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# taz.de -- Migration: Der Mexican Dream und sein Preis
> Auf dem Weg in die USA entscheiden sich immer mehr Migranten, in Mexiko
> zu bleiben. Das hilft auch der Wirtschaft. Doch Kriminalität trübt den
> Traum.
Bild: Keine Mauern, kein Grenzschutz, keine Hindernisse bei der Einreise nach S…
Es ist ein Fluss. Ein ganz normaler Fluss, der hier, am südlichsten Zipfel
Mexikos, die Grenze zu Guatemala bildet. Nicht besonders breit, nicht
besonders wild, das andere Ufer deutlich zu sehen. Suchiate heißt er,
gelegen am Städtchen Hidalgo. Ein unspektakuläres Bild. Wären da nicht die
Boote, Flöße aus Lastwagenreifen, als Ruder dient ein langer Stab.
Es sind Dutzende. Grenzbewohner transportieren damit Waren von der einen
auf die andere Seite. Manche der Flöße sind dagegen vollgepackt mit
Menschen. Die Überfahrt dauert kaum zehn Minuten, dann haben sie eine
weitere Etappe geschafft: die Einreise nach Mexiko. Ohne Grenzbeamte, ohne
Stempel im Pass. Irregulär. Das eint diese Menschen genauso wie die
Hoffnung auf ein besseres Leben.
Sie sind Migranten und Geflüchtete, vor allem aus lateinamerikanischen
Ländern, viele aus Honduras und Haiti. Hunderttausende reisen jedes Jahr
über Guatemala nach Mexiko ein und weiter Richtung Norden. Ihr Ziel:
eigentlich die USA. Mexiko war für Menschen auf der Flucht lange nur
Transitland. Doch das ändert sich gerade.
Auch Yunaisy Quintro Hernández ist so nach Mexiko eingereist. Heute geht
sie durch eine riesige Lagerhalle in der Industriestadt Guadalajara, in
Zentralmexiko. Haushohe Regalwände säumen die Gänge, drei Meter über dem
Boden läuft ein Band und transportiert kleine Kartons. Entfernt brummt der
Motor eines Gabelstaplers, in den Regalen liegen teils überdimensionale
Schraubenschlüssel.
## Dieselben Rechte wie Mexikaner
Hernández arbeitet seit fünf Monaten bei Urrea, einer großen Firma, die
Armaturen, Sanitärprodukte und Werkzeug herstellt. Eigentlich ist sie
Krankenschwester. Stattdessen kontrolliert sie momentan in der
Verpackungsabteilung die Bestellungen, fast vollautomatisch laufen die über
die Fließbänder und werden dann verpackt.
„Ich fühle mich hier sehr, sehr gut“, sagt Hernández. Sie hat die schwarz…
Haare auf dem Kopf zum Dutt gebunden, ihre 45 Jahre sieht man ihr nicht an,
kaum eine Falte prägt das Gesicht. Sie lacht viel, spricht schnell. „Meine
Kollegen sind cool, wie sie mich ‚Cubanita‘ nennen, kleine Kubanerin. Wir
lachen viel miteinander. Und ich habe dieselben Rechte wie eine
mexikanische Arbeiterin auch.“
Hernández floh im Februar 2022 aus ihrer Heimat Kuba. Vor der politischen
Situation dort, mehr will sie dazu nicht sagen. Mit einem Charterflug ging
es für sie nach Nicaragua. Ihr Ziel war Mexiko, von Anfang an.
Hier hat sie politisches Asyl beantragt – und es nach gerade einmal vier
Monaten auch bekommen. In die USA wollte sie nie. „Ich höre immer, dass es
dort viel Diskriminierung gibt, ohne Englisch bekommt man keinen guten
Job“, sagt Hernández. „In Mexiko spricht jeder Spanisch, jeder versteht
mich, ich verstehe die Mexikaner. Was soll ich in den USA machen? Quatschi,
quatschi … und ich verstehe gar nichts?! Dann bleibe ich lieber in Mexiko.“
## Sprunghafter Anstieg von Asylbewerbern
Vor allem für Menschen aus Lateinamerika ist das Land attraktiv – sie
stammen aus einer ähnlichen Kultur, haben meist die gleiche Religion,
sprechen die gleiche Sprache. Das macht es leichter, Fuß zu fassen.
Insgesamt 140.777 Menschen haben im Jahr 2023 Asyl in Mexiko beantragt. Zum
Vergleich: 2013 waren es lediglich 1.296. Laut dem UNHCR, dem
Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen, gehört Mexiko damit zu den
sechs Ländern mit den meisten Asylanträgen weltweit. Das UNHCR geht davon
aus, dass zwischen 60 und 80 Prozent jener, die hier ankommen, ein Recht
auf Asyl haben, also Geflüchtete sind. Bedingt wird dieser Anstieg auch
dadurch, dass es Krisen in immer mehr süd- und mittelamerikanischen Staaten
gibt.
Die Fluchtgründe sind vielfältig: fehlender Zugang zu Bildung, Nahrung oder
medizinischer Versorgung, Perspektivlosigkeit und vor allem mangelnde
Sicherheit. In einer aktuellen Befragung des UNHCR gaben 70 Prozent an, in
ihrem Heimatland Gewalt und Verfolgung zu fürchten.
„Ich bin glücklich“, sagt Yunaisy Quintro Hernández. „Ich habe hier so …
erreicht, das hätte ich nie für möglich gehalten.“ Sie hat eine kleine
Wohnung gemietet und neben der Arbeit bei Urrea studiert sie noch mal, um
auch in Mexiko als Krankenschwester arbeiten zu können. Bald sollen ihre
beiden erwachsenen Kinder mit Familie nachkommen.
## Wirtschaftswachstum durch Einwanderer
Dass Hernández in Mexiko so schnell einen Job bekommen hat, hängt auch mit
einem [1][UNHCR-Programm] zusammen, das Asylbewerber dabei unterstützt, aus
dem ärmeren Süden Mexikos in die Industrieregionen in der Mitte des Landes
und im Norden zu kommen.
Nach eigenen Angaben hat das UNHCR seit 2016 so schon mehr als 50.000
Menschen in Arbeit gebracht. Bei den Firmen sind Asylbewerber gern gesehene
Mitarbeiter. Mexikos Wirtschaft geht es momentan gut. In einer Umfrage
gaben im vergangenen Jahr fast 70 Prozent der mexikanischen Arbeitgeber an,
Probleme zu haben, offene Stellen zu besetzen.
Auch der mexikanische Staat profitiert damit von den Asylbewerbern. Allein
jene, die durch das UNHCR Arbeit gefunden haben, erwirtschaften jährlich
Steuereinnahmen in Höhe von mehr als 13 Millionen Dollar. Das ist mehr als
das gesamte Budget der mexikanischen Asylbehörde Comar.
An Comar zeigt sich die Widersprüchlichkeit der Flüchtlingspolitik in
Mexiko. Einerseits ist die Anerkennungsquote für Asylbewerber hoch, die
Gesetze sind weitreichend und über Anträge wird vergleichsweise schnell
entschieden. Maximal 90 Arbeitstage darf es laut Gesetz dauern.
## Migranten aus den USA fernhalten
Andererseits würde ohne das UNHCR hier nicht viel funktionieren. Das
Hilfswerk finanziert 60 bis 70 Prozent des Budgets von Comar. 2023 stoppten
die mexikanischen Behörden die Ausgabe von Ausweisdokumenten an
Asylbewerber. Vermutlich auch auf Druck aus den USA. Das führte dazu, dass
diese kaum noch legal arbeiten, studieren oder auch nur mit öffentlichen
Bussen durchs Land reisen können. Auch dadurch sind immer mehr Migranten
leichte Beute für organisierte kriminelle Gruppen geworden, die sie
erpressen.
Mexiko soll die Geflüchteten von der Grenze zu den USA fernhalten – und tut
das auch. Die mexikanischen Behörden karren Menschen regelmäßig in Bussen
aus dem Norden weiter in den Süden zurück. „Migrationskarussell“ nenne
manche Wissenschaftler das schon.
Wie Mexiko mit Migranten und Geflüchteten umgeht, das hat letztlich immer
auch mit den USA zu tun. Das Nachbarland übt Druck auf die mexikanischen
Behörden aus, was mit der erneuten Präsidentschaft von Donald Trump noch
zunimmt. Schon im Januar gab es erste Abschiebeflüge aus den USA nach
Mexiko und Guatemala.
In Mexiko landen dadurch auch Menschen aus anderen Ländern. Die
mexikanische Regierung hätte gern, dass diese in ihre Heimat zurückkehren.
„Aber über 50 Prozent der Menschen, die hier ankommen, haben Anrecht auf
Asyl, weil sie vor Gewalt fliehen“, sagt Regina de la Portilla vom UNHCR in
Mexiko. Die Zahl der Asylanträge sei im Dezember und Januar deutlich
gestiegen.
## Übergriffe, Entführungen, Gewalt
Dabei ist das Land nicht ungefährlich für Geflüchtete. 80 bis 90 Prozent
jener, die im Norden Mexikos ankommen, also einmal längs durchs ganze Land
gereist sind, sagen laut UNHCR, sie hätten unterwegs Gewalterfahrung
gemacht. Die Menschen sind ein lukratives Geschäft für [2][die organisierte
Kriminalität in Mexiko]. Nicht selten lukrativer als der Drogenhandel.
Regelmäßig kommt es zu Entführungen. Insbesondere Frauen und Mädchen müssen
zudem sexuelle Übergriffe fürchten.
„Migranten sind auch ein Geschäft für die korrupten Leute innerhalb der
nationalen Einwanderungsbehörde“, sagt die mexikanische Journalistin Marta
Durán de Huerta – also auch für Teile der Polizei und der Nationalgarde,
die die Grenze eigentlich überwachen soll. Durán de Huerta beschäftigt sich
seit Jahren mit diesem Thema. „Tatsächlich überwachen sie nicht die Grenze,
sie administrieren dieses Geschäft mit den Migranten.“
Wer es bis nach Mexiko geschafft hat, schließt sich auf dem Weg weiter nach
Norden deshalb meist einer der Karawanen an, die in Tapachula starten. Die
Stadt liegt knapp 40 Kilometer entfernt vom inoffiziellen Grenzübergang am
Fluss im Süden Mexikos.
Maria Díaz kam vor drei Wochen in Mexiko an, lebt momentan zusammen mit
ihrem Mann und ihrem 14-jährigen Sohn in Tapachula in einer Unterkunft für
Geflüchtete. Aufeinander gestapelte Container bilden zwei Stockwerke, in
einem begrünten Innenhof sitzen Menschen an Tischen und unterhalten sich,
von irgendwoher dröhnt Musik. Auf einem Basketballplatz spielen sich
Jugendliche eifrig die Bälle hin und her. Alles wirkt auffallend sauber und
geordnet.
## Durch den Albtraum zum Traum
Maria Díaz ist erleichtert. Kein Wunder, sie hat ihr Ziel erreicht: Mexiko.
Díaz heißt eigentlich anders. Sie möchte unerkannt bleiben, aus Angst um
ihre Sicherheit. In ihrer Heimat Venezuela verkaufte sie Empanadas und
Arepas, also Teigtaschen und Maisfladen. „Das hat ausgereicht, damit wir
über die Runden kommen“, sagt sie.
Aber Venezuela steckt in einer politischen und wirtschaftlichen Krise, die
öffentliche Versorgung findet kaum noch statt, es fehlt an Wasser,
medizinischer Versorgung, Strom. „Ich bin zusammen mit anderen auf die
Straße gegangen, um dagegen zu protestieren“, erzählt Díaz. „Aber
bewaffnete Milizen haben uns vertrieben. Und dann auch angefangen, mich zu
bedrohen.“ Die Milizen seien sogar zu ihr nach Hause gekommen. Obwohl die
Behörden davon wussten, hätten sie nichts dagegen gemacht.
Also entschlossen sie und ihr Mann sich, aus Venezuela zu fliehen – nach
Mexiko. „Meine Mama hat immer mexikanische Filme geschaut, daher kannte ich
das“, sagt Díaz lachend. „Dass ich jetzt wirklich hier bin, das ist immer
noch wie ein Traum.“
Die Fluchtroute sei dagegen ein Albtraum gewesen. Am schlimmsten sei es im
Dschungel an der Grenze zu Panama gewesen, dort waren Díaz und ihre Familie
mit einer größeren Gruppe von Flüchtenden unterwegs. „Eine bewaffnete
Gruppe hat uns überfallen, festgehalten und ausgeraubt“, erzählt Díaz. „…
haben die Männer geschlagen und fünf Frauen vergewaltigt, darunter sogar
ein Mädchen, das gerade mal zwölf Jahre alt war.“
## Eines der gefährlichsten Länder
Zwei weitere Male wurde die Familie verschleppt und ausgeraubt. Zuletzt in
Guatemala, als sie auf das Floß steigen wollten, um den Grenzfluss zu
überqueren. Erst als sie 60 Dollar pro Kopf zahlten, wurden sie wieder
freigelassen. Als Zahlungsbestätigung bekamen sie einen Stempel auf den
Unterarm. „Ich wusste, dass wir Geld zahlen müssen, um bis nach Mexiko zu
kommen. Aber ich hätte nie gedacht, dass ich solche Gewalt würde miterleben
müssen, dass sie uns alles wegnehmen würden, Essen, unsere Kleidung, alle
Dokumente.“
Maria Díaz wünscht sich nun vor allem Stabilität und Bildung für ihren
Sohn. „In einem Land zu sein, in dem wir morgens, mittags und abends zu
essen haben, ein Dach über dem Kopf … für mich ist es schon ausreichend, in
meinem eigenen Haus nicht bedroht zu werden.“
Doch das ist auch in Mexiko nicht garantiert. Zwischen 70 und 100 Menschen
wurden im Jahr 2024 im dem knapp 130 Millionen Einwohner zählenden Land
jeden Tag ermordet oder verschleppt. Die organisierte Kriminalität ist in
allen Landesteilen aktiv. Etwa [3][60 Prozent der Mexikaner in urbanen
Regionen fühlen sich laut einer staatlichen Umfrage unsicher].
Das mexikanische Institut für Menschenrechte und Demokratie schätzt zudem
die Zahl der als verschwunden gemeldeten Menschen für das Jahr 2024 auf
knapp 120.000. Wer über diese Missstände berichtet, wird selbst zur
Zielscheibe. Mexiko gehört laut Reporter ohne Grenzen weltweit zu den
gefährlichsten Ländern für Journalisten.
## Die Gastfreundlichkeit nimmt ab
Kein Wunder, dass auch aus Mexiko im Laufe der Jahre Millionen Menschen in
die USA ausgewandert sind. Aber vielleicht ist die Gesellschaft hier auch
deshalb offen und hilfsbereit gegenüber anderen Migranten. „Mexiko war
immer gastfreundlich, einfühlsam, hat alles getan, um den Schwächsten zu
helfen“, sagt die Ordensschwester María Magdalena Silva Rentería. Sie sitzt
in einem Besprechungsraum mit langem Tisch aus dunklem Holz in
Mexiko-Stadt. Vom Erdgeschoss eine Etage tiefer schallt Kinderlärm hoch und
ein Wirrwarr aus Stimmen und Gesprächsfetzen.
Schwester Magda, wie sie hier alle nennen, leitet Cafémino, eine Unterkunft
für geflüchtete Frauen und Familien. Sie strahlt Freundlichkeit und
Autorität aus. Kurzhaarschnitt, bequeme Schnürschuhe, leicht lächelnd.
Schwester Magda kennt sich aus mit dem Thema Migration, hat etwa mehrfach
die Karawanen begleitet, zu denen sich Migranten zum eigenen Schutz
zusammentun. „Auf dem Weg haben uns Menschen immer wieder Essen und Hilfe
angeboten.“
Aber auch in der mexikanischen Gesellschaft verändert sich gerade etwas.
„Letztes Jahr haben wir zum ersten Mal Ablehnung von den Nachbarn
erfahren“, sagt Schwester Magda. „Vorher war es stets ein schönes
Zusammenleben.“
Nicht weit entfernt haben Geflüchtete an einem Bahngleis ihre provisorische
Unterkunft aufgeschlagen. Zelte und Bretterverschläge, links und rechts vom
Gleis, kaum einen halben Meter von diesem entfernt. Es ist ein
inoffizielles Flüchtlingslager, von denen es in der Stadt immer mehr gibt.
Das löst wiederum mehr und mehr Unmut in der mexikanischen Bevölkerung aus.
## Brücken statt Mauern
Insbesondere gegen solche Lager gibt es zunehmend Protest in der
Bevölkerung. Laut einer Umfrage des UNHCR glauben 64 Prozent der Mexikaner,
dass Konflikte und Spannungen in der Gesellschaft „sehr“ oder „etwas“ a…
Migranten zurückzuführen sind.
Ob die Ablehnung gegenüber Geflüchteten und Migranten weiter zunimmt, hängt
wohl vor allem damit zusammen, wie [4][Präsidentin Claudia Sheinbaum] und
ihre Regierung mit dem Thema umgehen. Und ob sie das Land ausreichend
darauf vorbereiten, dass Donald Trump seine Drohungen wahr macht – die
Grenze der USA noch weiter aufzurüsten und Millionen Migranten
abzuschieben.
In seiner Antrittsrede sprach er von einer „katastrophalen Invasion“ in
die USA, per Dekret erklärte er schon am ersten Tag seiner Amtszeit den
nationalen Notstand an der Südgrenze des Landes. Zudem stellte er CPB One
ein, eine App, über die Termine für Asylanträge vereinbart werden können.
Bereits geplante wurden schlicht storniert.
Im November 2024 hatte Trump behauptet, Sheinbaum habe zugesichert, die
Migration über die mexikanische Grenze zu stoppen. Die erwiderte auf X,
Mexikos Position bestehe nicht darin, Grenzen zu schließen, „sondern
Brücken zwischen Regierungen und Völkern zu bauen“.
## Hilfe für die Deportierten
Mexiko ist wirtschaftlich von den USA abhängig, exportiert mehr als 83
Prozent seiner Produkte dorthin. Hinzu kommen die Überweisungen von in den
USA lebenden Mexikanern, einer der wichtigsten Devisenbringer. Gleichzeitig
importieren die USA mehr aus Mexiko als aus China. Trump hatte zwar Anfang
Februar Zölle in Höhe von 25 Prozent auf die meisten Importe aus Mexiko
angeordnet. Kurz darauf vereinbarte er aber mit dem Nachbarland, [5][die
Zölle für 30 Tage auszusetzen]. Die Drohung bleibt bestehen.
Mexikos Präsidentin Claudia Sheinbaum erklärte, sie wolle mit den USA
zusammenarbeiten, allerdings immer im Interesse des mexikanischen Volkes.
Mit Bezug auf Trumps Antrittsrede sagte sie: „Das mexikanische Volk kann
sicher sein, dass wir unsere Souveränität und unsere Unabhängigkeit immer
verteidigen werden.“ Es sei immer wichtig, „einen kühlen Kopf zu bewahren�…
Das Land versucht sich auf die vielen Menschen vorzubereiten, die womöglich
bald zurückkommen könnten. Mexiko wolle seine Staatsbürger „mit offenen
Armen“ empfangen, sagte Sheinbaum. Entlang der Grenze zu den USA soll es
Willkommenszentren geben. Die Regierung will die Menschen auch finanziell
dabei unterstützen, in ihre mexikanischen Heimatorte zurückkehren zu
können.
Bloß gibt es ja auch die Mexikaner, die aus ihrer Heimat aus
Sicherheitsgründen geflüchtet sind. „Es gibt Leute, die sind in Gefahr,
wenn sie in ihre Heimatorte zurückgehen“, sagt Regina de la Portilla vom
UNHCR in Mexiko. „Wir müssen dafür sorgen, dass sie sich an anderen Orten
sicher niederlassen können.“
## Korruptionsindex: Rang 140
Bloß wo? Wegen der starken Korruption im Land trauen viele auch den
Behörden nicht. Laut der Nichtregierungsorganisation Transparency
International liegt Mexiko im Korruptionsindex auf Platz 140 von 180
Staaten. Die organisierte Kriminalität hat großen Einfluss auf die Politik.
Tijuana, im Nordwesten Mexikos, grenzt an die USA. Die Stadt hat schon den
Notstand ausgerufen, weil es bald losgehen könnte mit den Abschiebungen.
Bis tief ins Meer hinein ragt hier die Mauer, die die Menschen davon
abhalten soll, irregulär in die USA einzureisen.
Carlos López sitzt gelassen vor seinem kleinen Kiosk auf dem Gelände einer
Geflüchtetenunterkunft in Tijuana. Die meisten, die es bis hier schaffen,
wollen auf die andere Seite. „Klar, unser Traum, unser Ziel waren die USA.“
Er ist mit seiner Frau und den drei Kindern aus El Salvador geflohen. Dort
hatten sie ein kleines Geschäft.
Doch dann begann die Schutzgelderpressung. Mitglieder der Mara Salvatrucha,
einer berüchtigen Mafiagruppe, bedrohten ihn. „Sie sagten, sie wüssten, wo
meine Kinder zur Schule gehen“, sagt López. Das war der Punkt, an dem er
und seine Frau sich entschieden, zu fliehen. Aus Angst, dass die
Bandenkriminalität ihn bis nach Mexiko verfolgen könnte, will auch er
seinen echten Namen nicht veröffentlicht sehen.
## Ein Leben aufbauen
Wie so viele andere überquerten auch López und seine Familie den Fluss im
Süden Mexikos und kamen schließlich 2022 in Tijuana an. In Mexiko erhielten
sie zwar Asyl. Trotzdem wollten sie in die USA weiter. Den Mythos USA
konnte selbst die erste Präsidentschaft von Donald Trump nicht zerstören.
„Alle Migranten und Geflüchteten, die ich auf dem Weg hierher getroffen
habe, sagten, dass sie in die USA wollen. Ich glaube, es sind vor allem
drei Dinge, die die Familien dazu bewegen: Erstens finanzielle Stabilität,
zweitens Sicherheit und drittens die beste Ausbildung für ihre Kinder.“
Finanzielle Stabilität, Legalität, aber auch eine gute Ausbildung sind in
Mexiko durchaus möglich, zumal vor allem Letzteres in den USA teuer ist.
Monatelang wartete auch López darauf, in die USA einreisen zu können. Mit
seiner Familie lebte er in der Geflüchtetenunterkunft – ein riesiger Raum,
der zu einer Kirche gehört. Am Wochenende finden Gottesdienste statt.
Entlang einer Wand aufgereihte Stockbetten, abends werden zusätzlich
Matratzen auf den Steinboden gelegt. Bis zu 3.000 Menschen kommen hier
unter. Und wer schon einmal da ist, muss mithelfen, egal was an Arbeit
anfällt.
„Wir fingen an, Kaffee und Kekse zu verkaufen“, erzählt Perez. „Ich
besorgte eine kleine Thermoskanne, einen kleinen Kocher, um das Wasser zu
erhitzen, eine Kaffeekanne. Ich kann ziemlich gut mit Leuten, als sie mich
dann wiedererkannten, sagten sie immer: „Lass uns zu Carlos gehen.“ Die
Familie verdiente immer besser. „Und als dann mein Termin für die Ausreise
in die USA kam, sagte ich mir, dass ich hier in Tijuana ein Leben habe und
bleiben möchte.“
Gut möglich, dass sich angesichts der immer brutaleren Migrationspolitik in
den USA mehr und mehr Menschen in Mexiko mit diesem Gedanken anfreunden.
Und bleiben.
26 Feb 2025
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[1] https://reporting.unhcr.org/operational/operations/mexico
[2] /Verbrechen-in-Mexiko/!6042386
[3] https://www.inegi.org.mx/contenidos/saladeprensa/boletines/2024/ENSU/ENSU20…
[4] /Praesidentschaftswahl-in-Mexiko/!6011677
[5] /Verhandlungen-zwischen-USA-und-Mexiko/!6067451
## AUTOREN
Maria Caroline Wölfle
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