# taz.de -- Verpasste Themen im Bundestagswahlkampf: Natur hat keine Lobby | |
> Schon der Klimaschutz spielt im Wahlkampf eine untergeordnete Rolle. Da | |
> hat der essentiell wichtige Naturschutz erst recht keine Chance. | |
Bild: Zur Überraschung aller ist den Anzahl der Schwarzspecht Lobbist:innen ü… | |
Schwarzspecht, Waldameise, Biber und Bachforelle haben es nicht in den | |
Wahlkampf geschafft. Ihr Lebensraum in Wäldern und Flüssen kommt nur im | |
Wahlprogramm der Grünen vor, doch über die Vielfalt im Unterholz sprechen | |
auch sie nicht. Was auch für ein drolliges Ansinnen, über den Lebensraum | |
von Pflanzen und Tieren zu debattieren, wenn doch niemand über bezahlbaren | |
Wohnraum, öffentlichen Nahverkehr, die Zukunft der Mobilität, Rente, | |
Pflegenotstand und das Klima spricht? Immerhin hat Grünen-Kanzlerkandidat | |
Robert Habeck auf den letzten Metern seiner Regierungsverantwortung noch in | |
die letzte Bundestagssitzung dieser Legislatur [1][das Klima] eingebracht. | |
Ansonsten wird vor allem der [2][Mangel an Klimapolitik im Wahlkampf] | |
beklagt, so schafft es das Klima wenigstens über seine politische | |
Abwesenheit eine gewisse mediale Aufmerksamkeit zu erlangen. Die Natur | |
indes nicht. Dabei könnten Parteien Wähler:innen damit gewinnen. 85 | |
Prozent der Erwachsenen finden laut staatlicher Naturbewusstseinsstudie, | |
dass die Erhaltung und Wiederherstellung von Ökosystemen eine vorrangige | |
gesellschaftliche Aufgabe darstellen. | |
Die meisten Menschen kennen das wunderbare Gefühl, durch den Wald zu gehen, | |
im See zu baden, den Flug der Kraniche zu beobachten. Natur bietet Gefühle, | |
die Parteistrategen nutzen könnten. Und jede Menge Fakten, denn Wälder, | |
Flüsse, Seen, [3][Moore] bilden vermutlich die einzigen Chancen für unser | |
Leben in der Erderwärmung. Trinkwasser, staubarme Atemluft und Entspannung | |
von überhitzten Städten findet man nur in der Natur. Gesetze, die diese | |
wissenschaftlichen Fakten umsetzen, gibt es reichlich. | |
Aber dabei bleibt es dann. SPD, FDP und Grüne vermochten es in drei Jahren | |
ihrer Regierungszeit nicht, das 50 Jahre alte [4][Bundeswaldgesetz] | |
ökologischer zu gestalten. Oder die überfällige EU-Wasserrahmenrichtlinie | |
umzusetzen und dafür zu sorgen, dass mehr Flüsse in einen ökologisch guten | |
Zustand versetzt werden. Die Ampelparteien haben auch nicht ernsthaft die | |
EU-Biodiversitätsstrategie umgesetzt oder ihre selbst gesteckten Ziele der | |
nationalen Biodiversitätsstrategie erreicht. Schon die vorherigen | |
Bundesregierungen wollten zehn Prozent der Wälder nicht länger | |
wirtschaftlich nutzen und zwei Prozent des Landes der Natur als | |
Wildnisflächen überlassen. | |
## 1,2 Milliarden Euro für 9.000 Projekte | |
Alles Theorie. Wer sollte sie auch ins Leben bringen? Die Bundesländer | |
schleifen die unteren Naturschutzbehörden seit Jahrzehnten, dabei sollen | |
sie die Gesetze zum Schutz und Wiederaufbau der Natur umsetzen. Mit etwas | |
Glück harren noch ein paar Mitarbeiter:innen und Beamte kurz vor ihrer | |
Pension in den Amtsstuben und nehmen die Beschwerden von Bürger:innen zu | |
Bauschutt im Wald oder einem planierten Bachbett im Naturschutzgebiet | |
entgegen. Die EU-Verordnung zur Wiederherstellung der Natur werden die | |
hauptamtlichen Naturschützer:innen nicht umsetzen. | |
Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) lobt ihre Amtszeit gern damit, | |
dass sie 1,2 Milliarden Euro für 9.000 Projekte im Aktionsprogramm | |
Natürlicher Klimaschutz ausgibt. In Wäldern sollen mit dem Geld mehr | |
Laubbäume finanziert, ein paar Hektar Moor vernässt, Flussauen verbreitert | |
und Seegraswiesen ausgeweitet werden. | |
Prima, doch es genügt nicht, mehr Geld in einzelne Projekte zu geben und | |
die staatlichen Aufgaben den ehrpusseligen Naturschützer:innen in den | |
Verbänden zu überlassen. In befristeter Zeit sollen unterfinanzierte | |
Projektmitarbeiter:innen mit Teilzeitverträgen der Bundesrepublik | |
Deutschland dabei helfen, internationale Verträge und EU-Gesetze | |
einzuhalten. | |
Dank dieser Arbeitsteilung dicken die größten ungelösten Probleme am Grund | |
der Seen und an den Ufern der Flüsse ein. Sie sind so mächtig, dass sich | |
keine demokratische Partei von rot über grün bis schwarz daranmacht, eine | |
Lösung anzusprechen. Sie überlassen den Rechten das Feld, die jedoch | |
Umwelt- und Naturschutzverbände bedrohen, diffamieren und Projektgelder | |
streichen wollen. Rechtsextreme in der AfD und die Marktradikalen der FDP | |
können mit der Natur des Lebens nichts anfangen. | |
In rechter und libertärer Ideologie ist nur die tote Natur gute Natur. Die | |
entwässerte, begradigte, entlaubte Natur beuten die Marktliberalen aus. Die | |
FDP gewährte kürzlich einen Einblick in ihre Pläne für Natur und Umwelt, | |
als sie tönte, nach einem Wahlsieg das „Bundesumweltamt“ abzuschaffen. Sie | |
meinten das Umweltbundesamt und wollen „Kernaufgaben ins Bundesamt für | |
Naturschutz (BfN) integrieren“, wie sie in ihrem Thesenpapier „Der Staat | |
muss schlanker werden“ schreiben. Das BfN soll demnach auch die | |
„Kernaufgaben“ für Strahlenschutz und Risikobewertung übernehmen. Eine | |
derartige Überfrachtung mit Aufgaben schwächt das BfN, das alle verfügbaren | |
Kräfte auf den gesetzlich verordneten und ökologisch gebotenen Naturschutz | |
bündeln sollte. | |
## Wölfe dürfen getötet werden | |
Die Pläne zur Entrechtung der Natur haben es aus rechter Ideologie in den | |
politischen Mainstream geschafft. Der beginnt gerade bei der geplanten | |
Herabstufung des internationalen Schutzstatus [5][europäischer Wölfe], | |
gegen die sämtliche wissenschaftlichen und ökologischen Fakten sprechen. | |
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und eine große Schar | |
europäischer Politiker:innen wie Steffi Lemke und Robert Habeck haben | |
den Wolf auf EU-Ebene herabgesetzt. Im März wollen sie dafür sorgen, dass | |
die Berner Konvention geändert wird und ganze Wolffamilien getötet werden | |
dürfen. Diesen Plan verfolgen Rechte, seit das erste Wolfsrudel vor 25 | |
Jahren in der Lausitz siedelte. | |
Noch können die Demokrat:innen in Europa den Rechtsruck gegen die Natur | |
stoppen. Der rechte Hass auf das Fremde manifestiert sich nicht nur gegen | |
den Wolf, sondern auch gegen Luchs, Fischotter, Braunbären, Mäusebussarde, | |
die eine ökologische Nische im kontrollierten Deutschland suchen. | |
21 Feb 2025 | |
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## AUTOREN | |
Ulrike Fokken | |
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