# taz.de -- Traumabewältigung auf Social Media: Plüsch und Selbsthilfe | |
> Meme-Accounts posten sehr erfolgreich über Traumabewältigung. Das hat | |
> problematische Aspekte, erfüllt aber auch wichtige Funktionen. | |
Bild: Wer könnte besser dabei helfen, sich selbst zu vertrauen, als Kermit? | |
Plüsch. Der Instagram-Account „Softcore Trauma“ von Margeaux Feldman ist so | |
bunt, weich und irgendwie nett, er erinnert an Plüsch. Memes von Figuren | |
aus der Muppet Show wechseln sich mit Furbies und Katzen ab, vielen Katzen. | |
Scrollt man durch die Seite, sieht sie auf den ersten Blick aus wie | |
unzählige andere Meme-Accounts. Doch Accounts wie jene von Feldman handeln | |
vor allem von Trauma und Traumabewältigung – und zeigen, dass die | |
Mental-Health-Bubble im Netz auch anders funktionieren kann. | |
Die Texte und Bilder von „[1][Softcore Trauma]“ liegen zwischen digitalem | |
Kalenderspruch und kulturkritischem Blog. Da ist Kermit aus der Muppet Show | |
im Cowboy-Kostüm, wie er darüber spricht, sich selbst zu vertrauen. In | |
einem anderen Post schreibt Feldman über „Boundaries“, persönliche Grenze… | |
die immer mehr zur Entschuldigung für verantwortlungsloses Verhalten | |
verkommen seien. | |
Die Content-Creator*in Feldman ist Künstler*in und Aktivist*in aus Los | |
Angeles. Als Kind hat Feldman, non-binär, eigenen Angaben zufolge viel | |
Traumatisierendes erleben müssen. Den Tod der Mutter, [2][sexualisierte | |
Gewalt], Armut. Trauma umschreibt Feldman dabei als einen weiten, diffusen | |
Begriff: „Wir tragen alle viele ungeheilte Wunden.“ | |
Memes und Texte sind für viele Content-Creator*innen ein Weg, das Erlebte | |
zu verarbeiten und diese Inhalte mit anderen zu teilen und weiterzugeben. | |
Die Wiedergabe des eigenen Erlebten, ob der Umgang mit dem „Inneren Kind“ | |
oder Abgrenzungsproblemen, trifft im Netz auf große Resonanz. 376.000 | |
Menschen folgen so beispielsweise dem Account von Feldman, die Interaktion | |
ist hoch, gleichzeitig gibt es auch Content über die Onlineplattformen | |
Substack und Discord-Communities – zum Teil auch mit Bezahlinhalten. | |
## Inflationärer Gebrauch von „Trauma“ | |
Es existieren Hunderte solcher Accounts zum Thema Trauma: bunte Farben, | |
süße Tierchen und Affirmation. Die ganze Bandbreite des zeitgenössischen | |
[3][Mental-Health- und Awareness-Vokabulars] findet sich in dem Genre | |
wieder. Der [4][inflationäre Gebrauch von Begriffen wie Trauma], der | |
individualisierte Hang zur Selfcare, die Flucht ins Private. Hinzu kommt | |
die Kommerzialisierung und Monetarisierung von Online-Content, durch | |
Newsletter und Merchandise – diese zuckersüßen Gemeinschaften sind nicht | |
unproblematisch. | |
Gleichzeitig erfüllen die lange belächelten Selfcare-Seiten mit gewissem | |
Cringe-Potenzial womöglich gleich mehrere wichtige und übersehene | |
Funktionen im [5][Social-Media-Ökosystem]. Zum einen ordnen sie jenen | |
Content ein, den der Algorithmus zu psychischer Gesundheit, Neurodiversität | |
und dem allgemeinen Wohlbefinden in viele Timelines spült. Das sind oft | |
Symptombeschreibungen zur Selbstdiagnose von ADHS oder Autismus oder | |
traumatische Videos von Unbekannten, die beunruhigt und verstört | |
zurücklassen – TraumaDumping genannt. | |
## Zeitgenössische Selbsthilfegruppen | |
Die Hashtags #ADHD (englisch für ADHS) und #Autism wurden auf Tiktok und | |
Instagram millionenfach aufgerufen. Im „Plüsch-Genre“ sind mittlerweile | |
Gemeinschaften gewachsen, die einen produktiveren Ansatz bieten, die | |
Mental-Health-Inhalte einzufangen und zu entschärfen. Anstatt zu | |
pathologisieren, fokussieren sie sich auf einen inneren Umgang mit Themen | |
wie Trauer, Angst, Bindungsstörungen und Wut. Sie sind kein Ersatz für | |
professionelle psychotherapeutische Hilfe, vielmehr sind sie eine Art | |
Supportgroup. Eine zeitgenössische Selbsthilfegruppe mit entsprechender | |
Ästhetik und Sprache, in der es um Zuspruch, Selbstbestärkung und Trost | |
geht. | |
Zugleich rast das Weltgeschehen über die Bildschirme, Gewalt, Krieg, Hass. | |
Insbesondere bei jüngeren Generationen zeigt sich seit Jahren [6][eine | |
Verschlechterung des psychischen Gesundheitszustands]. Beim Scrollen durch | |
die Timelines wird die persönliche Psychohygiene in und abseits von den | |
sozialen Netzwerken wohl leider noch wichtiger werden. | |
27 Mar 2025 | |
## LINKS | |
[1] https://www.instagram.com/softcore_trauma/?hl=de | |
[2] /Sexualisierte-Gewalt/!t5009660 | |
[3] /Selbstdiagnosen-in-sozialen-Medien/!6064862 | |
[4] /Therapeut-ueber-das-Reden-ueber-Psyche/!6074355 | |
[5] /Psychologie-Podcasts/!5979807 | |
[6] /Studie-zur-psychischen-Gesundheit/!6055273 | |
## AUTOREN | |
Amelie Sittenauer | |
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