# taz.de -- Forschung zur Großhirnrinde: Nervensystem als Schaltzentrale | |
> Im Göttinger Institut für Neuroanatomie steht die Großhirnrinde im Fokus. | |
> Die verarbeitet die bewusste Wahrnehmung, Gedächtnis, Bewegung und | |
> Tastsinn. | |
Bild: Ort der Forschung und Lehre: Universitätsmedizin Göttingen | |
Göttingen taz | In einem Betonbau aus den 1960er-Jahren, der zugleich etwas | |
baufällig und denkmalgeschützt ist, befindet sich das Institut für | |
Neuroanatomie der Universität Göttingen. Trotz der unscheinbaren äußeren | |
Fassade ist dieser Ort zentral für die Ausbildung vieler Studierenden und | |
für die Forschung. | |
Neuroanatomie ist die Lehre der Anatomie des Nervensystems. Dies kann das | |
Gehirn sein, doch auch das Rückenmark spielt eine wichtige Rolle für das | |
Nervensystem. Die Forschung des Göttinger Instituts konzentriert sich auf | |
die Großhirnrinde, eine der komplexesten Regionen des menschlichen Gehirns. | |
„Die Großhirnrinde ist unser Spezialgebiet, weil sie bei Primaten – und | |
insbesondere beim Menschen – so stark ausgeprägt ist“, erklärt | |
Institutsdirektor Jochen Staiger. In der Großhirnrinde liegen die Zentren | |
für bewusste Wahrnehmung, Denken, Gedächtnis und Bewegung. Mit Arbeit an | |
Mäusen erforschen die Wissenschaftler:innen, wie die Großhirnrinde | |
Tastreize verarbeitet, die Menschen mit Fingerspitzen und Nager mit | |
Schnurrhaaren wahrnehmen. | |
Das Team des Instituts besteht aus sieben wissenschaftlichen | |
Mitarbeiter:innen, sieben Doktorand:innen, fünf technischen | |
Mitarbeiter:innen und drei Professoren. Deren Arbeitsgruppen befassen | |
sich mit dem Tastsinn, dem Hören, und den molekularen Grundlagen | |
psychiatrischenr Erkrankungen. Zusammen mit dem Institut Anatomie und | |
Zellbiologie bildet das Neuroanatomie-Institut das vorklinische Zentrum | |
Anatomie der Universität Göttingen. | |
Auch die Lehre ist für das Institut zentral – vor allem für | |
Medizinstudierende. In puncto Lehre decken die Forscher:innen des | |
Instituts alle Bereiche des menschlichen Körpers ab: „In der deutschen | |
Anatomie sind wir alle Generalisten“, so Staiger. „Wir Anatomen haben | |
unglaublich viele Lehraufgaben, weil im Prinzip jeder eine Vorstellung | |
davon braucht, wie der menschliche Körper aufgebaut ist, nicht nur | |
Humanmediziner, Zahnmediziner, Molekularmediziner und Neurowissenschaftler, | |
sondern auch Orthopädiemechaniker und Rettungsassistenten“, erklärt | |
Staiger. | |
Besonders der Präparierkurs, in dem der Umgang mit Skalpell und Pinzette | |
gelehrt wird, sei für Studierende sehr bereichernd. Staiger erzählt: „Das | |
ist für jeden [1][Medizinstudenten] eine sehr große Erfahrung, die ihn sein | |
Leben lang prägt.“ | |
Doch Staiger betrachtet die Zukunft des [2][Instituts] und die | |
Neuroanatomie mit Sorge: „Aus der Anatomie heraus gibt es [3][nicht mehr | |
genügend Nachwuchs], und ohne geeignete Leute, die das Fach vermitteln | |
können, wird es seiner Bedeutung nicht mehr gerecht werden können. | |
Andererseits ist es unverzichtbar in der Ausbildung der Mediziner.“ | |
Gründe für den mangelnden Nachwuchs sieht Staiger in der vergleichsweise | |
schlechten Bezahlung und den [4][unsicheren Arbeitsbedingen]: „In der | |
Wissenschaft muss man in der Regel immer noch Professor werden, um eine | |
Dauerstelle zu bekommen, und das wollen sich junge Menschen nicht mehr | |
zumuten.“ | |
## Anatomie – ein Fass ohne Boden | |
Auch in der Komplexität des Faches selbst sieht Staiger einen Grund: | |
„Anatomie ist ein Fass ohne Boden, jeder weiß, dass es ein anstrengendes | |
Fach ist. Das ist nicht gut für die heutzutage gewünschte | |
Work-Life-Balance.“ | |
Ihm ist deshalb wichtig, den Studierenden neben den Inhalten auch eine | |
gewisse Haltung beizubringen: „Ich möchte den Studierenden, neben der | |
Begeisterung für Wissen, mitgeben, sich selbst etwas zuzutrauen, sich fürs | |
Detail zu interessieren und sich nicht vor der Komplexität wegzuducken.“ | |
Trotz der Nachwuchsprobleme sieht Staiger eine spannende Entwicklung des | |
Fachs: „Mit den methodischen Möglichkeiten, die es heutzutage gibt, war es | |
noch nie spannender und befriedigender, Forschung zu machen als jetzt.“ | |
22 Feb 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Missstaende-an-der-Berliner-Charite/!6032951 | |
[2] https://neuroanatomie.umg.eu/ | |
[3] /Prekaere-Verhaeltnisse-in-der-Wissenschaft/!5997410 | |
[4] /Prekaere-Arbeitsbedingungen-an-Unis/!6063659 | |
## AUTOREN | |
Karima Küster | |
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