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# taz.de -- Die Wahrheit: Das trifft uns im Kern
> Unser Heimatplanet hat dolle was am Herzen. Kann man das reparieren?
Bild: Vom All aus sind nur die ganz tiefen Erdaltersfalten zu sehen
Als wäre die gute alte Erde derzeit nicht schon genug geplagt, hat eine
Studie der University of Southern California in Los Angeles jüngst weitere
beunruhigende Neuigkeiten zu Tage gefördert: Etwas stimmt mit dem Erdkern
nicht! Bei Auswertungen von sogenannten Zwillingsbeben wurden
Irregularitäten entdeckt, die auf eine Veränderung des Innenkerns
hindeuten.
„Was behutsames Abtasten bereits vermuten ließ, hat sich jetzt bestätigt:
Der Erdkern verformt sich“, sagt die Geomedizinerin Amanda Ryan und schiebt
nach: „Wobei man ja streng genommen von einem Erdstein sprechen muss. Die
Erde ist morphologisch eher ein Pfirsich als ein Apfel.“ So oder so sei ein
sich verändernder Kern nicht zwangsläufig ein Todesurteil. „Kernverformung
ist mehr ein kosmetisches denn ein pathologisches Problem. Die Erde ist 4,5
Milliarden Jahre alt, da ist eben nicht mehr alles so rund und glatt wie
bei einer 4,5 Millionen Jahre alten“, so Dr. Ryan.
Überhaupt komme es einem Wunder gleich, dass die Erde nach all der Zeit
noch einigermaßen „gut in Schuss“ sei: „Der Planet ist 365 Tage im Jahr
direkter Sonneneinstrahlung ausgesetzt, da wären eigentlich großflächige
Oberflächenveränderungen zu erwarten. Und dafür, dass die Erde jeden Tag
eine vollständige Pirouette dreht, ist die Erdachse noch ungekrümmt und
belastbar wie kurz vorm Mesozoikum.“
## Mangelnde Anziehungskraft im Alter
Auch was die inneren Werte angeht, können die Forschenden Entwarnung geben:
Die Eisenwerte seien zwar leicht gesenkt, das sei aber angesichts des
psychischen Stresses der letzten Monate normal und lasse sich durch
regelmäßige Tablettengabe beheben. Der Nickelanteil sei stabil, der
Magnetismus somit gewährleistet. „Mangelnde Anziehungskraft macht im Alter
vielen Planeten zu schaffen, aber unsere Erde braucht sich diesbezüglich
nicht zu schämen“, beschwichtigt Rainer Potthoff, Facharzt für
Plastromedizin, einem praktischen Spezialbereich zwischen plastischer
Chirurgie und Astrophysik. „Sicher, der innere Kern ist am Rand aufgeweicht
und reicht an einigen Stellen in den flüssigen Außenkern hinein. Zunehmende
Viskosität ist aber kein Anlass zum Earth Shaming!“
Sollten die Alterserscheinungen unsere Erde irgendwann buchstäblich aus der
Umlaufbahn zu werfen drohen, sind immer noch ästhetische Eingriffe möglich.
Mit Fillern, Aufspritzungen und Stabilisierungen könne man heutzutage viel
korrigieren, weiß Raimund Potthoff, er warnt jedoch vor „Verpflanzungen von
billigem Ersatzkernmaterial aus der Türkei. Dort hat sich zuletzt ein
regelrechtes Kerngeschäft entwickelt, das allerdings nur auf schnellen
Profit aus ist. Da müssen Sie in spätestens 100 Millionen Jahren wieder
ran, und auf den Kosten bleiben Sie selbst sitzen, und mit ‚Sie‘ meine ich
unsere Urururur-und-so-weiter-Enkel.“
Als Kassenplanet darf die Erde nicht einmal mit Teilerstattungen rechnen,
zumal kein Bonusheft existiert, in dem routinemäßige Kontrollen vermerkt
werden – die Bewohner, i. e. Halter, der Erde haben leider viel zu spät
Schreiben und Stempeln gelernt. Besser ist da schon der Mars dran. Als
Privatversicherter hat unser Nachbarplanet Anspruch auf eine
vollumfängliche Wartung pro Millennium, vorausgesetzt, Elon Musk leistet
pünktlich die fälligen Beiträge.
## Globale Verschwörungstheorie
Andere Planeten müssen sich überhaupt nicht um entsprechende Vorsorge
kümmern: Der Gasriese Jupiter verzichtet, wie man munkelt, völlig auf einen
Kern, während Saturn sich mit einem Inneren zufrieden gibt, das mit „fuzzy“
beschrieben wird. Für den kleinen Erdenmann auf der Milchstraße spielen
solche technischen Details keine Rolle.
Manche halten die aktuellen Erkenntnisse gar für eine globale Verschwörung.
„Wenn Sie mich fragen, ist das alles Panikmache“, sagt Marco Löwitsch, den
wir leider tatsächlich gefragt haben. Löwitsch, 62, ist Vorsitzender der
Brandenburgischen Zweigstelle der „Flat Earth Society“, die nicht
akzeptieren mag, dass die Erde kugelförmig ist. „Noch nie hat jemand ein
Foto von diesem angeblichen Erdkern gesehen“, echauffiert sich Löwitsch.
„Seltsam, oder? Woher soll man denn wissen, dass etwas, das man gar nicht
sehen kann, seine Form verändert? Und kommen Sie mir jetzt nicht mit
Maschinen! So große Röntgengeräte gibt es doch gar nicht …“
Überraschenderweise weist der Flachweltler nicht jede Wissenschaftsmeldung
als Humbug zurück: „Es ist nachgewiesen, dass die Erde seit 15 Jahren immer
langsamer rotiert, und das passt wunderbar zur Scheibentheorie: Ich hatte
mal einen Plattenspieler, bei dem sich nach vielen Jahren der Nutzung der
Teller deutlich langsamer gedreht hat als im Neuzustand.“
Reklamieren können wir unseren Heimathimmelskörper nicht mehr, wir haben
ihn schließlich nur von unseren Kindern geliehen. Wichtig ist ohnehin vor
allem eine Frage: Wie reagiert die Börse?
6 Mar 2025
## AUTOREN
Torsten Gaitzsch
## TAGS
Raumfahrt
Erde
Astrophysik
Das Leben einer Frau
Bibel
Italien
Wein
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