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# taz.de -- Baerbock, al-Scharaa, Erdoğan: Ist das noch Empowerment?
> Boss Baerbock für die UN-Generalversammlung, Kurden als ständiger
> Störfaktor, Erdoğans praktische Geisel. Und Femizide, die im Verborgenen
> bleiben.
Bild: Von der Undiplomatin zur UN-Diplomatin, Baerbock bei einem Treffen EU-Au�…
taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?
Friedrich Küppersbusch: Kanzlerwahl dauert noch mindestens bis Ostern.
taz: Und was wird besser in dieser?
Küppersbusch: 1.000 Gratiswitze parat mit „Merz sucht seine Eier“.
taz: Mit der [1][Lockerung der Schuldenbremse] kann ein milliardenschweres
Finanzpaket geschnürt werden. Ist die Aufrüstung für die kommende Regierung
Grund genug, in Zukunft andere Grundgesetze zu lockern?
Küppersbusch: Kann sie nicht. Es sei denn, Scholz & the Gang bleiben
nebenan in einer Turnhalle als Zombieregierung sitzen und heben ab und an
den Arm, wenn Friedrich der Erste wieder nicht weiterweiß. Die Wehrpflicht
etwa – wehrgerecht auch für Frauen – ist nur mit einer Grundgesetzänderung
zu machen. Für das Bundesverfassungsgericht stehen Nachbesetzungen an, auch
hier fehlt Schwarz-Rot die nötige Zweidrittelmehrheit. Das war also jetzt
mehr so ’ne Vorratsbratenspeicherung, damit sie auch in den schweren Tagen
was zu mümmeln haben, wenn ohne AfD oder Linke gar nichts mehr geht. Und
selbst das setzt gramgebeugte Duldungsstarre der Grünen voraus. Um die
Ursachen der Entdemokratisierung zu bekämpfen, müssten sie Wohnungen,
sozialen Ausgleich, Bildung finanzieren. Dass das nicht passiert, scheint
auch so ein Grundgesetz, das man nicht ändern kann.
taz: Annalena Baerbock warf die Diplomatin Helga Schmid aus dem Rennen um
den deutschen Vorsitz der UN-Generalversammlung – wie es bei männlichen
Kollegen üblich ist. Können die Medien den Furor um Baerbock also einen
Gang runterfahren?
Küppersbusch: Von der Undiplomatin zur UN-Diplomatin ist auch fachlich ein
respektabler Sprung. Baerbock hatte China als Diktatur, die Brics-Staaten
als russisch beeinflusst und Russland selbst als Endgegner angegriffen. Die
werden sich alle auf sie freuen. Friedensverhandlungen für die Ukraine
lehnte sie ausdauernd und vehement ab, um sich nun zu empören, dass man an
Verhandlungen nicht beteiligt werde. Mag sein: Wenn Männer solche
Karriere-Intrigen spinnen, riecht’s übel nach Rüdenpisse – bei Frauen wird
das Gleiche als löbliches Empowerment parfümiert. Da kann man sich vornehm
raushalten, wenn es – wie hier – schlicht Zweifel an der fachlichen
Qualifikation gibt. Elegant im Porzellanladen ist noch kein Genscher.
taz: Die Kurd:innen in Syrien lehnen Präsident al-Scharaas
Verfassungsentwurf ab. Sie nennen ihn einen Versuch, „eine Diktatur unter
dem Deckmantel einer Übergangsphase wiederherzustellen“. Erlebt Syrien nun
ein Ägypten 2.0?
Küppersbusch: Die Kurden erleben, was sie immer erleben: kämpfen und
sterben für große Versprechungen, die hinterher wieder einkassiert werden.
Erdoğans Türkei hat drei Landstriche in Nordsyrien besetzt, giert aber nach
der kurdisch besetzten Region: wegen der Ölvorkommen und weil sein
Rassismus keine kurdische Autonomie zulässt. Deshalb schließt er Waffenruhe
mit der Kurdenpartei – und greift die Kurden weiter an. Al-Scharaa braucht
nach den Gemetzeln an Alawiten ein Signal der Toleranz und möchte die
Kurden integrieren. Wobei auch ihr wertvoller Boden an das neue Regime
fiele. Kurz: Erdoğan und al-Scharaa rivalisieren um ein Stück Syrien, und
den Kurden wird klar, dass sie dabei von beiden Seiten als störend
empfunden werden. Wie immer.
taz: In der Türkei ließ Erdoğan seinen stärksten Konkurrenten İmamoğlu
festnehmen. Wie naiv ist die Hoffnung, dass der [2][Präsident irgendwann
gestürzt] werden könnte?
Küppersbusch: Immerhin einer glaubt, dass Erdoğan irgendwann gestürzt wird:
Erdoğan. Dem beugt er vor. Seine dritte Amtszeit gibt er als zweite aus,
weil er unterwegs ein Präsidialsystem einführte. Um noch mal anzutreten,
bräuchte er eine Verfassungsänderung. Und dafür Stimmen der Opposition.
Welch günstiger Zufall, dass er ihren Spitzenmann zur Geisel hat.
taz: In [3][Gera übergoss ein Mann seine Ehefrau mit brennbarer Flüssigkeit
und zündete sie an]. Wann wird der Femizid endlich als gesonderter
Straftatbestand eingeführt?
Küppersbusch: Das wäre schon deshalb nötig, weil bisher versuchter und
vollendeter Mord und Totschlag statistisch erfasst wird, nicht aber die
Motivation dahinter: In der „Polizeilichen Kriminalstatistik“ taucht
Femizid nicht auf. Das BKA vermutet eine erhebliche Dunkelziffer, jedoch
auch mehr Aufmerksamkeit und Bereitschaft zur Anzeige. Wäre also gut zu
wissen, woran mensch ist.
taz: Und was macht der RWE?
Küppersbusch: Formal heißt es „Niederrhein-Pokalfinale“, tatsächlich ist…
der „Clásico“: RWE gegen RWO. Die Rivalität reicht bis ins Detail:
Oberhausen schreibt sein Rot-Weiß mit ß, Essen mit Doppel-s. Einziges
Finale mit Rechtschreibhooligans.
Fragen: Julia Schöpfer
23 Mar 2025
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Friedrich Küppersbusch
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