# taz.de -- Tempelhofer Feld in Berlin: Einmischung von ganz oben | |
> Auch Friedrich Merz und Olaf Scholz wollen auf dem Tempelhofer Feld | |
> bauen. Ist da eine Vorentscheidung gefallen? Auch eine Trotzreaktion ist | |
> denkbar. | |
Bild: Protest gegen die Bebauung des Tempelhofer Felds im Oktober 2023 | |
New York erlebt dieser Tage, was eine Grätsche aus Washington ist. Per | |
Handstreich hat Donald Trump die eben erst eingeführte City-Maut für die | |
Metropole kassiert. Das Weiße Haus veröffentlichte kurz darauf auf „X“ ein | |
Posting, das einen grinsenden Trump mit Krone auf dem Haupt zeigt. Darunter | |
prangt der Schriftzug [1][„Long live the King“]. Nach der Abschaffung der | |
Maut, heißt es zur Erklärung, sei Manhattan und ganz New York dank des | |
Königs gerettet. | |
Soweit sind wir in Deutschland natürlich noch nicht. Bemerkenswert war es | |
dennoch, was der wohl künftige und der scheidende Bundeskanzler in einem | |
Wahlkampfduell von sich gegeben haben. „Wenn die Bürgerinnen und Bürger | |
sich weigern, dann muss die Politik bereit sein, auch gegen den erklärten | |
Willen der Nachbarschaft zu sagen, wir weisen das als Bauland aus und | |
werden dort bauen.“ So Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz beim Quadrell | |
am Sonntagabend zu einer möglichen Randbebauung auf dem Tempelhofer Feld. | |
Olaf Scholz (SPD) sekundierte: „Wir sind einer Meinung.“ Die Botschaft war | |
unmissverständlich. Wenn es das Land Berlin nicht schafft, das Tempelhofer | |
Feld zu bebauen, dann braucht es eben sanfte Unterstützung durch den Bund. | |
Volkes Meinung zählt dabei eher nicht. Beim Volksentscheid 2014 hat sich | |
eine Mehrheit der Berlinerinnen und Berliner gegen eine Bebauung | |
ausgesprochen. | |
Und der schwarz-rote Senat? Verwahrte sich eher pflichtschuldig, weil | |
halbherzig gegen die Einmischung aus dem Bund. „Ich bin davon überzeugt, | |
dass es für eine klare Konzeption auch eine breite Mehrheit in Berlin geben | |
wird“, sagte Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU). Er verwies | |
auf die geplante Bürgerbefragung, die etwa zeitgleich mit den Wahlen zum | |
Abgeordnetenhaus im Herbst 2026 stattfinden könnte. Ähnlich äußerte sich | |
Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD). | |
Dass auch die Berliner CDU und die Mehrheit der SPD das Feld an seinen | |
Rändern bebauen wollen, ist kein Geheimnis. Im Gespräch sind 15.000 bis | |
20.000 Wohnungen. Die rechtliche Situation ist allerdings unklar. Zwar | |
könnte das Abgeordnetenhaus den Volksentscheid jederzeit kippen, aber das | |
wäre auch ein politisches Wagnis. Gleichzeitig ist eine von oben | |
angeordnete Volksbefragung rechtlich nicht verankert und damit auch nicht | |
bindend. | |
## Der Schein von Demokratie | |
Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hat deshalb vorab schon einmal | |
ein [2][Dialogverfahren] initiiert. Per Zufall wurden insgesamt 275 | |
Menschen ausgelost, die im September vergangenen Jahres in zwei Werkstätten | |
über die Zukunft des Tempelhofer Feldes debattierten. [3][In beiden | |
Dialogwerkstätten hatte sich schließlich eine Mehrheit gegen eine Bebauung | |
ausgesprochen]. | |
Allerdings beruft sich Schwarz-Rot auf Umfragen, denen zufolge inzwischen | |
eine Mehrheit der Berlinerinnen und Berliner eine solche Randbebauung | |
befürwortet. Trotz der Ablehnung in den Dialogwerkstätten startete im | |
November deshalb ein internationaler Ideenwettbewerb, im Sommer sollen | |
erste Ergebnisse vorliegen. Es scheint, als wolle man solange weiter | |
erörtern und befragen und Ideen sammeln, bis die Gegner der Bebauung | |
aufgeben. Eine Zermürbungstaktik, die nur noch zum Schein mit Demokratie zu | |
tun hat. | |
In Wirklichkeit dürfte sich Berlins Regierender Kai Wegner also, trotz des | |
freundschaftlichen Hinweises auf das Verfahren, über die Einmischung von | |
Merz und Schoz gefreut haben. So ein Machtwort von oben kann ja ganz | |
hilfreich sein. | |
Oder doch nicht? Nach wie vor sind Grüne und Linke sowie der BUND gegen das | |
Neubauvorhaben auf dem Feld. Sollte eine Bürgerbefragung tatsächlich | |
zusammen mit der Abgeordnetenhauswahl stattfinden, hätte Berlin ein | |
ausgesprochen emotionales Wahlkampfthema. Und wer weiß: Vielleicht | |
reagieren die Berlinerinnen und Berliner ja allergisch auf die Einmischung | |
aus dem Bund. | |
Auch in New York freuen sich nur wenige über den König. | |
21 Feb 2025 | |
## LINKS | |
[1] https://www.spiegel.de/ausland/donald-trump-streicht-new-yorks-city-maut-un… | |
[2] https://thf-dialog.berlin.de/start-ideenwettbewerb | |
[3] /Dialogwerkstatt-zum-Tempelhofer-Feld/!6035425 | |
## AUTOREN | |
Uwe Rada | |
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