# taz.de -- Migration: Der Mexican Dream und sein Preis | |
> Auf dem Weg in die USA entscheiden sich immer mehr Migranten, in Mexiko | |
> zu bleiben. Das hilft auch der Wirtschaft. Doch Kriminalität trübt den | |
> Traum. | |
Bild: Keine Mauern, kein Grenzschutz, keine Hindernisse bei der Einreise nach S… | |
Es ist ein Fluss. Ein ganz normaler Fluss, der hier, am südlichsten Zipfel | |
Mexikos, die Grenze zu Guatemala bildet. Nicht besonders breit, nicht | |
besonders wild, das andere Ufer deutlich zu sehen. Suchiate heißt er, | |
gelegen am Städtchen Hidalgo. Ein unspektakuläres Bild. Wären da nicht die | |
Boote, Flöße aus Lastwagenreifen, als Ruder dient ein langer Stab. | |
Es sind Dutzende. Grenzbewohner transportieren damit Waren von der einen | |
auf die andere Seite. Manche der Flöße sind dagegen vollgepackt mit | |
Menschen. Die Überfahrt dauert kaum zehn Minuten, dann haben sie eine | |
weitere Etappe geschafft: die Einreise nach Mexiko. Ohne Grenzbeamte, ohne | |
Stempel im Pass. Irregulär. Das eint diese Menschen genauso wie die | |
Hoffnung auf ein besseres Leben. | |
Sie sind Migranten und Geflüchtete, vor allem aus lateinamerikanischen | |
Ländern, viele aus Honduras und Haiti. Hunderttausende reisen jedes Jahr | |
über Guatemala nach Mexiko ein und weiter Richtung Norden. Ihr Ziel: | |
eigentlich die USA. Mexiko war für Menschen auf der Flucht lange nur | |
Transitland. Doch das ändert sich gerade. | |
Auch Yunaisy Quintro Hernández ist so nach Mexiko eingereist. Heute geht | |
sie durch eine riesige Lagerhalle in der Industriestadt Guadalajara, in | |
Zentralmexiko. Haushohe Regalwände säumen die Gänge, drei Meter über dem | |
Boden läuft ein Band und transportiert kleine Kartons. Entfernt brummt der | |
Motor eines Gabelstaplers, in den Regalen liegen teils überdimensionale | |
Schraubenschlüssel. | |
## Dieselben Rechte wie Mexikaner | |
Hernández arbeitet seit fünf Monaten bei Urrea, einer großen Firma, die | |
Armaturen, Sanitärprodukte und Werkzeug herstellt. Eigentlich ist sie | |
Krankenschwester. Stattdessen kontrolliert sie momentan in der | |
Verpackungsabteilung die Bestellungen, fast vollautomatisch laufen die über | |
die Fließbänder und werden dann verpackt. | |
„Ich fühle mich hier sehr, sehr gut“, sagt Hernández. Sie hat die schwarz… | |
Haare auf dem Kopf zum Dutt gebunden, ihre 45 Jahre sieht man ihr nicht an, | |
kaum eine Falte prägt das Gesicht. Sie lacht viel, spricht schnell. „Meine | |
Kollegen sind cool, wie sie mich ‚Cubanita‘ nennen, kleine Kubanerin. Wir | |
lachen viel miteinander. Und ich habe dieselben Rechte wie eine | |
mexikanische Arbeiterin auch.“ | |
Hernández floh im Februar 2022 aus ihrer Heimat Kuba. Vor der politischen | |
Situation dort, mehr will sie dazu nicht sagen. Mit einem Charterflug ging | |
es für sie nach Nicaragua. Ihr Ziel war Mexiko, von Anfang an. | |
Hier hat sie politisches Asyl beantragt – und es nach gerade einmal vier | |
Monaten auch bekommen. In die USA wollte sie nie. „Ich höre immer, dass es | |
dort viel Diskriminierung gibt, ohne Englisch bekommt man keinen guten | |
Job“, sagt Hernández. „In Mexiko spricht jeder Spanisch, jeder versteht | |
mich, ich verstehe die Mexikaner. Was soll ich in den USA machen? Quatschi, | |
quatschi … und ich verstehe gar nichts?! Dann bleibe ich lieber in Mexiko.“ | |
## Sprunghafter Anstieg von Asylbewerbern | |
Vor allem für Menschen aus Lateinamerika ist das Land attraktiv – sie | |
stammen aus einer ähnlichen Kultur, haben meist die gleiche Religion, | |
sprechen die gleiche Sprache. Das macht es leichter, Fuß zu fassen. | |
Insgesamt 140.777 Menschen haben im Jahr 2023 Asyl in Mexiko beantragt. Zum | |
Vergleich: 2013 waren es lediglich 1.296. Laut dem UNHCR, dem | |
Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen, gehört Mexiko damit zu den | |
sechs Ländern mit den meisten Asylanträgen weltweit. Das UNHCR geht davon | |
aus, dass zwischen 60 und 80 Prozent jener, die hier ankommen, ein Recht | |
auf Asyl haben, also Geflüchtete sind. Bedingt wird dieser Anstieg auch | |
dadurch, dass es Krisen in immer mehr süd- und mittelamerikanischen Staaten | |
gibt. | |
Die Fluchtgründe sind vielfältig: fehlender Zugang zu Bildung, Nahrung oder | |
medizinischer Versorgung, Perspektivlosigkeit und vor allem mangelnde | |
Sicherheit. In einer aktuellen Befragung des UNHCR gaben 70 Prozent an, in | |
ihrem Heimatland Gewalt und Verfolgung zu fürchten. | |
„Ich bin glücklich“, sagt Yunaisy Quintro Hernández. „Ich habe hier so … | |
erreicht, das hätte ich nie für möglich gehalten.“ Sie hat eine kleine | |
Wohnung gemietet und neben der Arbeit bei Urrea studiert sie noch mal, um | |
auch in Mexiko als Krankenschwester arbeiten zu können. Bald sollen ihre | |
beiden erwachsenen Kinder mit Familie nachkommen. | |
## Wirtschaftswachstum durch Einwanderer | |
Dass Hernández in Mexiko so schnell einen Job bekommen hat, hängt auch mit | |
einem [1][UNHCR-Programm] zusammen, das Asylbewerber dabei unterstützt, aus | |
dem ärmeren Süden Mexikos in die Industrieregionen in der Mitte des Landes | |
und im Norden zu kommen. | |
Nach eigenen Angaben hat das UNHCR seit 2016 so schon mehr als 50.000 | |
Menschen in Arbeit gebracht. Bei den Firmen sind Asylbewerber gern gesehene | |
Mitarbeiter. Mexikos Wirtschaft geht es momentan gut. In einer Umfrage | |
gaben im vergangenen Jahr fast 70 Prozent der mexikanischen Arbeitgeber an, | |
Probleme zu haben, offene Stellen zu besetzen. | |
Auch der mexikanische Staat profitiert damit von den Asylbewerbern. Allein | |
jene, die durch das UNHCR Arbeit gefunden haben, erwirtschaften jährlich | |
Steuereinnahmen in Höhe von mehr als 13 Millionen Dollar. Das ist mehr als | |
das gesamte Budget der mexikanischen Asylbehörde Comar. | |
An Comar zeigt sich die Widersprüchlichkeit der Flüchtlingspolitik in | |
Mexiko. Einerseits ist die Anerkennungsquote für Asylbewerber hoch, die | |
Gesetze sind weitreichend und über Anträge wird vergleichsweise schnell | |
entschieden. Maximal 90 Arbeitstage darf es laut Gesetz dauern. | |
## Migranten aus den USA fernhalten | |
Andererseits würde ohne das UNHCR hier nicht viel funktionieren. Das | |
Hilfswerk finanziert 60 bis 70 Prozent des Budgets von Comar. 2023 stoppten | |
die mexikanischen Behörden die Ausgabe von Ausweisdokumenten an | |
Asylbewerber. Vermutlich auch auf Druck aus den USA. Das führte dazu, dass | |
diese kaum noch legal arbeiten, studieren oder auch nur mit öffentlichen | |
Bussen durchs Land reisen können. Auch dadurch sind immer mehr Migranten | |
leichte Beute für organisierte kriminelle Gruppen geworden, die sie | |
erpressen. | |
Mexiko soll die Geflüchteten von der Grenze zu den USA fernhalten – und tut | |
das auch. Die mexikanischen Behörden karren Menschen regelmäßig in Bussen | |
aus dem Norden weiter in den Süden zurück. „Migrationskarussell“ nenne | |
manche Wissenschaftler das schon. | |
Wie Mexiko mit Migranten und Geflüchteten umgeht, das hat letztlich immer | |
auch mit den USA zu tun. Das Nachbarland übt Druck auf die mexikanischen | |
Behörden aus, was mit der erneuten Präsidentschaft von Donald Trump noch | |
zunimmt. Schon im Januar gab es erste Abschiebeflüge aus den USA nach | |
Mexiko und Guatemala. | |
In Mexiko landen dadurch auch Menschen aus anderen Ländern. Die | |
mexikanische Regierung hätte gern, dass diese in ihre Heimat zurückkehren. | |
„Aber über 50 Prozent der Menschen, die hier ankommen, haben Anrecht auf | |
Asyl, weil sie vor Gewalt fliehen“, sagt Regina de la Portilla vom UNHCR in | |
Mexiko. Die Zahl der Asylanträge sei im Dezember und Januar deutlich | |
gestiegen. | |
## Übergriffe, Entführungen, Gewalt | |
Dabei ist das Land nicht ungefährlich für Geflüchtete. 80 bis 90 Prozent | |
jener, die im Norden Mexikos ankommen, also einmal längs durchs ganze Land | |
gereist sind, sagen laut UNHCR, sie hätten unterwegs Gewalterfahrung | |
gemacht. Die Menschen sind ein lukratives Geschäft für [2][die organisierte | |
Kriminalität in Mexiko]. Nicht selten lukrativer als der Drogenhandel. | |
Regelmäßig kommt es zu Entführungen. Insbesondere Frauen und Mädchen müssen | |
zudem sexuelle Übergriffe fürchten. | |
„Migranten sind auch ein Geschäft für die korrupten Leute innerhalb der | |
nationalen Einwanderungsbehörde“, sagt die mexikanische Journalistin Marta | |
Durán de Huerta – also auch für Teile der Polizei und der Nationalgarde, | |
die die Grenze eigentlich überwachen soll. Durán de Huerta beschäftigt sich | |
seit Jahren mit diesem Thema. „Tatsächlich überwachen sie nicht die Grenze, | |
sie administrieren dieses Geschäft mit den Migranten.“ | |
Wer es bis nach Mexiko geschafft hat, schließt sich auf dem Weg weiter nach | |
Norden deshalb meist einer der Karawanen an, die in Tapachula starten. Die | |
Stadt liegt knapp 40 Kilometer entfernt vom inoffiziellen Grenzübergang am | |
Fluss im Süden Mexikos. | |
Maria Díaz kam vor drei Wochen in Mexiko an, lebt momentan zusammen mit | |
ihrem Mann und ihrem 14-jährigen Sohn in Tapachula in einer Unterkunft für | |
Geflüchtete. Aufeinander gestapelte Container bilden zwei Stockwerke, in | |
einem begrünten Innenhof sitzen Menschen an Tischen und unterhalten sich, | |
von irgendwoher dröhnt Musik. Auf einem Basketballplatz spielen sich | |
Jugendliche eifrig die Bälle hin und her. Alles wirkt auffallend sauber und | |
geordnet. | |
## Durch den Albtraum zum Traum | |
Maria Díaz ist erleichtert. Kein Wunder, sie hat ihr Ziel erreicht: Mexiko. | |
Díaz heißt eigentlich anders. Sie möchte unerkannt bleiben, aus Angst um | |
ihre Sicherheit. In ihrer Heimat Venezuela verkaufte sie Empanadas und | |
Arepas, also Teigtaschen und Maisfladen. „Das hat ausgereicht, damit wir | |
über die Runden kommen“, sagt sie. | |
Aber Venezuela steckt in einer politischen und wirtschaftlichen Krise, die | |
öffentliche Versorgung findet kaum noch statt, es fehlt an Wasser, | |
medizinischer Versorgung, Strom. „Ich bin zusammen mit anderen auf die | |
Straße gegangen, um dagegen zu protestieren“, erzählt Díaz. „Aber | |
bewaffnete Milizen haben uns vertrieben. Und dann auch angefangen, mich zu | |
bedrohen.“ Die Milizen seien sogar zu ihr nach Hause gekommen. Obwohl die | |
Behörden davon wussten, hätten sie nichts dagegen gemacht. | |
Also entschlossen sie und ihr Mann sich, aus Venezuela zu fliehen – nach | |
Mexiko. „Meine Mama hat immer mexikanische Filme geschaut, daher kannte ich | |
das“, sagt Díaz lachend. „Dass ich jetzt wirklich hier bin, das ist immer | |
noch wie ein Traum.“ | |
Die Fluchtroute sei dagegen ein Albtraum gewesen. Am schlimmsten sei es im | |
Dschungel an der Grenze zu Panama gewesen, dort waren Díaz und ihre Familie | |
mit einer größeren Gruppe von Flüchtenden unterwegs. „Eine bewaffnete | |
Gruppe hat uns überfallen, festgehalten und ausgeraubt“, erzählt Díaz. „… | |
haben die Männer geschlagen und fünf Frauen vergewaltigt, darunter sogar | |
ein Mädchen, das gerade mal zwölf Jahre alt war.“ | |
## Eines der gefährlichsten Länder | |
Zwei weitere Male wurde die Familie verschleppt und ausgeraubt. Zuletzt in | |
Guatemala, als sie auf das Floß steigen wollten, um den Grenzfluss zu | |
überqueren. Erst als sie 60 Dollar pro Kopf zahlten, wurden sie wieder | |
freigelassen. Als Zahlungsbestätigung bekamen sie einen Stempel auf den | |
Unterarm. „Ich wusste, dass wir Geld zahlen müssen, um bis nach Mexiko zu | |
kommen. Aber ich hätte nie gedacht, dass ich solche Gewalt würde miterleben | |
müssen, dass sie uns alles wegnehmen würden, Essen, unsere Kleidung, alle | |
Dokumente.“ | |
Maria Díaz wünscht sich nun vor allem Stabilität und Bildung für ihren | |
Sohn. „In einem Land zu sein, in dem wir morgens, mittags und abends zu | |
essen haben, ein Dach über dem Kopf … für mich ist es schon ausreichend, in | |
meinem eigenen Haus nicht bedroht zu werden.“ | |
Doch das ist auch in Mexiko nicht garantiert. Zwischen 70 und 100 Menschen | |
wurden im Jahr 2024 im dem knapp 130 Millionen Einwohner zählenden Land | |
jeden Tag ermordet oder verschleppt. Die organisierte Kriminalität ist in | |
allen Landesteilen aktiv. Etwa [3][60 Prozent der Mexikaner in urbanen | |
Regionen fühlen sich laut einer staatlichen Umfrage unsicher]. | |
Das mexikanische Institut für Menschenrechte und Demokratie schätzt zudem | |
die Zahl der als verschwunden gemeldeten Menschen für das Jahr 2024 auf | |
knapp 120.000. Wer über diese Missstände berichtet, wird selbst zur | |
Zielscheibe. Mexiko gehört laut Reporter ohne Grenzen weltweit zu den | |
gefährlichsten Ländern für Journalisten. | |
## Die Gastfreundlichkeit nimmt ab | |
Kein Wunder, dass auch aus Mexiko im Laufe der Jahre Millionen Menschen in | |
die USA ausgewandert sind. Aber vielleicht ist die Gesellschaft hier auch | |
deshalb offen und hilfsbereit gegenüber anderen Migranten. „Mexiko war | |
immer gastfreundlich, einfühlsam, hat alles getan, um den Schwächsten zu | |
helfen“, sagt die Ordensschwester María Magdalena Silva Rentería. Sie sitzt | |
in einem Besprechungsraum mit langem Tisch aus dunklem Holz in | |
Mexiko-Stadt. Vom Erdgeschoss eine Etage tiefer schallt Kinderlärm hoch und | |
ein Wirrwarr aus Stimmen und Gesprächsfetzen. | |
Schwester Magda, wie sie hier alle nennen, leitet Cafémino, eine Unterkunft | |
für geflüchtete Frauen und Familien. Sie strahlt Freundlichkeit und | |
Autorität aus. Kurzhaarschnitt, bequeme Schnürschuhe, leicht lächelnd. | |
Schwester Magda kennt sich aus mit dem Thema Migration, hat etwa mehrfach | |
die Karawanen begleitet, zu denen sich Migranten zum eigenen Schutz | |
zusammentun. „Auf dem Weg haben uns Menschen immer wieder Essen und Hilfe | |
angeboten.“ | |
Aber auch in der mexikanischen Gesellschaft verändert sich gerade etwas. | |
„Letztes Jahr haben wir zum ersten Mal Ablehnung von den Nachbarn | |
erfahren“, sagt Schwester Magda. „Vorher war es stets ein schönes | |
Zusammenleben.“ | |
Nicht weit entfernt haben Geflüchtete an einem Bahngleis ihre provisorische | |
Unterkunft aufgeschlagen. Zelte und Bretterverschläge, links und rechts vom | |
Gleis, kaum einen halben Meter von diesem entfernt. Es ist ein | |
inoffizielles Flüchtlingslager, von denen es in der Stadt immer mehr gibt. | |
Das löst wiederum mehr und mehr Unmut in der mexikanischen Bevölkerung aus. | |
## Brücken statt Mauern | |
Insbesondere gegen solche Lager gibt es zunehmend Protest in der | |
Bevölkerung. Laut einer Umfrage des UNHCR glauben 64 Prozent der Mexikaner, | |
dass Konflikte und Spannungen in der Gesellschaft „sehr“ oder „etwas“ a… | |
Migranten zurückzuführen sind. | |
Ob die Ablehnung gegenüber Geflüchteten und Migranten weiter zunimmt, hängt | |
wohl vor allem damit zusammen, wie [4][Präsidentin Claudia Sheinbaum] und | |
ihre Regierung mit dem Thema umgehen. Und ob sie das Land ausreichend | |
darauf vorbereiten, dass Donald Trump seine Drohungen wahr macht – die | |
Grenze der USA noch weiter aufzurüsten und Millionen Migranten | |
abzuschieben. | |
In seiner Antrittsrede sprach er von einer „katastrophalen Invasion“ in | |
die USA, per Dekret erklärte er schon am ersten Tag seiner Amtszeit den | |
nationalen Notstand an der Südgrenze des Landes. Zudem stellte er CPB One | |
ein, eine App, über die Termine für Asylanträge vereinbart werden können. | |
Bereits geplante wurden schlicht storniert. | |
Im November 2024 hatte Trump behauptet, Sheinbaum habe zugesichert, die | |
Migration über die mexikanische Grenze zu stoppen. Die erwiderte auf X, | |
Mexikos Position bestehe nicht darin, Grenzen zu schließen, „sondern | |
Brücken zwischen Regierungen und Völkern zu bauen“. | |
## Hilfe für die Deportierten | |
Mexiko ist wirtschaftlich von den USA abhängig, exportiert mehr als 83 | |
Prozent seiner Produkte dorthin. Hinzu kommen die Überweisungen von in den | |
USA lebenden Mexikanern, einer der wichtigsten Devisenbringer. Gleichzeitig | |
importieren die USA mehr aus Mexiko als aus China. Trump hatte zwar Anfang | |
Februar Zölle in Höhe von 25 Prozent auf die meisten Importe aus Mexiko | |
angeordnet. Kurz darauf vereinbarte er aber mit dem Nachbarland, [5][die | |
Zölle für 30 Tage auszusetzen]. Die Drohung bleibt bestehen. | |
Mexikos Präsidentin Claudia Sheinbaum erklärte, sie wolle mit den USA | |
zusammenarbeiten, allerdings immer im Interesse des mexikanischen Volkes. | |
Mit Bezug auf Trumps Antrittsrede sagte sie: „Das mexikanische Volk kann | |
sicher sein, dass wir unsere Souveränität und unsere Unabhängigkeit immer | |
verteidigen werden.“ Es sei immer wichtig, „einen kühlen Kopf zu bewahren�… | |
Das Land versucht sich auf die vielen Menschen vorzubereiten, die womöglich | |
bald zurückkommen könnten. Mexiko wolle seine Staatsbürger „mit offenen | |
Armen“ empfangen, sagte Sheinbaum. Entlang der Grenze zu den USA soll es | |
Willkommenszentren geben. Die Regierung will die Menschen auch finanziell | |
dabei unterstützen, in ihre mexikanischen Heimatorte zurückkehren zu | |
können. | |
Bloß gibt es ja auch die Mexikaner, die aus ihrer Heimat aus | |
Sicherheitsgründen geflüchtet sind. „Es gibt Leute, die sind in Gefahr, | |
wenn sie in ihre Heimatorte zurückgehen“, sagt Regina de la Portilla vom | |
UNHCR in Mexiko. „Wir müssen dafür sorgen, dass sie sich an anderen Orten | |
sicher niederlassen können.“ | |
## Korruptionsindex: Rang 140 | |
Bloß wo? Wegen der starken Korruption im Land trauen viele auch den | |
Behörden nicht. Laut der Nichtregierungsorganisation Transparency | |
International liegt Mexiko im Korruptionsindex auf Platz 140 von 180 | |
Staaten. Die organisierte Kriminalität hat großen Einfluss auf die Politik. | |
Tijuana, im Nordwesten Mexikos, grenzt an die USA. Die Stadt hat schon den | |
Notstand ausgerufen, weil es bald losgehen könnte mit den Abschiebungen. | |
Bis tief ins Meer hinein ragt hier die Mauer, die die Menschen davon | |
abhalten soll, irregulär in die USA einzureisen. | |
Carlos López sitzt gelassen vor seinem kleinen Kiosk auf dem Gelände einer | |
Geflüchtetenunterkunft in Tijuana. Die meisten, die es bis hier schaffen, | |
wollen auf die andere Seite. „Klar, unser Traum, unser Ziel waren die USA.“ | |
Er ist mit seiner Frau und den drei Kindern aus El Salvador geflohen. Dort | |
hatten sie ein kleines Geschäft. | |
Doch dann begann die Schutzgelderpressung. Mitglieder der Mara Salvatrucha, | |
einer berüchtigen Mafiagruppe, bedrohten ihn. „Sie sagten, sie wüssten, wo | |
meine Kinder zur Schule gehen“, sagt López. Das war der Punkt, an dem er | |
und seine Frau sich entschieden, zu fliehen. Aus Angst, dass die | |
Bandenkriminalität ihn bis nach Mexiko verfolgen könnte, will auch er | |
seinen echten Namen nicht veröffentlicht sehen. | |
## Ein Leben aufbauen | |
Wie so viele andere überquerten auch López und seine Familie den Fluss im | |
Süden Mexikos und kamen schließlich 2022 in Tijuana an. In Mexiko erhielten | |
sie zwar Asyl. Trotzdem wollten sie in die USA weiter. Den Mythos USA | |
konnte selbst die erste Präsidentschaft von Donald Trump nicht zerstören. | |
„Alle Migranten und Geflüchteten, die ich auf dem Weg hierher getroffen | |
habe, sagten, dass sie in die USA wollen. Ich glaube, es sind vor allem | |
drei Dinge, die die Familien dazu bewegen: Erstens finanzielle Stabilität, | |
zweitens Sicherheit und drittens die beste Ausbildung für ihre Kinder.“ | |
Finanzielle Stabilität, Legalität, aber auch eine gute Ausbildung sind in | |
Mexiko durchaus möglich, zumal vor allem Letzteres in den USA teuer ist. | |
Monatelang wartete auch López darauf, in die USA einreisen zu können. Mit | |
seiner Familie lebte er in der Geflüchtetenunterkunft – ein riesiger Raum, | |
der zu einer Kirche gehört. Am Wochenende finden Gottesdienste statt. | |
Entlang einer Wand aufgereihte Stockbetten, abends werden zusätzlich | |
Matratzen auf den Steinboden gelegt. Bis zu 3.000 Menschen kommen hier | |
unter. Und wer schon einmal da ist, muss mithelfen, egal was an Arbeit | |
anfällt. | |
„Wir fingen an, Kaffee und Kekse zu verkaufen“, erzählt Perez. „Ich | |
besorgte eine kleine Thermoskanne, einen kleinen Kocher, um das Wasser zu | |
erhitzen, eine Kaffeekanne. Ich kann ziemlich gut mit Leuten, als sie mich | |
dann wiedererkannten, sagten sie immer: „Lass uns zu Carlos gehen.“ Die | |
Familie verdiente immer besser. „Und als dann mein Termin für die Ausreise | |
in die USA kam, sagte ich mir, dass ich hier in Tijuana ein Leben habe und | |
bleiben möchte.“ | |
Gut möglich, dass sich angesichts der immer brutaleren Migrationspolitik in | |
den USA mehr und mehr Menschen in Mexiko mit diesem Gedanken anfreunden. | |
Und bleiben. | |
26 Feb 2025 | |
## LINKS | |
[1] https://reporting.unhcr.org/operational/operations/mexico | |
[2] /Verbrechen-in-Mexiko/!6042386 | |
[3] https://www.inegi.org.mx/contenidos/saladeprensa/boletines/2024/ENSU/ENSU20… | |
[4] /Praesidentschaftswahl-in-Mexiko/!6011677 | |
[5] /Verhandlungen-zwischen-USA-und-Mexiko/!6067451 | |
## AUTOREN | |
Maria Caroline Wölfle | |
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