# taz.de -- Israel geht gegen Buchladen vor: Razzia, die zweite | |
> Zum zweiten Mal in wenigen Wochen durchsucht Israels Polizei einen | |
> bekannten Buchladen in Ost-Jerusalem. Die Beweislage scheint noch | |
> dürftiger als zuvor. | |
Bild: Die Auslage des Educational Bookshops in Jerusalem: Die Werke beschäftig… | |
Jerusalem taz | Zum zweiten Mal in gut einem Monat hat die israelische | |
Polizei in einem international bekannten palästinensischen Buchladen in | |
Ost-Jerusalem eine Razzia durchgeführt und dessen Betreiber, den | |
61-jährigen Imad Muna, zeitweise festgenommen. Um 11:30 Uhr am | |
Dienstagvormittag durchsuchten laut der Familie rund ein Dutzend | |
Polizeibeamte den Educational Bookstore, beschlagnahmten rund 50 Bücher und | |
schlossen das Geschäft vorübergehend. Ein Durchsuchungs- oder Haftbefehl | |
lag demnach nicht vor. | |
Wenige Stunden später sitzt Imads Sohn Ahmad sichtlich mitgenommen neben | |
dem Eingang des Geschäfts, in dem sich Freunde und Unterstützer drängen. | |
Sein Vater ist nach mehreren Stunden auf der Polizeiwache wieder frei, | |
neben ihm liegt der Stapel der zurückgegebenen Bücher. Unter den Titeln, | |
die die Beamten als verdächtig erachtet hatten, sind ein Bildband des | |
[1][Graffiti-Künstlers Banksy] und ein „Kletterführer Palästina“. „Am | |
meisten schockiert mich, dass sie diesmal nicht einmal mehr die Anweisung | |
eines Richters eingeholt haben“, sagt Ahmad. | |
Der 33-Jährige und sein Onkel Mahmud Muna waren vor rund einem Monat bei | |
einer ersten Razzia festgenommen und nach 48 Stunden freigelassen worden. | |
[2][Am 9. Februar hatte die Polizei rund 300 Bücher mitgenommen und acht | |
einbehalten], darunter ein Kindermalbuch mit dem Titel [3][„From the river | |
to the sea“], bei dem es sich laut der Familie um ein Ansichtsexemplar | |
eines Verlages handelte, das nicht zum Verkauf ausgestellt war. | |
In der Folge hatte die israelische Staatsanwaltschaft die Razzia | |
kritisiert. Die Beamten hätten nicht über die nötige Erlaubnis für eine | |
Ermittlung wegen „Verbreitung von Hetze“ verfügt. Hochrangigen | |
Polizeivertretern sei kommuniziert worden, dass „solche Zwischenfälle sich | |
nicht wiederholen“ dürften. | |
## Botschafter Seibert: „Friedliebende stolze Jerusalemer“ | |
Die israelische Polizei teilte am Dienstag mit, einem Hinweis durch einen | |
Anrufer gefolgt zu sein, der „Bücher mit hetzerischem Inhalt“ gemeldet | |
habe. Es sei eine „Überprüfung der Bücher eingeleitet worden, auf deren | |
Grundlage entschieden wird, ob die Angelegenheit der Staatsanwaltschaft | |
übergeben wird.“ | |
Die Familie Muna betreibt den Educational Bookshop seit mehr als 40 Jahren. | |
Das Geschäft ist eine feste Adresse in der Jerusalemer Kulturlandschaft und | |
bei internationalen Besuchern ebenso beliebt wie bei vielen jüdischen | |
Israelis. „Unsere Bücher fordern israelische Narrative ebenso heraus wie | |
palästinensische“, sagt Mahmud. Der deutsche Botschafter Steffen Seibert | |
bezeichnete die Familie vergangenen Monat als „friedliebende stolze | |
Jerusalemer Palästinenser, offen für Diskussion und intellektuellen | |
Austausch.“ | |
Die erste Razzia Anfang Februar zog international einen Aufschrei nach | |
sich. Das Geschäft führt neben Titeln palästinensischer und internationaler | |
Autoren auch zahlreiche von jüdischen Israelis verfasste Bücher. „Der | |
Vorwurf der Hetze ist lächerlich“, sagt Mahmud. „Die Bücher, die wir | |
anbieten, kannst du alle auch in der israelischen Nationalbibliothek | |
finden.“ | |
## Israel und die Meinungsfreiheit | |
Für ihn zeige die Razzia, dass die israelische Polizei mit Blick auf die | |
Rechte von Palästinensern zunehmend „ohne Bezug zu jedem rechtsstaatlichen | |
Rahmen“ handle. Seit dem [4][Hamas-Überfall auf Israel am 7. Oktober 2023] | |
gehen israelische Sicherheitsbehörden hart gegen Palästinenser vor, | |
einschließlich gegen solche, die die israelische Staatsbürgerschaft haben. | |
Hunderte Menschen wurden wegen Online-Posts zu Haftstrafen verurteilt, | |
Filmvorführungen verboten und Demonstrationen untersagt. | |
Unter dem rechtsextremistischen Polizeiminister Itamar Ben Gvir wurden im | |
vergangenen Jahr zahlreiche Stellen in der Polizeiführung mit politisch | |
loyalen Beamten besetzt. „Offenbar reicht es heute, wenn jemand mit einem | |
jüdisch-israelischen Namen anruft und uns anschwärzt, um unser Leben auf | |
den Kopf zu stellen.“ Erschöpft blickt Mahmud Muna auf seine Armbanduhr. | |
Eigentlich hätte er am Nachmittag im Flugzeug zur Buchmesse in London | |
sitzen sollen. | |
11 Mar 2025 | |
## LINKS | |
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## AUTOREN | |
Felix Wellisch | |
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