# taz.de -- Die Wahrheit: Danke, Freistaat! | |
> Lebenslänglich Bayer: In tiefer Dankbarkeit für den Länderfinanzausgleich | |
> und den immensen bayerischen Beitrag für all die Berliner Existenzen. | |
Vielleicht einfach einen Strauß Blumen vor das schmucke Gebäude der | |
Vertretung des Freistaats Bayern in Berlin legen? Einen Brief an den | |
Ministerpräsidenten schreiben? Bäuchlings um eine bayerische | |
Wallfahrtskirche robben? Irgendetwas muss ich doch tun, um Bayern meine | |
Dankbarkeit zu zeigen. Mir geht es gut hier im Berliner Exil, und ich weiß, | |
wem ich das zu verdanken habe, dem Länderfinanzausgleich. Knapp vier | |
Milliarden Euro sind im vergangenen Jahr nach Berlin geflossen. Mehr als | |
die Hälfte davon kommt aus Bayern. | |
Meine Gedanken sind in diesem Moment bei all denen aus dem Geberland, in | |
deren Taschen gegriffen wurde, damit ich mir in Berlin ein schönes Leben | |
machen kann. Sie haben nun weniger, damit es mir gut geht. Ich male mir | |
aus, welche Schicksale hinter dem Länderfinanzausgleich liegen, welche | |
bitteren Lebensgeschichten mit diesem Umverteilungsinstrument verbunden | |
sind. | |
Ist da vielleicht jemand in München, der es sich nicht mehr leisten kann, | |
jede Woche 37,50 Euro für sechs Austern und ein Glas Champagner bei der | |
„Oyster Night“ im Dallmayr, dem Delikatessenfachhändler seines Vertrauens, | |
zu schlürfen? Der nur noch drei Mal im Monat seine geliebten Fin de Claire | |
zu sich nimmt, weil ihm der Staat so viel Geld abknöpft, um es mir | |
zugutekommen zu lassen? | |
Und vielleicht ist da drunten im Freistaat auch jemand, der bei der | |
Bestellung seines nagelneuen BMW die Sitzbezüge aus gegerbtem Naturleder | |
für 3.500 Euro aus seiner Wunschliste streichen muss, nur damit ich mir in | |
der Bundeshauptstadt einen lauen Lenz machen kann. Noch schlimmere | |
Schicksale mag ich mir gar nicht vorstellen. | |
Nicht auszudenken wäre es jedenfalls, wenn ein kreuzbraver bayerischer | |
Sammler formschöner Uhren diesmal auf den Besuch beim Juwelier Bucherer in | |
der Residenzstraße verzichten müsste, wo er sich schon seit mehr als 25 | |
Jahren jedes Jahr eine neue Rolex holt. Und das alles nur für solche | |
Existenzen wie mich, die in Berlin nicht überleben könnten, wenn nicht das | |
Geld aus Bayern in Strömen fließen würde. | |
Ich frage mich, wie ich jemandem aus Bayern gegenübertreten soll, der | |
vielleicht gerade vor der wichtigen Entscheidung steht, ob er auch seiner | |
dritten Tochter ein eigenes Reitpferd zum sechsten Geburtstag schenken | |
soll. Der sich vielleicht dagegen entscheidet, damit ich heute nach der | |
Arbeit nicht zu Fuß nach Hause gehen muss, sondern mich gemütlich in der | |
S-Bahn nach Hause chauffieren lassen kann. | |
Es überkommt mich Scham, weil ich mir sicher bin, dass es viele Menschen | |
hier in Berlin gibt, die sich nicht klar machen, wem sie es zu verdanken | |
haben, dass sie überhaupt überleben können. Ich martere mich und packe zehn | |
Euro in ein Kuvert. Heute Abend werfe ich es in den Briefkasten der | |
Bayerischen Vertretung. Es ist nicht viel, das weiß ich, aber es ist ein | |
Anfang. | |
21 Feb 2025 | |
## AUTOREN | |
Andreas Rüttenauer | |
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