachs von über zehn Prozent.
Dabei spielt es keine Rolle, ob die Influencer tatsächlich mitten in der
Nacht aufstehen oder wann sie trainieren. Wichtiger ist der Zweck hinter
Halls und ähnlich gelagerten Videos. Es geht – worum auch sonst bei
Influencern? – um die Maximierung der Reichweite und die Sichtbarkeit der
eigenen Produkte.
So bietet Hall sein eigenes Personal Training, eine Fitness-App und
Nahrungsergänzungsmittel an sowie ein „Freedom Mentorship Coaching“ – oh…
zu sagen, was sich dahinter verbirgt. Wichtig ist nur, dass die Plätze
dafür angeblich sehr limitiert sind.
## Die Frau wird reduziert auf die Rolle der Arbeitskraft
Alles an Hall wirkt bizarr, besonders wenn er sein Gesicht in Eiswasser
taucht, es mit Bananenschalen einreibt, Predigten auf seinem Handy schaut
und in Online-Meetings willkürlich von Investments erzählt. Das Essen in
den Videos macht er nicht selbst, sondern es wird von einer Frau
zubereitet. Doch nicht einmal ihr Gesicht wird gezeigt. Ein simples „Thank
you“ aus dem Mund des christlichen Influencers muss reichen.
Die Frau wird reduziert auf die Rolle der Arbeitskraft, die dem Mann das
Essen zubereitet und wieder verschwindet. Sie taucht nur auf, wenn sie
Arbeiten für ihn erledigen soll. In einem weiteren Video zerbricht Hall
versehentlich eine der Wasserflaschen. Und wieder ist es die namen- und
gesichtslose Frau, die ihm hinterherräumt, die Schuhe bereitstellt und die
Klamotten anreicht.
Der große Influencer Ashton Hall – Leistungssportler, Entrepreneur,
Online-Coach, Alleskönner – verkommt zu einem Kleinkind, das sich nicht
einmal alleine ankleiden kann.
3 Apr 2025
## LINKS
[1] /Schlafgewohnheiten/!6038291
[2] /Familienratgeber-auf-Social-Media/!6073364
[3] /Urban-Sports-Club-und-Co/!6066626
## AUTOREN
Martin Seng
## TAGS
Influencer
Männlichkeit
Fitness
Selbstoptimierung
GNS
Toxische Männlichkeit
Schleswig-Holstein
Soziale Medien
psychische Gesundheit
## ARTIKEL ZUM THEMA
Studie zu geschlechtsbezogener Gewalt: Toxische Männlichkeit fängt in der Kit…
Eine Studie zeigt: Bis zu 80 Prozent der schleswig-holsteinischen Kitas und
Schulen haben noch kein Konzept zur Prävention geschlechtsbezogener Gewalt.
Kai Trump: Trumpismus-Influencerin für die Generation Z
Die 17-jährige Kai Trump inszeniert ihren Großvater Donald auf Youtube,
Tiktok und Instagram als lieben Opa und engagierten Präsidenten.
Therapeutin über seelische Gesundheit: „Fitness-Studio für die Psyche“
Das ehrenamtliche Bremer Projekt Brynja schlägt mit Gruppenangeboten wie
fairem Raufen oder Winterbaden eine Brücke zwischen Therapie und Alltag.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.