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# taz.de -- Die Wahrheit: Große Erleichterung
> Lebenslänglich Bayer: Wenn sich eine verstaubte, aber gerade noch
> lebendige Heimatpostille der kleinen Geschäfte im Umfeld des Herrn
> Christus annimmt.
Dass es das noch gibt! Wenn man im vorgerückten Alter etwas wiederentdeckt,
von dem man geglaubt hatte, es wäre längst verschwunden, dann weiß man
endgültig, dass man zum alten Eisen gehört. Ich hätte es jedenfalls nicht
für möglich gehalten, dass die Altbayerische Heimatpost tatsächlich
überlebt hat. „Was Bayern ausmacht und wie Bayern lebt“, kann man darin
nachlesen, so heißt es in der Selbstbeschreibung dieser Wochenschrift. Es
geht also um Dinge, die mich durchaus interessieren, dachte ich mir, als
mir das Blatt im Bahnhofskiosk der Marktgemeinde Holzkirchen neulich ins
Auge gestochen ist.
In der vorweihnachtlichen Ausgabe, die ich mir gegriffen habe, ging es um
die Krippenausstellung im Bayerischen Nationalmuseum zu München, die mit
ihren 60 Exponaten zu den größten Sammlungen ihrer Art gehört. Als
besonderes Schmankerl wird da die Papierkrippe eines Wenzel Fieger aus dem
mäh-rischen Trebitsch gewürdigt.
Das liegt zwar in der Tschechischen Republik und hat auch in der besten
alten Zeit nie zu Bayern gehört, aber es wird schon seinen Grund haben,
warum sich das Heft genau dieser Krippe besonders intensiv widmet. Sie hat
es ja auch wirklich in sich. Da ist etwa ein Hirte zu sehen, der dem
Jesuskind einen roten Socken strickt und an einer anderen Stelle steht eine
„sich erleichternde Kuh“, wie die Heimatpost etwas arg verschämt anmerkt.
„Sich-zu-erleichtern (!) ist ja ein ganz natürlicher Vorgang“, wird dazu
Thomas Schindler, Referent für Volkskunde des Nationalmuseums, zitiert.
So locker sieht man das also heutzutage, dachte ich mir und stellte
beruhigt fest, dass die Zeit auch in Bayern durchaus vorangeschritten ist
seit meiner Grundschulzeit. Damals hatte mir unsere Religionslehrerin
Schwester Leonilla eine mordsdrum Watschn verpasst, weil ich eine
blasphemische Zeichnung angefertigt hatte. Ob es der Duscher Karl, der
Leinhos Fabi oder ein ganz anderer war, weiß ich nicht mehr, aber einer
hatte mich dazu überredet, zu zeichnen, wie sich der Sohn Gottes beim
Einzug nach Jerusalem neben seinem Esel stehend an einer Palme erleichtert.
Seitdem wusste ich, dass ein Fall von Blasphemie vorliegt, wenn einer Jesus
beim Bieseln zeichnet. Und weil ich nun ja wusste, dass Blasphemie etwas
ganz Schlimmes war, habe ich zu Hause nichts von dem Bild erzählt und von
der Watschn auch nicht.
Nie hätte ich mir vorstellen können, dass ein bayerischer
Museumsmitarbeiter das Sich-erleichtern im Angesicht des Heilands einmal
tatsächlich als „natürlichen Vorgang“ bezeichnen könnte. Solche Dinge
stehen heute also in der Altbayerischen Heimatpost, dachte ich mir und
schob das Blatt wieder in den Ständer am Bahnhofskiosk. Auch wenn mir seine
unerwartete Fortschrittlichkeit durchaus Respekt abgenötigt hat, Geld
wollte ich dann doch nicht dafür ausgeben.
20 Dec 2024
## AUTOREN
Andreas Rüttenauer
## TAGS
Kolumne Die Wahrheit
Bayern
Krippenspiel
Urin
Die Wahrheit
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