# taz.de -- Regierungsbildung in Belgien: Flämische Nationalisten führen „A… | |
> Mehr als 230 Tage nach der Parlamentswahl steht fest: Belgien erhält eine | |
> Mitte-Rechts-Regierung, in der die N-VA stärkste Kraft ist. | |
> Premierminister soll ihr Parteichef Bert De Wever werden. | |
Bild: Der künftige Premier Bart De Wever (l.) schüttelt dem belgischen König… | |
Brüssel dpa | Mit Belgien bekommt ein weiterer EU-Staat eine von Rechten | |
angeführte Regierungskoalition. Die migrationskritischen flämischen | |
Nationalisten der N-VA haben sich mit vier weiteren Parteien auf die | |
Bildung einer Koalition geeinigt. Regierungschef soll der N-VA-Vorsitzende | |
Bart De Wever werden. Der 54-Jährige war bislang Bürgermeister der | |
Hafenstadt Antwerpen. Ein drastischer Rechtsruck ist in Belgien allerdings | |
nicht zu erwarten, da die anderen Parteien der Mitte zusammen weiter eine | |
klare Mehrheit haben. | |
## Regierungsziel: Abbau der großen Schuldenlast | |
Die N-VA, die unter anderem mehr Autonomie für den wirtschaftsstärkeren | |
Landesteil Flandern anstrebt, [1][war bei der Wahl für eine neue | |
Abgeordnetenkammer im Juni 2024 stärkste Kraft geworden]. Gemeinsam mit der | |
liberalen Partei MR aus der französischsprachigen Wallonie, den | |
Christdemokraten aus beiden Landesteilen (Les Engagés und CD&V) sowie den | |
flämischen Sozialdemokraten (Vooruit) soll nun eine sogenannte | |
Arizona-Koalition geschmiedet werden. Ein erster Versuch, ein solches | |
Bündnis zustande zu bringen, [2][scheiterte im August vergangenen Jahres | |
aufgrund des Konflikts um eine Besteuerung von Gewinnen aus | |
Kapitalgeschäften]. | |
Der Name ergibt sich aus den Farben der Parteien, die mit denen der Flagge | |
des US-Bundesstaates übereinstimmen: Orange (CD&V), Blau (MR und Les | |
Engagés), Rot (Vooruit) und Gelb (N-VA). | |
Ziel der neuen Regierung ist vor allem ein Abbau der großen Schuldenlast | |
sowie der Neuverschuldung Belgiens. Erwartet werden demnach drastische | |
Reformen mit schweren Einschnitten in den Sozialstaat. Wann die Regierung | |
antreten kann, blieb zunächst unklar. „Der Termin für die Vereidigung des | |
Premierministers und der Regierungsmitglieder wird zu einem späteren | |
Zeitpunkt bekanntgegeben“, teilte der Königspalast mit. | |
De Wever schrieb nach der Einigung auf der Plattform X „Alea iacta est“ | |
(„Der Würfel ist gefallen“). Der Chef der liberalen Partei MR aus der | |
Wallonie, Georges-Louis Bouchez, kommentierte: „Heute Abend wird die | |
Zukunft klarer. Für Belgien. Für jeden Belgier. Wir sind bereit.“ Die | |
Partei wurde bei der Wahl im Juni drittstärkste Kraft hinter dem radikal | |
rechten Vlaams Belang aus Flandern. | |
## N-VA bislang in der Opposition | |
Bereits bei der vergangenen Parlamentswahl 2019 hatte die N-VA die meisten | |
Stimmen bekommen, war jedoch in der Opposition geblieben. Erst nach rund 16 | |
Monaten Verhandlungen stand damals die sogenannte Vivaldi-Koalition aus | |
sieben Parteien – den Grünen, den Liberalen und den Sozialdemokraten aus | |
beiden Landesteilen sowie den Christdemokraten aus Flandern. | |
Die N-VA bezeichnet sich selbst als „eurorealistische Partei“, die sich | |
traue, Fragen zur Arbeitsweise der EU zu stellen. Die Staatengemeinschaft | |
dürfe nicht als selbstverständlich betrachtet werden. Weiter heißt es auf | |
der Webseite der Partei: „Die EU kann nur dann auf genügend Rückhalt | |
rechnen, wenn sie in der Lage ist – bzw. sich traut –, die richtigen | |
Entscheidungen zu treffen.“ | |
Ein Ziel der Partei ist eigenen Angaben nach ein unabhängiges Flandern als | |
Mitgliedstaat von Europa. „Der Weg dorthin soll Schritt für Schritt | |
zurückgelegt werden, und zwar auf demokratische Weise“, heißt es auf der | |
Webseite. Ob die neue Regierungskoalition versuchen wird, den Regionen in | |
Belgien mehr Autonomie zu geben, bleibt abzuwarten. | |
Im Europäischen Parlament sind die N-VA-Abgeordneten Mitglied der | |
konservativ-rechten EKR-Fraktion, zu der unter anderem auch die | |
Abgeordneten der Partei Fratelli d’Italia der italienischen | |
Ministerpräsidentin Giorgia Meloni gehören. | |
## Meistens langwierige Regierungsbildungen in Belgien | |
Regierungsbildungen in Belgien sind kompliziert und zumeist langwierig. Das | |
liegt unter anderem auch daran, dass die meisten Parteien entweder in der | |
französischsprachigen Wallonie oder im niederländischsprachigen Flandern | |
antreten. Der König spielt dabei eine Vermittlerrolle. | |
Insgesamt waren gut acht Millionen Belgierinnen und Belgier zur Wahl | |
aufgerufen. In Belgien herrscht Wahlpflicht. Nichtwählern, die ohne | |
richterlich akzeptierten Grund keine Stimme abgeben, droht eine Strafe. | |
1 Feb 2025 | |
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