# taz.de -- Klimastreik in Sachsen: Dem rechten Mainstream trotzen | |
> Etwa 50 Menschen sind in Freiberg dem Aufruf von Fridays for Future | |
> gefolgt. In der Stadt zeigt sich, wie schwer Klimaschutz ist, wenn die | |
> Mehrheit von dem Thema nichts wissen will. | |
Bild: Ein Erfolg für die örtliche Fridays-for-Future-Gruppe in Freiberg: Sie … | |
Freiberg taz | Solche Kundgebungen spendeten ihr Kraft, ruft Clara Börner | |
über den Lautsprecher auf dem verschneiten Obermarkt in Freiberg. Seit | |
anderthalb Jahren engagiert sich die 15-Jährige bei Fridays for Future. An | |
diesem Freitag ist sie zum ersten Mal Teil der Kundgebungsleitung. Es ist | |
kalt. Etwa 50 Menschen haben sich vor dem Rathaus versammelt. Sie spendeten | |
Kraft, erklärt Börner, „weil ich sehe, dass ich nicht alleine bin, so wie | |
es mir in manchen Situationen vorkommt“. | |
Wie in mehr als 150 anderen Städten hat Fridays for Future an diesem | |
Freitag in der Stadt mitten in Sachsen einen Klimastreik angemeldet. Mit | |
der Aktion wollen die Aktivist:innen eine Woche vor der | |
[1][Bundestagswahl auf ein Problem aufmerksam machen, das im Wahlkampf kaum | |
eine Rolle spielt]: die Klimakrise. | |
50 Teilnehmer:innen, das sei in Freiberg ein Erfolg, findet Börner. Kurz | |
zuvor hatte sie im Gespräch mit der taz gesagt, dass sie mit etwa zwanzig | |
rechne. In der Stadt wählten viele eher rechts, „die sind für Klimaschutz | |
einfach gar nicht offen“, sagt Borner. Auch in der Schule führe die | |
Zehntklässlerin ständig Diskussionen. Da heiße es dann: „Wir lassen uns | |
nicht irgendwie da jetzt beeinflussen von so was.“ | |
Rechts, das fänden Jugendliche in Freiberg irgendwie cool, ob AfD oder | |
Hakenkreuzschmierereien. Für linke Personen sei es nicht einfach, berichtet | |
Börner. „Man denkt, man ist alleine, weil die anderen so übel laut sind.“ | |
Im Stadtrat haben die Rechtsextremen von AfD und [2][Freien Sachsen bei der | |
Kommunalwahl 2024] fast ein Drittel der Sitze gewonnen. | |
## Weniger Klimastreiks in Sachsen | |
Von den ursprünglich Aktiven bei Fridays for Future seien nur noch wenige | |
in Freiberg. Die meisten studierten mittlerweile in größeren Städten, sagt | |
Börner. Das habe die Kapazitäten der Ortsgruppe geschwächt. Wichtig sei es | |
trotzdem, in Freiberg zu protestieren, „weil wir auch im Hinterland | |
irgendwie stabil bleiben müssen“. Sie zeigt auf das Rathaus, „da drin tagt | |
der Stadtrat, wir müssen hier Präsenz zeigen.“ | |
Bundesweit nehmen immer weniger Menschen an Klimastreiks teil. Beim ersten | |
Globalen Klimastreik 2019 waren es in Deutschland 1,4 Millionen. An diesem | |
Freitag hingegen etwa 130.000. Das zeigt sich auch in den Metropolen. | |
[3][In Hamburg sank die Zahl] von 70.000 Teilnehmer:innen beim Streik | |
2019 auf 7.500 in diesem Jahr laut Veranstalter:innen. Die Polizei hat der | |
Deutschen Presse-Agentur zufolge nur 4.500 gezählt. | |
Auch in Sachsen ist die Zahl der Städte mit Klimastreiks in den vergangenen | |
Jahren zurückgegangen. 2023 waren zum Globalen Klimastreik außerhalb der | |
Großstädte Dresden, Leipzig und Chemnitz Versammlungen in Görlitz, Zittau, | |
Zwickau und Freiberg angemeldet. Im März 2024 waren Riesa und Döbeln dabei. | |
An diesem Freitag gibt es in Sachsen nur drei Klimastreiks: in Leipzig, in | |
Chemnitz und in Freiberg. Die Demo in Dresden verlegte die örtliche Gruppe | |
von Friday for Future um eine Woche nach vorne. In der Landeshauptstadt | |
sind in dieser Woche noch andere große Demonstrationen angemeldet – zum 80. | |
Jahrestag der Bombardierung durch die Alliierten mobilisieren Neonazis zu | |
einem „Gedenkmarsch“, und Antifaschist:innen rufen dazu auf, diesen zu | |
blockieren. | |
Doch warum gibt es immer weniger Klimastreiks? Der bekannte Klimaaktivist | |
und Autor Jakob Springfeld aus Zwickau glaubt, „viele dachten, man muss | |
erstmal die Demokratie schützen, bevor man sich um das Klima-Thema kümmern | |
kann“. Das halte er für eine Fehlannahme, erklärt er der taz, Klimaschutz | |
sei auch Demokratieschutz. Durch die Anfeindungen von Rechten motiviert, | |
hätten sich Klimaaktivist:innen eher auf Gegendemonstrationen für | |
Brandmauern engagiert, statt weiterhin die eigenen Themen vorn anzustellen. | |
Auf Social-Media-Plattformen warb Friday for Future ebenfalls damit, beim | |
[4][Klimastreik „für unsere Demokratie und für bessere Klimapolitik“] auf | |
die Straße zu gehen. | |
## Klimaschutz und Demokratie | |
In Freiberg zeigt ein Projekt sehr deutlich, wie der Zusammenhang von | |
Klimaschutz und Demokratie im Lokalen bislang aussieht. Auf Initiative | |
örtlicher Gruppen beauftragte der Stadtrat Ende Januar 2021 mit 21 von 30 | |
Stimmen die Erarbeitung eines Klimaschutzkonzepts. Das kostete mehrere | |
zehntausend Euro. | |
Eigentlich sollte der Stadtrat mittlerweile darüber abgestimmt haben, ob er | |
die Zahlen des Berichts bestätigt und die vorgeschlagenen Maßnahmen – | |
Photovoltaikanlagen, mehr Stadtgrün, Personal für den Klimaschutz – zur | |
Kenntnis nimmt. Doch drei Jahre später, im April 2024, hat der Stadtrat auf | |
Antrag der CDU die Vorlage des Klimaschutzkonzepts auf die Zeit nach der | |
Neuwahl des Stadtrats verschoben, mit 18 von 31 Stimmen. Seitdem wurde das | |
Thema im Rat nicht wieder aufgegriffen. | |
Beim Klimastreik am Freitag ist auch Christian Mädler unter den | |
Redner:innen vor dem Rathaus. Er gehört zum Bündnis „Freiberg | |
klimaneutral“, das versucht, das Klimakonzept im Stadtrat voranzutreiben. | |
Dass es überhaupt mal eine Mehrheit gab, sei ein Erfolg gewesen. „Aber man | |
muss dran bleiben. Und das ist für Ehrenamtliche schwer“, sagt er der taz. | |
Manche hörten deshalb frustriert auf. Für das Klimaschutzkonzept hätten sie | |
mit allen geredet, sogar mit der AfD, sagt Mädler. Nur ein Gespräch mit der | |
CDU sei nicht zustande gekommen. | |
Auf Anfrage erklärte der Fraktionsvorsitzende der CDU im Freiberger | |
Stadtrat, Steve Ittershagen: „Aus unserer Sicht bedarf es seitens der Stadt | |
Freiberg kein eigenes Klimaschutzkonzept.“ Die Fragen dazu könne ein | |
Konzept für die Stadtentwicklung beantworten. „Klimaschutz ist in erster | |
Linie ein globales Thema und muss zuallererst dort gelöst werden“, | |
argumentiert Ittershagen. Außerdem tue die Kommune bereits vieles: | |
Straßenbegleitgrün, energieeffiziente Leuchten oder der Ausbau von | |
Radwegen. Das sei „greifbarer“ Klimaschutz. | |
Der Grünenpolitiker Johannes Brink, der ebenfalls im Stadtrat sitzt, | |
glaubt, das Klimakonzept hätte ein positives Beispiel für Klimapolitik sein | |
können, auch wegen der Bürgerbeteiligung. Zwar könne es aktuell immer noch | |
in den Stadtrat kommen, „aber bei einem neuen Anlauf würde es angesichts | |
der Mehrheitsverhältnisse nicht einfacher“, sagt Brink. | |
Auf dem Klimastreik greift Clara Börner den Konflikt in ihrer Rede auf: | |
„Mehrheiten für den Klimaschutz sind mit jeder Stimme für Parteien wie AfD | |
oder CDU schwerer zu finden.“ Sie meint damit die Bundestagswahl. Doch | |
während es im Bundestag zuletzt große Diskussionen gab, als die CDU mit der | |
AfD einen Beschluss durchsetzte, sei das „in unserem Stadtrat zum Beispiel | |
schon längst Daily Business“, erzählt sie später. | |
Nach etwa einer Dreiviertelstunde ist der Klimastreik in Freiberg beendet | |
und die 50 Teilnehmer:innen verschwinden vom kalten Platz wieder ins | |
Warme. Börner lächelt, sie wirkt zufrieden mit der Kundgebung. Was das | |
Klimaschutzkonzept angeht, habe sie die Hoffnung nicht aufgegeben, dass der | |
Stadtrat es noch zur Kenntnis nimmt. Vielleicht spricht da der frische Mut | |
aus ihr. | |
15 Feb 2025 | |
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## AUTOREN | |
David Muschenich | |
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