Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Goma unter den M23-Rebellen: Das Überleben geht weiter
> Gomas Alltag unter den Rebellen ist anders als vorher. Geld ist knapp,
> Gewalt ist nicht vorbei. Aber die Kongolesen wissen, wie man sich
> arrangiert.
Bild: Die Spuren der schweren Kämpfe vor zwei Wochen sind in Goma noch überall
Goma taz | Der Alltag kehrt nach Goma zurück, zwei Wochen nach der
[1][Einnahme durch die Rebellen der M23] (Bewegung des 23. märz). Die
Straßen aus dem Umland, auf denen Bauern Lebensmittel in die
ostkongolesische Millionenstadt und ihre Märkte bringen, sind wieder offen,
sogar die beliebte Dickmilch Kivuguto kommt wieder in die Stadt – aber die
Preise haben sich verdoppelt. Bargeld ist rar geworden.
Normalerweise schickt die Zentralbank aus Kongos ferner Hauptstadt Kinshasa
Geldscheine mit dem Flugzeug an ihre Filiale in Goma, wo die lokalen
Geschäftsbanken es abheben können, aber der Flughafen von Goma ist dicht.
Die Banken geben nun kein Geld mehr aus, Lehrer warten immer noch auf ihre
Dezembergehälter. Auf Geldabhebungen per digitalem Transfer wird eine
Sondersteuer von 10 Prozent erhoben, zusätzlich zu den üblichen Gebühren.
Der kongolesische Franc (FC), mit dem man auf dem Markt einkauft, ist wegen
der zunehmenden Bargeldknappheit im Wert gestiegen, von 2.900 auf 2.500 zum
US-Dollar. Der US-Dollar, in dem man seine Ersparnisse in bar hält, ist
entsprechend weniger wert, die Kaufkraft der Leute hat sich schlagartig
verringert.
Die Krise wird vom abrupten [2][Stopp aller US-Hilfsgelder] befördert.
Organisationen, die von der US-Entwicklungsagentur USAID finanziert werden,
brechen ihre Projekte abrupt ab und setzen ihr Personal auf die Straße.
Davon abhängige Consultants und Kleinunternehmer sitzen auf dem Trockenen.
## Zum Schulbesuch ist es noch zu früh
Die Rebellen konzentrieren sich auf das Militärische. Sie haben zivile
Autoritäten ernannt – einen neuen Provinzgouverneur für Nord-Kivu samt
Stellvertreter, einen neuen Bürgermeister von Goma, der jetzt mit den
Stadtteilbehörden Kontakt aufnimmt. Aktivitäten zivilgesellschaftlicher
Gruppen und Bürgerrechtsbewegungen bleiben aber verboten.
Am Montag sollten eigentlich die Schulen und Universitäten wieder öffnen.
Aber die Schüler und Studenten leisteten dem Ruf nicht Folge. Kein Schulbus
fuhr, nur in einer von zehn besuchten Schulen tauchten 20 Schüler auf. Die
Angst vor einer Zwangsrekrutierung in die Reihen der Rebellen überwog.
Die über 500.000 Kriegsvertriebenen, die sich während der jahrelangen
Belagerung Gomas durch die Rebellen in Lagern am Stadtrand gesammelt
hatten, [3][haben sich zerstreut] – mehrere Lager wurden aufgelöst, ohne
humanitäre Unterstützung für ihre Bewohner. Manche Leute gehen zu Fuß in
ihre Heimatdörfer in den Bergen zurück. Andere finden Zuflucht bei
Bekannten, auf Baustellen, in Kirchen oder Schulen.
Sie und alle anderen in Goma leben im Schatten andauernder Unsicherheit.
Versprengte Soldaten der flüchtigen Regierungsarmee und „patriotischen“
[4][Wazalendo-Milizen], Banditen und herumirrende ehemalige Häftlinge aus
dem verwüsteten Zentralgefängnis, Straßenkinder im Besitz zurückgelassener
Waffen, sie alle sorgen für Kriminalität und Unsicherheit im Alltag und vor
allem in der Nacht. Zuweilen gibt es Übergriffe unkontrollierter
M23-Kämpfer gegen Zivilisten.
## Songs, Predigten und Internet-Auftritte
Goma hat in den vergangenen 30 Jahren schon viel überstanden: Kriege,
Erdbeben, [5][Vulkanausbrüche], massive Gewalt, massive Fluchtbewegungen –
nur mit gehörigem Optimismus konnten die Menschen überleben. Dieser
Optimismus besteht darin, Angst vor der Angst zu haben. „Es wird schon
irgendwie“, sagt man sich ständig, immer wieder und wieder.
Kongolesen haben bewährte Überlebensstrategien in einem Kontext von
Staatszerfall – dieser Krieg ist auch eine Chance für neue Kreativität.
Selbstregulierung über Songs und Predigten ist das Gebot der Stunde. „Ich
habe nur Kongo“, singt Samuel Balaito auf Youtube und ruft alle Kongolesen
zur Einheit auf. Der Himmel soll etwas tun, wünscht sich der christliche
Sänger Patrick Kubuya.
Auf sozialen Medien gibt es lauter Ratschläge, wie man sich in dieser
Situation richtig verhält. Der Geschäftsmann Kasereka Muhindo von der
großen Handels- und Baufirma Établissements Yetu, in Goma unter seinem
Spitznamen „Kassé Chine“ bekannt, brauchte am ersten friedlichen Sonntag
nach der Rebellenübernahme bloß über Whatsapp ein Video zu verbreiten, in
dem er Plünderern mit übernatürlichen Strafen drohte, damit am nächsten Tag
Diebe vor seinem Laden Schlange standen, um geklaute Ware zurückzubringen.
Der 12-jährige Fußballstar Sefu Ongala, vergangenes Jahr zum besten
U15-Spieler von Nord-Kivu gewählt, bringt es in einem Radiointerview auf
den Punkt: „Wenn der Krieg vorbei ist“, sagt er, „werde ich besser sein a…
vorher.“
12 Feb 2025
## LINKS
[1] /Demokratische-Republik-Kongo/!6064841
[2] /Abwicklung-von-USAID-in-Uganda/!6067513
[3] https://docs.wfp.org/api/documents/WFP-0000164296/download/
[4] /Milizen-in-der-DR-Kongo/!5977887
[5] /Ein-Augenzeugenbericht-aus-Kongo/!5769837
## AUTOREN
Prosper Hamuli
## TAGS
Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo
Goma
M23-Rebellen
Nord-Kivu
Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo
Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo
Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo
Goma
Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo
## ARTIKEL ZUM THEMA
Südafrikas Eingreiftruppe in DR Kongo: Kriegsverletzte Soldaten werden über R…
Die Eingreiftruppe des Südlichen Afrika in Goma sitzt fest, seit die
M23-Rebellen die Stadt eroberten. Nun darf sie zumindest Verwundete
ausfliegen.
Krieg in der DR Kongo: Chaos, Verwirrung und Plünderungen
Nach mehreren Anläufen scheint Bukavu nun wirklich von Rebellen der M23
kontrolliert. Als Beweis stellten sie einen Oberst vor laufende
Handykameras.
Waffenstillstand in DR Kongo: Kongo-Staatengipfel verschont Kongos M23-Rebellen
Ein großer Afrika-Staatengipfel fordert Waffenstillstand und Verhandlungen
in der DR Kongo. Aber keinen Rückzug Ruandas und der M23-Rebellen.
Krieg in der DR Kongo: M23-Rebellen rücken weiter vor
Im Osten der Demokratischen Republik Kongo könnten M23 bald einen wichtigen
Militärflughafen einnehmen. Derweil arbeiten sie bereits am Aufbau eines
parallelen Staates.
Augenzeugenbericht aus Goma in Kongo: Im Dazwischenland
Kongos M23-Rebellen haben den Staat aus der Millionenstadt Goma verjagt.
Wie geht es dort weiter? Und welche Spuren hinterlässt der Krieg?
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.