Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kita-Krise in Berlin: Beschäftigte beklagen Systemversagen
> Ein „Krisenbuch“ von Verdi und Rosa-Luxemburg-Stiftung zeigt, dass die
> Bedingungen an Kitas zu Überlastung und sogar Kindeswohlgefährdung
> führen.
Bild: 87 Prozent der von Verdi befragten Kita-Beschäftigten fühlen sich nach …
Berlin taz | Ein Großteil der Kita-Beschäftigten leidet unter den dortigen
Arbeitsbedingungen – und zwar stark. Das zeigen zwei Studien der
Gewerkschaft Verdi, die am Donnerstag als [1][„Kita-Krisenbuch“]
veröffentlicht wurden. Darin enthalten sind auch 28 anonyme Berichte von
Kita-Beschäftigten.
Über 80 Prozent der Befragten gaben demnach an, krank zur Arbeit zu gehen,
unter Zeitdruck zu stehen, sich nach der Arbeit leer und ausgebrannt zu
fühlen und nicht ohne gesundheitliche Schäden bis zum Rentenalter arbeiten
zu können.
„Der Krankenstand zeigt, dass der Beruf vor dem kollektiven Kollaps steht“,
sagt Verdi-Gewerkschaftssekretärin Tina Böhmer. Darunter leide die
pädagogische Qualität, Bildung sei in den Kitas nicht mehr möglich. Fast
alle Befragten (95 Prozent) gaben an, ihren eigenen Ansprüchen auf der
Arbeit nicht mehr gerecht werden zu können.
## Gefährliche Situationen für Kinder
Verletzendes Verhalten durch Fachkräfte, aber auch unter den Kindern nehme
zu, immer öfter entstehen gefährliche Situationen für die Kinder, sagt
Böhmer. Die Gewerkschafterin spricht von institutionalisierter
Kindeswohlgefährdung. Tatsächlich sehen die vorgestellten Studien einen
Zusammenhang zwischen dem Fachkräftemangel, der hohen Arbeitsbelastung und
verletzendem Verhalten wie Diskriminierung, physischer und psychischer
Gewalt.
Im „Kita-Krisenbuch“ findet sich die Schilderung einer Erzieherin, die
[2][mit nur einer weiteren Kollegin] für 45 Kinder in vier Räumen zuständig
war. Plötzlich, so die Erzieherin, stand ein Kind auf dem Fensterbrett an
einem geöffneten Fenster. Andere Berichte beschreiben in der Kita nicht
bemerkte Fieberkrämpfe, Bisswunden oder Bruchverletzungen bei den Kindern.
Die Leiterin einer Kita beschreibt, wie sie zunächst zögerte, eine
Mitarbeiterin auf unpädagogische Maßnahmen anzusprechen, weil sie keinen
weiteren Personalausfall riskieren wollte. Deutschlandweit fehlen etwa
125.000 Kita-Beschäftigte. Die Lage verschärft sich zusätzlich, da der
Fachkräftemangel zu immer schlechteren Arbeitsbedingungen und entsprechend
höheren Kündigungszahlen führt.
## Fachkräftemangel hat mehrere Faktoren
Wer nicht kündigt, will wenigstens kürzertreten. 78 Prozent der
Teilnehmer*innen der nicht-repräsentativen Befragungen wollen ihre
Arbeitszeit verkürzen, auch hier wurde die hohe Belastung als häufigster
Grund genannt.
Hinzu kommt, dass es insgesamt zu wenig Nachwuchs gibt. Statistiken zufolge
leidet das Berufsfeld unter hohen Abbruchquoten bei Auszubildenden und
Berufseinsteiger*innen. Tina Böhmer befürchtet dann auch eine weitere
Dequalifizierung, wenn fehlende Fachkräfte durch Hilfskräfte ohne
Ausbildung ersetzt werden.
Schon im vergangenen Jahr waren Verdi und die Gewerkschaft Erziehung und
Wissenschaft (GEW) gegen die Arbeitsbedingungen auf die Barrikaden
gegangen. Für eine bessere Personalausstattung, mehr Zeit für die
Ausbildung, eine Entlastung der Erzieher*innen: Nach dem Ende des
Sommers stand eigentlich ein [3][unbefristeter Streik] bei den
landeseigenen Kitas an – bis der Arbeitskampf juristisch untersagt wurde.
„Es bräuchte eigentlich ein Sondervermögen für Kitas“, fordert Jan Korte,
Ex-Bundestagsabgeordneter der Linken und stellvertretender
Vorstandsvorsitzender der Rosa-Luxemburg-Stiftung, dem Kooperationspartner
beim „Kita-Krisenbuch“. Letztlich, so Korte, müsse es darum gehen, den
Kita-Beschäftigten eine Lobby zu verschaffen.
6 Mar 2025
## LINKS
[1] https://www.rosalux.de/publikation/id/53148/kita-krisenbuch
[2] /Runder-Tisch-zur-Kita-Krise-in-Berlin/!6066924
[3] /Kita-Streik/!t5008595
## AUTOREN
Marie Gönnenwein
## TAGS
Kitas
Kita-Qualitätsgesetz
Verdi
Rosa-Luxemburg-Stiftung
Schwerpunkt Stadtland
Kita-Finanzierung
Verdi
Verdi
Ausbildung
Kitas
Schwerpunkt Stadtland
## ARTIKEL ZUM THEMA
Tarifstreit im öffentlichen Dienst: Zusammen im Kampf
In der Hauptstadt wird wie in ganz Deutschland gerade gestreikt. „Berlin
steht zusammen“, verspricht ein über die Gewerkschaft hinausreichendes
Bündnis.
Kitas am Limit: Die frühkindliche Bildung leidet
„Corona hat uns aus der Bahn geworfen“, sagt Kita-Leiterin Saadet Yaman.
Eine Reportage aus einer Kita in Köln.
Der Tarifkonflikt im öffentlichen Dienst: Am Boden bleiben
Die deutschen Flughäfen werden am Montag bestreikt. Kein Wunder – Bund und
Kommunen haben in den ersten Verhandlungsrunden keine Angebote gemacht.
Tarifstreit im öffentlichen Dienst: Massive Einschränkungen des Flugverkehrs …
Verdi will am Montag elf deutsche Flughäfen bestreiken. Diese rechnen mit
massiven Auswirkungen auf den Flugbetrieb. Der BER könnte komplett
stillstehen.
Ausbildungsreport Berlin-Brandenburg: Lehrjahre sind Mangeljahre
Die Zufriedenheit von Auszubildenden in Berlin und Brandenburg ist auf
einem Rekordtief. Es fehlt an Betreuung, Gehalt und Mitbestimmung.
Runder Tisch zur Kita-Krise in Berlin: Das Märchen vom Betreuungsschlüssel
Laut Verdi kümmern sich Erzieher*innen in landeseigenen Kitas um
doppelt so viele Kinder wie vom Senat behauptet. Das kann die Kinder
gefährden.
Berliner Kitas dürfen nicht streiken: Die Kitastrophe
Die Arbeitsbedingungen in landeseigenen Berliner Kindertagesstätten sind
katastrophal. Erzieher*innen sorgen sich um das Wohl der Kinder.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.