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# taz.de -- Mangelnde Transparenz: Meine Vermieterin, die Journalistin
> Ein dubioser Wohnungsunternehmer machte Geschäfte mit einer
> „Spiegel“-Chefredakteurin. Im Magazin erschienen gefällige Artikel über
> seine Person.
Bild: Die Journalistin und Vermieterin Melanie Amann zu Gast bei „Markus Lanz…
Berlin taz | Als Hunderttausende Ukrainer:innen vor dem russischen
Angriffskrieg fliehen, ist die Hilfsbereitschaft in Deutschland vielerorts
groß. Der Spiegel schreibt im März 2022 eine Reportage über „Unternehmer
und Privatpersonen“, die Geflüchtete mit dem Nötigsten versorgen. In der
Hauptrolle: Florian Wichelmann. Der Unternehmer brachte damals kostenlos
Menschen in freien Wohnungen seiner Kette „Nena Apartments“ unter.
„Als Familienvater finde ich die Vorstellung, von heute auf morgen mit
Kindern auf der Flucht zu sein, einfach schlimm“, sagt er dem Spiegel. Was
dort nicht steht: Die stellvertretende Chefredakteurin des Magazins ist
Wichelmanns Geschäftspartnerin. Gemeinsam mit ihrer Mutter kaufte sie 2019
eine Wohnung in Prenzlauer Berg, die Nena weit über dem damals gültigen
Mietspiegel weitervermietete.
Die Journalistin und der Unternehmer sind seit Jahrzehnten enge Freunde.
Noch entscheidender: Das im Artikel erzeugte Bild des
gemeinwohlorientierten Geschäftsmannes ist unvollständig und irreführend.
Was hat Amann mit Wichelmanns Nena Hospitality GmbH zu tun? Und wie kam es
zu der Berichterstattung im Spiegel?
Zu Hochzeiten, um das Jahr 2019, vermietete Nena nach eigenen Angaben 900
Wohnungen, 60 davon als Wohngemeinschaften. Das WG-Modell erinnert an eine
Dreiecksbeziehung: Melanie Amann als Eigentümerin vermietet ihre Wohnung an
die Zwischenhändlerin Nena. Nena stückelt die Wohnung in einzelne Zimmer
auf und vermietet sie diese gegen Aufpreis weiter, vor allem an junge
Menschen.
## Dubioses Geschäftsmodell
Geschäftsführer Wichelmann schreibt der taz, die WG-Vermietung sei „ein
gutes Angebot“ und die Preise „fair“. Doch das Amtsgericht Mitte entschied
2022, dass die Zimmermiete in Amanns Wohnung im Prenzlauerberg deutlich
überhöht war. Sie lag mehr als 40 Prozent über dem Mietspiegel.
Dabei handelt es sich nicht um einen Einzelfall. [1][Die taz hat über
Monate zu den Auseinandersetzungen zu den Beschwerden über um die Wohnungen
der Nena recherchiert und allein mit dreizehn aktuellen und ehemaligen
Mieter:innen gesprochen].
Heute fokussiert sich Nena auf sogenannte „serviced apartments“, [2][also
möblierte und moderne Kurzzeitunterkünfte für Geschäftsreisende oder
Tourist:innen.] Die weniger profitträchtigen Altbau-WGs wäre Nena dagegen
gerne los. Doch viele Mieter:innen – auch in Amanns Wohnung – wollen
nicht ausziehen, haben unbefristete Verträge. So etwa der Student Marc
Schild (Name geändert), der nicht mit seinem echten Namen im Text
auftauchen möchte.
„Ich ärgere mich darüber, dass mein Vermieter einseitig als Wohltäter
dargestellt wird“, sagt Schild der taz. Der Eigentümerin Amann sei er nur
einmal, bei der Wohnungsbesichtigung 2019, begegnet. Auch Wichelmann sei
dabei gewesen und habe sich gewundert, wie ordentlich es in der Männer-WG
sei. Amann habe erwidert, dass es beim „Florian“ früher ja auch immer total
ordentlich gewesen sei.
## Jahrelange Freundschaft
Tatsächlich fußt die Geschäftspartnerschaft auf einer jahrzehntelangen
Bekanntschaft. Im Spiegel-Archiv findet sich ein Artikel über die deutschen
Debattiermeisterschaften 2004, an der beide teilnahmen. Wichelmann wird
dort als „Rampensau“ mit „völlig überdrehtem Selbstbewusstsein“
beschrieben, Amann wird zitiert, sie sei „nie ein schüchternes Häschen“
gewesen. Im Juni 2022, gut drei Monate nachdem der Wohltäter-Artikel im
Spiegel erscheint, feiern Wichelmann und Amann auf der „Hauptstadtparty“
des Magazins. Hat die Journalistin Wichelmann gute Presse im Magazin
besorgt?
Amann möchte nicht über ihre Wohnung oder den Text im Spiegel sprechen. Sie
verweist auf die Pressestelle. Die gibt immerhin zu, dass Wichelmann durch
den Hinweis seiner Geschäftspartnerin in den Spiegel kam. Amann habe ihn
als „möglicherweise geeigneten Ansprechpartner“ vorgeschlagen und den
Kontakt hergestellt. Die Berichterstattung habe Amann aber weder initiiert
noch beeinflusst. Der Artikel sei nicht in Amanns damaligem Ressort, dem
Hauptstadtbüro, erschienen. Allerdings waren gleich zwei der drei damaligen
Autor:innen des Textes Praktikant:innen im Hauptstadtbüro, das Amann
leitete.
Der Spiegel betont in seiner Antwort, dass Amann mit ihrer Beziehung zu
Wichelmann intern transparent umgegangen sei. Sollte das stimmen, bleibt
die Frage: Kann man von Praktikant:innen erwarten, dass sie gegen einen
Freund und Geschäftspartner der Chefin kritisch recherchieren?
Sicher ist: Der Spiegel veröffentlicht keinen Transparenzhinweis über
Amanns Beziehungen zum Protagonisten. Transparency International schreibt
in einem Leitfaden für Journalist:innen: „Verflechtungen zwischen
beruflichen und privat-kommerziellen Interessen werden vermieden bzw.
deutlich und transparent öffentlich gemacht.“
## Keinerlei Transparenzhinweise
Auf die Frage, warum das Magazin ausschließlich positiv über Wichelmann
berichtet, obwohl namhafte Medien wie der WDR oder der Tagesspiegel schon
vorher über fragwürdige Geschäfte seines Unternehmens berichteten,
antwortet der Spiegel nicht. Die Berichterstattung erfülle alle
presserechtlichen und medienethischen Erfordernisse.
Der WDR fand 2018 Hinweise, dass Nena, damals noch unter dem Namen Orbis
Apartments, gut 30 Wohnungen über [3][Airbnb] vermietete. Dabei versteckte
sich das Unternehmen hinter dem Profil einer privaten Anbieterin mit dem
Namen Marie. Der Tagesspiegel schrieb zwei Jahre später über Wucherpreise
bei Vermietungen an ausländische Studierende. Ein indischer
Master-Absolvent erzählte, dass er mit drei Landsleuten auf 46
Quadratmetern lebte, das Ganze für 1400 Euro. Die Leser:innen des
Spiegel erfahren davon nichts.
Marc Schild, der Mieter in Amanns Wohnung, interessiert sich mehr für seine
WG als für Medienethik. Seit über einem halben Jahr steht auch hier ein
Zimmer leer. Im Juli 2024 schreibt ihm Wichelmann bei Whatsapp, dass Nena
alle Verträge beenden wolle. Per Einschreiben wendet er sich daraufhin an
Amann. Schild schlägt vor, einen neuen Vertrag zu schließen, ohne Nena als
Zwischenhändlerin. Er bittet um eine kurzfristige Rückmeldung. Bis heute,
sagt er, habe er nichts von Amann gehört.
Transparenzhinweis: Der Mieter ist ein Freund des Autors. Beide haben vor
zehn Jahren gemeinsam ein Freiwilliges Soziales Jahr in der Linksfraktion
im Bundestag absolviert. Keiner der beiden ist in der Partei politisch
aktiv oder Mitglied.
3 Mar 2025
## LINKS
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## AUTOREN
Paul Schwenn
## TAGS
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Transparenz
Medienkritik
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Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin
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