# taz.de -- Wahlerfolg der Linken: Keine Zeit, jetzt lang zu feiern | |
> Die Linke profitierte von glücklichen Umständen, hat im Wahlkampf aber | |
> auch vieles richtig gemacht. Was kommt jetzt auf sie zu? | |
Bild: Gregor Gysi und Ines Schwerdtner bei der Wahlparty der Linken | |
[1][Die Linkspartei ist zurück]. Noch vor wenigen Wochen lag die Partei in | |
Umfragen unter 5 Prozent, dann gelang ihr die Überraschung. Berücksichtigt | |
man die Wahlbeteiligung, hat die Partei ihren Stimmenanteil fast | |
verdoppelt. [2][Dazu kommen ein halbes Dutzend Direktmandate], mit | |
Berlin-Neukölln das erste im Westen. | |
Die Linke hat von günstigen Umständen profitiert, aber auch vieles richtig | |
gemacht. Wie ist ihr der Erfolg gelungen, und was kommt auf die Partei zu? | |
Laut Analysen zur Wählerwanderung gaben viele ehemalige SPD- und | |
Grünen-Wähler der Linken ihre Stimme. Doch den Frust über die Ampel gab es | |
schon, als die Linke noch unter 5 Prozent krebste. Dann kam der Tabubruch | |
der Union. Viele wollten eine Partei wählen, bei der sicher ist, dass sie | |
Friedrich Merz nicht zum Kanzler wählt. Und Grüne und SPD waren in der | |
Asylpolitik oft kaum unterscheidbar von der Union. | |
Doch die Linke hat nicht nur von externen Faktoren profitiert. Sie hatte | |
einen Plan. Ihr [3][Coup war die „Mission Silberlocke“]. Sie behauptete | |
frech, dass sie auch über drei Direktmandate sicher in den Bundestag | |
einziehen würde. Das war lange unrealistisch, aber es führte dazu, dass die | |
Angst schwand, eine Zweitstimme für die Linke sei verloren. Zudem hat die | |
Partei sich nach der Abspaltung von [4][Sahra Wagenknecht und ihren | |
„linkskonservativen“ Freunden] verändert: Sie setzt sich vor Ort für | |
soziale Belange wie günstigere Mieten ein. Und es traten viele Menschen | |
ein, weil sie im Haustürwahlkampf selbst etwas gegen den Rechtsruck tun | |
konnten. | |
Viel Zeit, ihren Erfolg zu feiern, wird die Linke aber nicht haben. Auch | |
wenn sie an keiner Koalition beteiligt sein wird, steht sie vor großen | |
Aufgaben. Die Partei muss klären, wie sie den Schwung des Wahlerfolgs in | |
den Alltag überträgt. Fraktionen sind mächtig, hier gibt es Geld für | |
Mitarbeiter und mediale Aufmerksamkeit. Die alte Linkspartei ist auch daran | |
gescheitert, dass sich in der Fraktion ein zweites Machtzentrum bildete, | |
auf das die Parteispitze kaum Einfluss hatte. Es war unklar, wer für die | |
Partei spricht. | |
Im Wahlkampf war die Aufteilung klar: Jan van Aken war für die Talkshows, | |
Ines Schwerdtner für die Basis, Heidi Reichinnek für Social Media | |
zuständig. Im Moment des Erfolgs wirkt die Partei geeint. Aber bleibt das | |
so? | |
Noch wichtiger wird sein, ob die Linke es schafft, die Tausenden neuen | |
Mitglieder zu integrieren. Wie sieht eine zeitgemäße linke Partei aus, | |
welche Formen der Mitbestimmung und der Verankerung in den Stadtteilen gibt | |
es, wenn kein Wahlkampf ist? Das muss die Linke erarbeiten. | |
Eine weitere Herausforderung liegt in der Außenpolitik. Das sieht man, wenn | |
man ins Wahlprogramm der Linken schaut. Da wird von Kuba geschwärmt, um | |
orthodoxe Genossen glücklich zu machen. Für den Existenzkampf der Ukraine | |
hat die Partei dagegen drei Jahre nach Beginn des russischen Großangriffs | |
wenig zu bieten. | |
Die Parteispitze [5][und insbesondere Jan van Aken] haben es zwar | |
geschafft, den Konflikt intern zu befrieden, und verweisen auf tatsächlich | |
unzureichende westliche Sanktionen. Aber nach der Wahl kann sich die Linke | |
nicht mehr um die Frage herummogeln. Warum sollten sich Demokratien nicht | |
gegenseitig mit Waffenlieferungen gegen Diktaturen unterstützen dürfen? Das | |
kann die Linke nicht beantworten. Ihr kommt zugute, dass Waffenlieferungen | |
kurzfristig nicht mehr zentral sein werden, jetzt, wo ein Diktatfrieden | |
droht. Aber die Frage wird wieder auf sie zukommen. Auch der Bündnisfall | |
der Nato ist in den letzten Wochen nicht unwahrscheinlicher geworden. Und | |
dass „Ami – go home“ Wirklichkeit werden könnte, dürfte niemanden mehr | |
freuen. Darauf braucht es linke Antworten. | |
Andere Länder haben vorgemacht, dass es für linke Parteien möglich ist, | |
ihre Außenpolitik zu ändern. Die finnische Linke ist heute für | |
Waffenlieferungen an die Ukraine und für eine Verteidigungspolitik im | |
Rahmen der Nato. Es gibt Hoffnung, dass auch die deutsche Linke ihren Kurs | |
ändert. Gut möglich, dass die vielen jungen Genossen in dieser Frage | |
pragmatischer sind als die Parteigründer. Zudem sitzt Bodo Ramelow wieder | |
im Bundestag, der für Waffenlieferungen ist. Und Jan van Aken ist nach | |
seiner Wahl zum Parteivorsitzenden umgehend in die Ukraine gefahren und | |
schließt eine UN-Friedenstruppe in der Ukraine nicht aus. | |
Zum Schluss eine weitere Herausforderung: Die Linke wird als starke | |
Opposition gebraucht. Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass etwas | |
fehlt, wenn die Regierung fast nur noch von rechts kritisiert wird. Deshalb | |
dürfen sich auch Menschen über den Wahlerfolg der Linken freuen, die der | |
Partei nicht nahestehen. Doch wenn es zu einer Koalition von SPD und CDU | |
kommen sollte, bekäme die Linke in dieser Rolle Konkurrenz von den Grünen. | |
„Alle wollen regieren, wir wollen verändern“, mit diesem Slogan bestritt | |
die Partei den Wahlkampf. Als Underdog ging das noch als standhaft durch. | |
Aber stünde sie für Rot-Rot-Grün bereit, wenn es dafür in Zukunft | |
Mehrheiten geben sollte? Oder würde das immer noch an Prinzipien in der | |
Außenpolitik scheitern? Die Zeiten, in denen die Linke nicht weiß, was sie | |
will, wie bei der Evakuierung von Kabul, sind hoffentlich vorbei. | |
Schon bald könnte die Partei beweisen müssen, was sie unter Veränderung | |
versteht. Ohne die Linke gibt es keine demokratische Zwei-Drittel-Mehrheit | |
und keine Reform der Schuldenbremse. Jan van Aken hat angekündigt, dafür | |
grundsätzlich bereitzustehen. Mehr Geld für die Bundeswehr schloss er aber | |
aus. | |
Gerade junge Wähler mit einer geringen Parteibindung haben die Linke | |
gewählt: Bei den Erstwählern ist sie stärkste Kraft, bei jungen Frauen | |
wählte sie jede Dritte. Viel Vertrauen, das nicht enttäuscht werden will. | |
[6][Und viel Verantwortung für eine Partei, die eben noch als tot galt]. | |
Transparenzhinweis: Der Artikel wurde für die Printausgabe am 26.02. | |
aktualisiert. | |
24 Feb 2025 | |
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## AUTOREN | |
Kersten Augustin | |
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