Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Drittstaatler aus der Ukraine: Plötzlich von Abschiebung bedroht
> Wer aus der Ukraine geflohen ist, aber keinen ukrainischen Pass besitzt,
> verliert am Mittwoch seinen Schutzstatus. Studierende und Fachkräfte
> fürchten Abschiebung.
Bild: Das Brandenburger Tor leuchtet für die Ukraine – doch nicht für alle,…
Berlin taz | Sie sind vor den [1][Bomben auf die Ukraine] geflüchtet und
leben seit drei Jahren in Berlin – doch nun ist ihr Aufenthalt in der
Hauptstadt auf einmal unsicher. Über 1.800 Flüchtlinge aus der Ukraine, die
keine ukrainischen Staatsangehörigen sind, stehen ab Mittwoch ohne
Aufenthaltsrecht da.
Während für ukrainische Staatsbürger der Schutzstatus in der EU um ein
weiteres Jahr bis März 2026 verlängert wurde, erlischt der für
nicht-ukrainische Staatsbürger. In Kürze könnten bei ihnen also amtliche
Aufforderungen reinflattern, Deutschland zu verlassen – ob in Richtung
Ukraine oder in ihr ursprüngliches Heimatland, ist ihnen überlassen. Reisen
sie nicht aus, könnte im nächsten Schritt die Abschiebung drohen – in den
Staat, dessen Staatsangehörigkeit sie haben.
Die Menschen [2][stammen beispielsweise aus Nigeria, Kenia, Ghana, Somalia,
Vietnam, Thailand, Ägypten und Syrien]. Sie haben in der Ukraine studiert,
dort als Geschäftsleute oder anerkannte Flüchtlinge gelebt oder sie haben
mit Ukrainern eine Familie gegründet.
Die Entscheidung, die Aufenthaltserlaubnisse auslaufen zu lassen, kommt aus
dem Bundesinnenministerium. In Berlin gebe es dagegen grundsätzlich den
politischen Willen, auch ukrainischen Geflüchteten aus Drittstaaten Schutz
zu gewähren, sagt Emily Barnickel vom Berliner Flüchtlingsrat der taz.
„Politisch hat man sich auf den ‚Berliner Weg‘ geeinigt, das heißt, bei
diesen oft hoch qualifizierten Personen ein Fachkräftevisum großzügig zu
prüfen. Berlin hat ja ein öffentliches Interesse an der Zuwanderung von
Fachkräften“, so Barnickel.
## Der Weg zu einem sicheren Aufenthaltstitel ist schwer
Nicht betroffen vom Auslaufen des Aufenthaltsrechts ist, wer einen
ukrainischen Familienangehörigen hat. Das betrifft beispielsweise viele
vietnamesische Familien, deren Kinder in der Ukraine geboren wurden und oft
einen ukrainischen Pass besitzen, oder auch syrische Staatsbürger, die eine
ukrainische Person geheiratet haben. Auch für Menschen, die in der Ukraine
als anerkannte Flüchtlinge lebten, gilt das Aufenthaltsrecht weiter. Das
betrifft jedoch nur eine sehr kleine Zahl von Menschen.
Völlig chancenlos ist indes auch die Situation für die Ukraineflüchtlinge
aus Drittstaaten nicht. Es gibt die Möglichkeit, das bisherige
Aufenthaltsrecht als Flüchtling aus der Ukraine in ein anderes umzuwandeln,
beispielsweise in ein Arbeitsvisum oder ein Visum für eine Ausbildung oder
den Familiennachzug. Doch viele Betroffene wissen schlicht nicht, dass es
diese Option gibt.
Für ein neues Aufenthaltsrecht müssen die Ukraineflüchtlinge aus
Drittstaaten deutsche Sprachkenntnisse und einen Arbeitsplatz nachweisen
und dürfen keine Straftaten begangen haben. Vor allem aber: Es muss ihnen
erst einmal gelingen, in dem völlig überarbeiteten Landesamt für
Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) einen Termin für die Umwandlung der Visa
zu buchen. Hier, so Barnickel, hapere es allerdings an der Umsetzung.
## Viele Abschlüsse werden nicht anerkannt
Auch eine Rolle spiele, dass bei Geflüchteten aus der Ukraine aus den
Pässen nicht klar hervorgehe, dass sie in Deutschland arbeiten dürfen, so
Barnickel. Das mache es Arbeitgebern schwer, zu erkennen, dass sie diese
Personen hier einstellen dürfen – die einen Arbeitsvertrag aber brauchen
für das umgewandelte Aufenthaltsrecht.
Oleksandra Bienert von der Allianz Ukrainischer Organisationen (AUO)
ergänzt, dass viele Abschlüsse aus der Ukraine zudem in Deutschland nicht
anerkannt seien, sodass sich Hochschulabsolventen auf Hilfsjobs bewerben
müssten. Schüler:innen müssten teils mehrere Schuljahre wiederholen.
Ihre Erfahrung sei es zudem, dass gerade Menschen aus afrikanischen Staaten
dorthin nicht zurückkehren können. „Sie haben ihr gesamtes Kapital darein
investiert, in der Ukraine studieren zu können. In ihren Herkunftsländern
stehen sie darum vor dem Nichts.“ Bienert zufolge seien das viele Ärzte und
Ingenieure, die kurz vor ihrem akademischen Abschluss standen und die mit
vergleichsweise geringen Mitteln für den akademischen deutschen
Arbeitsmarkt zu Ende qualifiziert werden könnten.
## Unterstützung für vietnamesische Geflüchtete
Sehr engagiert kümmert sich die vietnamesische Community in Berlin um
mehrere Hundert vietnamesischstämmige Ukraineflüchtlinge. 2022 haben viele
Menschen sie in ihren Wohnungen aufgenommen. Inzwischen sind viele
Flüchtlinge in vietnamesischen Gemeinden integriert. Einige haben auch
Arbeit in vietnamesischen Restaurants gefunden oder werden von
vietnamesischen Firmen ausgebildet. Das erzählt Hung Manh Le der taz, der
einige von ihnen unterstützt.
Die vietnamesischen Ukraineflüchtlinge haben inzwischen einen eigenen
Verein gegründet. „Die Problemlagen sind unterschiedlich“, berichtet Le der
taz. „Wer in der Ukraine studiert oder als Arbeitnehmer gearbeitet hat,
sieht die Zukunft oft in Deutschland und bemüht sich in der Regel um
deutsche Sprachkenntnisse und Arbeit.“
Er wisse dagegen von einer kleinen Gruppe von vietnamesischstämmigen
Geschäftsleuten aus der Ukraine, die zwischen Berlin und Charkiw oder Kyjiw
hin- und herpendelten. Sie kümmerten sich dort um ihre Firmen und hätten
die Option, in die Ukraine zurückzukehren, sodass sie kein Deutsch lernen
würden. Le: „Nach Vietnam wollen sie natürlich nicht zurückkehren.“
Doch genau dorthin könnte ihnen die Abschiebung drohen, wenn sie keinen
ukrainischen Pass oder keine minderjährigen Kinder mit ukrainischer
Staatsangehörigkeit haben. Wie viele von ihnen die vietnamesische und wie
viele die ukrainische Staatsangehörigkeit haben, weiß Le nicht. Die
vietnamesische Community berät die Leute eher nicht in
aufenthaltsrechtlichen Fragen, weil auch ihnen das Wissen dazu fehlt.
Das versucht sich Vicky Germain vom Landesbeirat für Partizipation
anzueignen. Sie ist mit vielen afrikanischstämmigen Ukraineflüchtlingen im
Gespräch und versucht, zwischen ihnen und den Behörden zu vermitteln.
Als Vertreterin des Landesbeirates hatte sie letzte Woche ein Gespräch beim
LEA mit der Bitte um eine politische Lösung. „Aus diesem Gespräch bin ich
allerdings mit Tränen herausgegangen. Ich kann zwar nicht ausschließen,
dass es den guten Willen gibt, aber wir bekommen als Zivilgesellschaft
leider keinerlei Informationen.“ Germain fordert eine humanitäre Lösung für
diese Ukraineflüchtlinge. „Das muss angesichts des Fachkräftemangels
möglich sein.“
[Anm. d. Red.: In einer früheren Version des Textes hieß es, der
Schutzstatus für ukrainische Staatsbürger in der EU sei bis März 2025
verlängert worden. Er wurde stattdessen bis März 2026 verlängert. Wir haben
das korrigiert.]
3 Mar 2025
## LINKS
[1] /Drei-Jahre-Krieg-in-der-Ukraine/!6068448
[2] /Ukrainefluechtlinge-in-Not/!5995148
## AUTOREN
Marina Mai
## TAGS
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Schwerpunkt Flucht
Sicherer Drittstaat
Bleiberecht
Asylpolitik
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Zölle
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Schwerpunkt Flucht
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kaum Perspektive für Drittstaatler: Geflüchtete aus der Ukraine nun ohne Schu…
Sie lebten zu Kriegsbeginn in der Ukraine, sind jedoch keine ukrainischen
Staatsbürger:innen. Jetzt läuft bei vielen der Schutzstatus in Deutschland
aus.
Trump verhängt Zölle: Kanada und China reagieren mit Gegenzöllen
US-Präsident Trump verhängt oder erhöht Zölle auf Einfuhren aus Mexiko,
Kanada und China. Die Reaktionen lassen nicht auf sich warten.
Kriegsdienstverweigerer im Ukraine-Krieg: „Sie haben sich entschieden, am Kri…
Kriegsdienstverweigerer brauchen mehr Schutz, sagt Rudi Friedrich vom
Verein Connection. Es gibt sie auf beiden Seiten des Ukraine-Kriegs.
Drei Jahre Krieg in der Ukraine: Angst vor Waschmaschinenlärm
Die Sirenen in der ostukrainischen Stadt Charkiw holen die Einwohner fast
täglich aus dem Schlaf. Viele sind geflohen, Zigtausende werden vermisst.
Ukraineflüchtlinge in Not: Zwei Jahre im Ungewissen
Viele Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine mit anderer Staatsbürgerschaft
haben bis heute keinen sicheren Aufenthalt. Das macht ihnen zu schaffen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.