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# taz.de -- Lesbische AfD-Chefin Alice Weidel: Rechtsextremes Leitbild
> AfD-Chefin Alice Weidel ist rechtsextrem und lesbisch. In einer TV-Runde
> am Montagabend clashten mal wieder ihre Nebenwidersprüche.
Bild: Rechtsextremismus stinkt auch in bunten Socken: Alice Weidels (AfD) vielf…
Berlin taz | Inge Wolf aus der Nordeifel wirkt nicht überzeugt, zieht
skeptisch ihre Augenbrauen hoch und fragt AfD-Chefin Alice Weidel: „Und sie
glauben, dass Herr Höcke das auch so sieht?“ Das Studio lacht. Weidel auch.
Und da ist sie wieder: [1][Weidels kognitive Dissonanz]. Nach ihrem spitzen
Lachen sagt sie: „Ich glaube schon.“ Sie nehme die Frage mal mit.
Direkt davor hat Weidel in [2][der TV-Runde mit Publikumsfragen] versucht,
ihren eigenen nicht auflösbaren Nebenwiderspruch zu erklären: Dass sie
trotz ihres eigenen Lebensmodells, einer homosexuellen Partnerschaft mit
zwei Kindern, das Familienbild der AfD vertreten könne. Das besteht
bekanntlich aus „Vater, Mutter“ und möglichst vielen Kindern als „Keimze…
der Gesellschaft“.
Weidel selbst lebt hingegen in einer homosexuellen Partnerschaft mit zwei
Kindern. Wohnsitz ihrer Regenbogenfamilie: Einsiedel in der Schweiz. Ihre
Frau stammt aus Sri Lanka. Schwer vorstellbar, wie sie gemeinsam mit ihrer
Familie etwa im thüringischen Sonneberg Urlaub machen würde, [3][wo
rechtsextreme Straftaten explodiert sind], seitdem der erste AfD-Landrat im
Amt ist. Auch die Fernsehsendung am Dienstagabend hat es mal wieder
gezeigt: Die Widersprüche von Alice Weidel scheinen auf den ersten Blick
übergroß. Gleich drei Zuschauer fragten dazu nach.
Weidel bekam das – wie schon des öfteren – nicht aufgelöst. Am Ende hielt
sie für AfD-Verhältnisse gar so etwas wie ein Plädoyer für die
Gleichstellung: Sie lebe in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft und
glaube, dass diese mit der Ehe gleichgesetzt werden sollte – „ohne das
Institut der Ehe zwischen Mann und Frau zu berühren“, wie Weidel sagte. Auf
die irritierte Nachfrage eines mittelalten Mannes mit Bart und Brille,
warum das dann nicht im Parteiprogramm stünde, antwortete sie: „Weil es
selbstverständlich ist. Natürlich. Warum sollten ich und meine Frau nicht
gleichgestellt sein wie in normaler Ehe?“ Am Ende lobte sie sogar Robert
Habeck mit etwas süffisantem Unterton und schelmischen Grinsen: „Weiter so,
Frau Weidel!“
## Höcke sieht das durchaus anders
2017 wollte Weidel den Thüringer AfD-Chef Björn Höcke noch wegen seiner
„Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus“ aus der Partei
ausschließen. Mittlerweile umarmen die beiden sich bei gemeinsamen
Auftritten. Beim Familienmodell haben sie weniger Übereinstimmungen: Höcke
hielt unlängst Schmähreden gegen das hier vorherrschende
„Regenbogen-Imperium“ und positionierte sich [4][auf der Seite Putins gegen
den liberalen Westen]. Zur Erinnerung: Homosexualität ist in Russland
tabuisiert, Adoption durch gleichgeschlechtliche Partner verboten und
Aufklärung darüber strafbewehrt.
In Viktor Orbáns autoritären Ungarn, [5][das Alice Weidel bei einem Besuch
in Budapest kürzlich als „großes Vorbild“ bezeichnete], ist öffentliche
Aufklärung über gleichgeschlechtliche Liebe ebenso verboten. Homosexuelle
Darstellungen gegenüber Minderjährigen ist als „Homo-Propaganda“ illegal.
Adoption ist Homosexuellen verboten, Ehen für Homosexuelle gibt es
ebenfalls nicht. Der Schutz der Familie gilt explizit nur für
heterosexuelle Paare. Der dennoch in Budapest jährlich stattfindende CSD
wird regelmäßig gewaltsam von Rechtsextremen angegriffen, wie übrigens auch
[6][viele] [7][CSDs zuletzt in Ostdeutschland].
Die AfD befeuert exakt dieses Klima. Auf AfD-Parteitagen klingt das dann
regelmäßig so: „Familie ist da, wo Kinder sind – diese
gesellschaftsverwahrlosenden Sätze kommen mir echt zu den Ohren raus!“,
sagte die Thüringer Landtagsabgeordnete [8][Wiebke Muhsal Anfang Januar
beim Parteitag in Riesa] und bekam viel Applaus. Familien seien da, wo ein
Mann und eine Frau gemeinsam Kinder bekämen, betonte sie. Weidel lief kurz
danach raus.
Der AfD-Europaabgeordnete Tomasz Froelich sagte 2023 bei seiner
Bewerbungsrede auf einem AfD-Parteitag in Magdeburg, er wolle „ein ganz
anderes Deutschland“ ohne „Regenbogenterror“. Auch hier verließ Weidel d…
Parteitag noch während der Rede. Früher hatte Froelich bewundernd mit Blick
auf die autoritäre Türkei gesagt: „Sie bevorzugen eine Politik für die
Ärmsten der Armen, statt für die Wärmsten der Warmen.“ Und klar,
Russland-Fan ist er auch. Das sei in „vielerlei nicht so degeniert wie der
Westen“ – „es gibt in Moskau keinen Christopher Street Day, der meiner
Meinung nach in Deutschland verboten gehört.“ Nicht zuletzt seine Wahl
zeigt: Überzeugungen wie die von Froelich sind keine Seltenheit und von
vielen akzeptiert in der Partei.
## „Ich bin nicht queer“
Für die radikalisierte AfD kommt Weidel so eine praktische Doppelfunktion
zu: Als Feigenblatt und Aushängeschild kann sie über die auch
homosexuellenfeindliche Politik ihrer Partei hinwegtäuschen. Gleichzeitig
bekommen AfD-Anhänger von Weidel persönlich qua Lesbe die Erlaubnis,
[9][schamlos weiter gegen alles „Queere“ zu hetzen]. Kaum war sie im
Bundestag, wollte die AfD 2018 die gerade erst beschlossene „Ehe für alle“
abschaffen. Der Rechtspolitiker Stephan Brandner, ebenfalls aus Thüringen,
hält das weiter für richtig, und will womöglich in der nächsten Legislatur
wieder einen Antrag zur [10][Abschaffung der Ehe für alle] einbringen.
Wie Weidel einmal selbst im Interview verächtlich sagte: „Ich bin nicht
queer, sondern ich bin mit einer Frau verheiratet, die ich seit 20 Jahren
kenne.“ Und wenn sie nicht gerade zu Hause ist, hetzt sie halt mit im
rechten Kulturkampf gegen queere Identitäten und „Genderwahnsinn“.
Ähnliches gilt im übrigen auch für Migrant*innen in der Partei, die die
AfD gerne herausstellt. Auch darin ist wiederum Weidel groß, wenn sie
betont, sie sehe keine Hautfarben und könne keine Rassistin sein, weil ihre
Frau ja aus Sri Lanka stamme.
Sven Lehmann (Grüne), der Queerbeauftragte der Bundesregierung, hält vor
allem Weidels rhetorische Wendung beim „Institut der Ehe“ verräterisch. Er
sagte auf taz-Anfrage: „Sie hat sich keineswegs dafür ausgesprochen, dass
Lesben und Schwule weiterhin heiraten dürfen. Im Gegenteil! Ihre
Formulierung von einer Gleichstellung, ohne jedoch das Institut der Ehe zu
berühren, bedeutet im Klartext gerade, dass ihre Partei die Ehe für Lesben
und Schwule wieder verbieten will.“
Sonst könne sie ja klipp und klar sagen, dass ihre Partei die Eheöffnung
für Lesben und Schwule befürworte, so Lehmann: „Das tut sie aber gerade
nicht. Die Partei plant, zehntausende gleichgeschlechtliche Paare wieder zu
entrechten. Sie ist eine Bedrohung für LSBTIQ*.“ Um das zu erkennen, müsse
man sich nur die Anträge und Äußerungen ihrer Abgeordneten und ihrer
politischen Vorbilder anschauen.
Damit hat er wohl nicht ganz unrecht: Und so stimmen am Ende dann auch vor
allem Weidels [11][vielfach selbst unterstrichenen rechtsextremen
Überzeugungen] zu einem sehr großen Teil mit denen von Björn Höcke überein.
Klar ist nur: Urlaub in Ungarn oder auch nur in Sachsen wird Weidel mit
ihrer Familie wohl trotzdem nicht machen. Inge Wolf aus der Nordeifel wird
all das nicht überzeugen.
18 Feb 2025
## LINKS
[1] /Rechtsextreme-und-Homosexualitaet/!6065658
[2] https://www.ardmediathek.de/video/ard-sondersendung/wahlarena-zur-bundestag…
[3] /Statistik-zu-rechter-Gewalt-in-Thueringen/!6003827
[4] https://vvn-bda.de/hoeckes-geraer-rede/
[5] /Weidel-bei-Ungarns-Ministerpraesident/!6065409
[6] https://www.tagesschau.de/investigativ/report-mainz/rechtsextremisten-gewal…
[7] /Queere-Demonstrationen-in-Sachsen-2024/!6049215
[8] /AfD-Parteitag/!6058383
[9] https://steadyhq.com/de/friedlichesabotage/posts/a7a8611a-40f6-425c-9723-36…
[10] https://www.zdf.de/nachrichten/politik/deutschland/ehe-fuer-alle-afd-bunde…
[11] https://www.zdf.de/nachrichten/politik/weidel-email-afd-10-jahre-100.html
## AUTOREN
Gareth Joswig
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