# taz.de -- Krieg in der DR Kongo: Chaos, Verwirrung und Plünderungen | |
> Nach mehreren Anläufen scheint Bukavu nun wirklich von Rebellen der M23 | |
> kontrolliert. Als Beweis stellten sie einen Oberst vor laufende | |
> Handykameras. | |
Bild: M23-Rebellen mitten im Zentrum von Bukavu | |
Kampala taz | Es hat bis Sonntagvormittag gedauert, bis die Rebellen der | |
M23 (Bewegung des 23. März) die ostkongolesische Stadt Bukavu letztlich | |
vollends einnahmen. Als Beweis stellte sich M23-Oberst Bernard Byamungu am | |
Sonntag früh mit seinen Leibwächtern auf den zentralen Paradeplatz im | |
Zentrum der Provinzhauptstadt Bukavu vor die Handykameras der Bevölkerung. | |
Er versucht, den aufgebrachten Leuten, die Lage zu erklären. „Die | |
Staatsagenten haben den Kindern hier ihre Waffen überlassen und damit ein | |
Kriegsverbrechen begangen“, so der Rebellenoffizier: „Deswegen mussten | |
letztlich nun wir kommen, um Sicherheit herzustellen.“ Auch am | |
Unabhängigkeitsplatz am westlichen Stadtrand ließen sich die M23-Offiziere | |
fotografieren, stellen ihre Fotos auf den sozialen Plattformen ins | |
Internet. | |
Die Menschen in Bukavu, Hauptstadt der Provinz Süd Kivu am südlichen Ufer | |
des großen Kivu-Sees, haben eine unruhige Nacht hinter sich. In vielen | |
Bezirken waren Schüsse zu hören. Die Verwirrung war groß. Denn Freitagabend | |
hatten bereits die ersten M23-Truppen die äußeren Bezirke erreicht, nachdem | |
sie den 30 Kilometer westlich gelegenen Flughafen Kavumu [1][fast kampflos | |
erobert] hatten. | |
Laut eigenen Angaben hatten sie aber keine ausreichenden Kapazitäten, die | |
weitläufige Millionenstadt Bukavu tatsächlich auch zu sichern. Die Lage | |
war, so die M23 gegenüber der taz, ungewiss, denn die abziehenden | |
Staatsagenten hatten die Gefängnistüren geöffnet, tausende Insassen waren | |
entkommen. Die M23 ging davon aus, dass sich nach wie vor Soldaten und | |
bewaffnete Milizen in Bukavu verstecken. Also hatten sich die Rebellen am | |
Samstag wieder zurückgezogen. | |
## Komplettes Sicherheitsvakuum in der Nacht zum Sonntag | |
Es kam daraufhin vielerorts zu Plünderungen. Handy-Videos, die von | |
Kongolesen auf X geteilt wurden, zeigen Menschenkolonnen, die große Säcke | |
auf ihren Köpfen davontragen. Das gewaltige Warenlager der | |
Welternährungsorganisation (WFP) mit knapp 7.000 Tonnen Lebensmittenl wurde | |
am Samstag geplündert, bestätigt ein WFP-Sprecher. Am Sonntagfrüh brachen | |
Menschen in das Lager der örtlichen Brauerei ein, schleppten Bierkisten | |
davon. | |
In der Nacht zum Sonntag herrschte offenbar ein komplettes | |
Sicherheitsvakuum. Der Grund: In der Provinz Süd Kivu, in welcher Bukavu | |
liegt, sind keine UN-Blauhelme mehr stationiert, um die Bevölkerung zu | |
schützen, wie es [2][in der benachbarten Provinz Nord Kivu und deren | |
Hauptstadt Goma] der Fall war, die vor zwei Wochen von den Rebellen erobert | |
worden war. Die UN-Truppen waren im vergangenen Jahr auf Wunsch von Kongos | |
Regierung abgezogen. Süd Kivus Provinzregierung hatte in den vergangenen | |
Tagen vor dem Fall Bukavus die Jugend aufgerufen, zu den Waffen zu greifen | |
und die geschlagene Armee zu unterstützen. Kongos Armee, die sich zuvor | |
fast kampflos aus Bukavu zurückgezogen hatte, stationierte am frühen | |
Samstagabend wieder einige Truppen in Bukavu, sie fuhren mit Militärjeeps | |
durch die Hauptstraßen. | |
Einwohner posteten Handyvideos dieser Truppen online. Doch dann übernahm | |
die M23-Truppen im Morgengrauen wieder die Kontrolle. In großen | |
Hundertschaften marschieren deren bewaffnete Kämpfer nun die Straßen | |
entlang. Bilder von einem komplett zerschossenen Militärjeep auf Bukavus | |
Straßen, zeugen davon, dass es nachts zu direkten Auseinandersetzungen | |
zwischen M23 und Kongos Soldaten gekommen sein muss. | |
Unterdessen waren die afrikanischen Staats- und Regierungschefs am Samstag | |
in Äthiopiens Hauptstadt Adis Abeba, Hauptsitz der Afrikanischen Union | |
(AU), zu einem Gipfeltreffen zusammengekommen. UN-Generalsekretär Antonio | |
Guterres drängte auf einen Dialog zwischen den Kriegsparteien. „In der | |
Demokratischen Republik Kongo steigt mit dem Fall weiterer Städte das | |
Risiko eines regionalen Krieges“, sagte er auf einer Pressekonferenz und | |
mahnte: „Es ist an der Zeit, die Waffen zum Schweigen zu bringen, es ist | |
Zeit für Diplomatie und Dialog.“ | |
## Kongos Kirchenvertreter wollen vermitteln | |
Zahlreiche westliche Regierungen, darunter Frankreich und Belgien aber auch | |
die Bundesregierung, drängen nun Ruanda, den [3][Vormarsch der M23] zu | |
stoppen und die ruandischen Truppen, die zur Unterstützung der M23 in den | |
Kongo vorgedrungen sind, zurückzuziehen. Frankreich und Belgien drohen | |
sogar mit Sanktionen gegen Ruanda. | |
Am Sonntag früh riefen Kongos Bischöfe in der 1.600 Kilometer entfernten | |
Hauptstadt Kinshasa zu Achtsamkeit auf. In den Sozialen Medien waren in den | |
vergangenen Tagen immer wieder Protestaufrufe gegen die katholischen | |
Kirchen zu sehen. Kongos Regierung hat deswegen vor allem katholischen | |
Kirchen landesweit Polizisten stationiert. „Habt keine Angst!“, mahnte | |
Kardinal Fridolin Ambongo, Erzbischof der Diözese in Kinshasa, in einer | |
Erklärung. | |
Kongos Kirchenvertreter hatten in den vergangenen Tagen eine Initiative | |
gestartet, zwischen den Kriegsparteien zu vermitteln. Sie hatten dazu auch | |
die M23-Führung in Goma gesprochen. Bei den Kongolesen in Kinshasa kam | |
dieser Versuch nicht gut an. Kinshasas Gouverneur verbot nun für Sonntag | |
sämtliche Proteste in der Hauptstadt. | |
16 Feb 2025 | |
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## AUTOREN | |
Simone Schlindwein | |
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