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# taz.de -- Kanzleramtsminister Wolfgang Schmidt: Die rechte Hand von Olaf Scho…
> Wolfgang Schmidt arbeitete viele Jahre in zentralen Schaltstellen der
> Macht. Jetzt bewirbt er sich erstmals um ein Parlamentsmandat.
Bild: Wolfgang Schmidt macht Wahlkampf bei Hamburger Schietwetter
Wolfgang Schmidt ist das Duracell-Männchen des Berliner Politikbetriebs:
Tag und Nacht im Einsatz, um Kompromisse zu schmieden, Probleme
wegzuräumen, in Hintergrundrunden und auf Partys die Politik seines Chefs
zu erklären. Sein Chef ist Olaf Scholz, Schmidt der engste politische
Vertraute des Kanzlers. Jetzt bereitet er sich auf die Zeit danach vor.
An der Seite von Scholz ist Schmidt in immer höhere Sphären der Macht
geklettert: ab 2002 persönlicher Referent des SPD-Generalsekretärs, 2005
Büroleiter des Parlamentarischen Geschäftsführers der SPD-Fraktion, 2007
Leiter des Planungsstabs im Ministerium für Arbeit und Soziales, 2018 Chef
der Leitungsabteilung im Finanzministerium.
Nun, nach gut drei Jahren im Kanzleramt, droht für den 55-jährigen diese
Reise zu Ende zu gehen. Er, der 2021 Journalisten vorrechnete, wie Scholz
gegen alle Erwartung die Bundestagswahl gewinnen und Kanzler werden würde,
sichert sich nun zumindest ab: Im Hamburger Bezirk [1][Eimsbüttlel bewirbt
er sich für die SPD um ein Direktmandat].
Bestens vernetzt und kommunikativ wie kein anderer schaffte er es auch auf
Platz eins der Landesliste. Eine sichere Bank ist das trotzdem nicht. Im
Wahlkreis sind die Grünen stark und wegen des neuen Wahlrechts wird Hamburg
nicht mehr alle Direktkandidaten durchbringen. „Er geht für jemanden, der
ein so hohes Amt innehat, ein hohes Risiko ein“, findet Niels Annen, der
dieses Direktmandat vor drei Jahren an die Grünen verlor.
## Von der linken Szene enttäuscht
Jetzt heißt es also Klinken putzen für Wolfgang Schmidt. Haustürwahlkampf
sei „beglückend“, versichert er bei einer Podiumsdiskussion in der Bucerius
Law School in Hamburg, „wegen der direkten Kommunikation“. Wenn dann einer
„bäh“ sagt, wenn er hört, dass er SPD wählen soll, sagt Schmidt: „Sche…
Sie mir zwei, drei Sätze, warum nicht.“ Meistens funktioniere das, nur
nicht mit den „25 Prozent, die tatsächlich auf einem anderen Planeten
unterwegs sind“.
Bei der Podiumsdiskussion im mit 500 Leuten annähernd voll besetzten
Auditorium geht es um den konstruktiven Dialog. „Es wird immer dann
schwierig, wenn Politik suggeriert, ihr Job sei nur das Zuhören“, sagt
Schmidt. Sich bei der Wählerschaft anzubiedern, Augenhöhe zu simulieren,
mag er nicht leiden. „Die Politik muss sagen: Das ist meine Überzeugung –
und für die kämpfe ich auch.“
Schmidt hat bei der Landesschülerkammer Hamburg angefangen, Politik zu
machen. Als Erfolg verbucht er die Abschaffung der Zensur bei den
Schülerzeitungen. 1989 trat er der SPD bei, 2001 bis 2004 saß er im
[2][Bundesvorstand der Jusos]. Der ehemalige Juso Schmidt glaubt an die
Kraft des guten Arguments – und vielleicht auch der guten Absichten. Dass
das nach hinten losgehen kann, zeigte der [3][G20-Gipfel in Hamburg].
Scholz wollte die Konferenz unbedingt – eine Chance, der Stadt nach der vom
Volk abgelehnten Olympia-Bewerbung internationale Aufmerksamkeit zu
verschaffen.
Schmidt und Scholz war klar, dass mit Protesten zu rechnen sein würde. Zur
Befriedung organisierten sie ein Programm mit kritischen
Begleitveranstaltungen. „Wolfgang und Olaf sahen sich als Speerspitze der
Bewegung“, erinnert sich der ehemalige taz-Redakteur Marco Carini. Trotzdem
brannten Barrikaden im Schanzenviertel. Die Fernsehbilder mit Rauchwolken
über der Stadt gingen um die Welt. Schmidt und Scholz seien „menschlich
tief enttäuscht“ gewesen von der linksradikalen Szene, sagt Carini.
## im Dickicht des Mikromanagements
Um seiner Sicht der Dinge Geltung zu verschaffen, schreckt Schmidt auch
nicht davon zurück, mitten in der Nacht zu twittern und E-Mails zu
versenden. Carini erinnert sich, nachts um drei eine ellenlange Mail
erhalten zu haben, in der Schmidt ausführte, was aus seiner Sicht an der
Berichterstattung über den Cum-Ex-Ausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft
nicht stimmte.
In dem Ausschuss ging es darum, ob Scholz auf das Finanzamt Einfluss
genommen hatte, um zu verhindern, dass die Warburg-Bank Steuererstattungen
von rund 90 Millionen Euro an den Staat zurückzahlen musste. [4][Scholz
konnte sich angeblich an den konkreten Inhalt der Gespräche mit dem Bankier
Christian Olearius] nicht erinnern. Bei seiner [5][Befragung im Ausschuss
antwortete Schmidt] zwar, er könne zum Thema Einflussnahme nichts
beitragen. Dann setzte er zu einem einstündigen Vortrag an, in dem er seine
Erkenntnisse zur Cum-Ex-Affäre ausbreitete, die er zwar nicht „aus
dienstlicher Kenntnis“ gewonnen, sich aber angelesen und als Jurist
bewertet habe.
Die Faktensicherheit und die Befassung mit den Details scheint etwas zu
sein, das ihn mit seinem Chef verbindet. Schmidt sei wie Scholz häufig
besser über den jeweiligen Sachstand informiert als die zuständigen
Minister, ist zu hören. Bei Verhandlungen setzt er sich im Zweifel selbst
an den Computer und formuliert ein Kompromisspapier. „Schmidt besitzt eine
Stärke, die auch schnell zur Schwäche werden kann: in großen Linien zu
denken und sich im selben Augenblick im Dickicht des Mikromanagements zu
verlieren“, schrieb Der Spiegel.
Schmidts große Begabung liegt im Kommunikativen. Er ist ein Duzer und
Umarmer und ein Gesprächspartner, der immer ein bisschen länger durchhält
als andere. Manche empfinden das als Überwältigungsstrategie. 2011, nachdem
Olaf Scholz zum Hamburger Bürgermeister gewählt worden war, wurde er nicht
Chef der Senatskanzlei, sondern Bevollmächtigter beim Bund – der
Botschafter der Stadt. Für Schmidt mit seiner Ausdauer beim Feiern war das
eine ideale Rolle.
Schmidt habe die Landesvertretung „zu einem Ort gemacht, an dem sehr viel
Politik gestaltet wurde“, sagt Annen. Politiker, Journalisten und
Diplomaten trafen sich gerne hier, aber auch Musiker und Autoren. In
durchaus lockerer Atmosphäre: Der Hamburger Automaten-Verband teilt mit,
ein von ihm gestifteter Tischkicker sei „begeistert“ angenommen worden.
## Wenn drei sich streiten
Als Chef des Bundeskanzleramts gehörte es zu Schmidts Aufgaben, die
Ampelkoalition zusammenzuhalten. Damit, kann man nüchtern feststellen, ist
er gescheitert. Seines und des Kanzlers Pech war, dass das
Bundesverfassungsgericht der Ampelkoalition im November 2023 quasi die
Geschäftsgrundlage entzog. Die Koalition hatte geplant, [6][60 Milliarden
Euro ungenutzte Kreditermächtigungen für Coronahilfen in seinen Klima- und
Transformationsfonds zu verschieben], um damit Investitionen zu
finanzieren. Das Gericht erklärte das für verfassungswidrig.
Der Plan der Ampel war gewesen, die Schuldenbremse zu umgehen, auf der
Bundesfinanzminister Christian Lindner bestand. Bei der SPD hatte schon in
Scholzens Zeit als Bundesfinanzminister ein Umdenken mit Blick auf die
Schuldenbremse eingesetzt. Schmidt und Scholz rekrutierten [7][Leute wie
den Ökonomen Jakob von Weizsäcker, der sich gemeinsame europäische Schulden
vorstellen konnte, oder Philippa Sigl-Glöckner].
Die 34-jährige Ökonomin ist Direktorin der überparteilichen [8][Denkfabrik
Dezernat Zukunft], gehört dem wirtschaftspolitischen Beirat der SPD an und
ist mit Schmidt liiert. Sigl-Glöckner hält die Schuldenbremse für verfehlt,
weil sie Deutschland daran hindere, in seine Infrastruktur und die Bildung
zu investieren.
War die Koalition mit der FDP wegen der Schuldenbremse zum Scheitern
verurteilt? „Sich als Sozialdemokrat in Christian Lindner hineinzuversetzen
ist nicht die allereinfachste Übung“, sagt Schmidt an dem Abend in der
Bucerius Law School. Besonders schwer sei es, dem Publikum die Politik
eines Dreierbündnisses zu vermitteln, wo ständig Kompromisse zu finden
seien, die einem gegen den Strich gingen. Für die Öffentlichkeit sei ein
solches zerstritten wirkendes Bündnis noch ungewohnt, sagt Schmidt.
Im Wahlkampf um das Bundestagsmandat wird das wohl weniger eine Rolle
spielen. In den Bürgergesprächen würden andere Themen verhandelt als in der
Berliner Politik, sagt Schmidt. Er schaue sich genau an, welche Themen in
der Post ans Kanzleramt auftauchten, um zu erspüren, was tatsächlich los
sei im Land. „Das ist es, warum ich Politik mache“, sagt Schmidt. Das
müssen ihm die Wähler jetzt nur noch abkaufen.
17 Feb 2025
## LINKS
[1] /Kanzleramtschef-Wolfgang-Schmidt/!6031839
[2] /Hamburger-SPD-Abgeordneter-Niels-Annen/!6018243
[3] /Gericht-zu-G20-Protestcamp/!6053542
[4] /Finanzexperte-ueber-Cum-Ex-Skandal/!5875610
[5] /Kanzleramtschef-im-Cum-Ex-Ausschuss/!5885016
[6] /Milliardenproblem-der-Bundesregierung/!5972551
[7] https://foreignpolicy.com/2021/10/08/olaf-scholzs-quiet-revolution-in-germa…
[8] https://dezernatzukunft.org/ueberuns/
## AUTOREN
Gernot Knödler
## TAGS
Wahlkampf
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Olaf Scholz
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