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# taz.de -- Dreitägiger Streik in Belgien: Auf die Straße gegen den „Renten…
> Gegen den Sparkurs der rechtsliberalen belgischen Regierung legen
> Beschäftigte die Arbeit nieder. Für Mittwoch rufen Gewerkschaften zum
> Generalstreik auf.
Bild: Belgiens Premierminister De Wever quittierte den historischen Streik auf …
Das hat Belgien seit den wilden 80er Jahren nicht mehr erlebt: Die
Gewerkschaften haben nicht einen, sondern gleich drei Tage „grève
nationale“, also einen landesweiten Streik, ausgerufen. Mit den Protesten,
die am Montag begannen und bis Mittwoch dauern sollen, wollen die
Arbeitnehmervertreter gegen die Austeritätspolitik der [1][rechtsliberalen
Regierung] um Premierminister Bart De Wever (N-VA, flämische Nationalisten)
protestieren.
De Wever quittierte den historischen Streik auf seine Art: mit noch mehr
Zumutungen. Wenige Stunden nachdem Eisenbahner, Bus- und Metrofahrer und
andere öffentlich Bedienstete die Arbeit niedergelegt hatten, verkündete
der Premier eine Einigung im wochenlangen Budgetstreit. Sie sieht
Einsparungen im Haushalt in Höhe von 9,2 Milliarden Euro vor. Die
Maßnahmen, die bis 2029 umgesetzt werden sollen, bringen [2][weitere
soziale Einschnitte].
So sollen 2 Milliarden Euro im Gesundheitswesen gekürzt werden. Die
sogenannte „[3][Arizona“-Regierung] will außerdem 100.000 Langzeitpatienten
wieder in Lohn und Brot bringen, um noch mehr Geld einzusparen. Auch soll
die Mehrwertsteuer beim Gas und bei sportlichen Aktivitäten, wie
Vereinsmitgliedschaften oder Stadionbesuchen steigen, während der
automatische Inflationsausgleich bei Löhnen ab 4.000 Euro brutto im Monat
ausgesetzt wird. Für Belgien kommt dies einem Tabubruch gleich.
Es gehörte nämlich zu den sozialen Errungenschaften, dass die Löhne
automatisch an die Preise angepasst wurden. Arbeitslosenbezüge wurden auch
nach mehreren Jahren nicht gekürzt. Mehr als eine halbe Million
Belgierinnen und Belgier sind aus gesundheitlichen Gründen seit mehr als
einem Jahr krankgeschrieben und bekommen umfangreiche Unterstützung. All
dies will bzw. muss die Regierung nun zusammenstreichen.
## Linke Opposition spricht von „Rentenraub“
Der Zwang kommt von den Finanzmärkten, die hohe Zinsen für den riesigen
belgischen Schuldenberg verlangen, aber auch von der EU. Die EU-Kommission
hat Belgien zum Abbau seines Defizits verdonnert, zugleich aber höhere
Ausgaben für die Rüstung gefordert. Auf diese Quadratur des Kreises
antwortet die Regierung mit einem Sparkurs, der wesentlich härter ist als
in Deutschland oder anderen Nachbarländern. Entsprechend hart fällt auch
die Reaktion der Gewerkschaften aus. Sozialdialog? Fehlanzeige!
Statt auf die Streikenden zuzugehen, goss De Wever sogar noch Öl ins Feuer.
„Ich will ehrlich sein: Jeder wird es in seiner Brieftasche spüren“,
erklärte er bei der Präsentation seiner Sparpläne; „wenn Sie es nicht
wagen, schmerzhafte Entscheidungen zu treffen, dann sind Sie des Regierens
nicht würdig.“ Um seinen Austeritätskurs durchzudrücken, hatte De Wever
sogar mit dem Rücktritt gedroht und eine Frist bis Weihnachten gesetzt.
Nun kann der flämische Politiker weitermachen, seine Koalition hat den
Streit vorerst beigelegt. Doch auf der Straße brodelt es. Das Volk ist
unzufrieden, wie zwei zufällig ausgewählte Stimmen zeigen. „Wenn man uns
noch mehr wegnimmt, weiß ich nicht, wovon ich leben soll“, sagt Simone,
eine 79-jährige pensionierte Landwirtin. „Die Maßnahmen werden den
belgischen Sport schwer treffen“, fürchtet Jeremy, ein 30-jähriger
Sportlehrer.
Die linke Opposition greift die Unzufriedenheit auf. „Diese Maßnahmen haben
keine Legitimation, keine Partei hatte sie in ihrem Wahlprogramm“, sagt
Raoul Hedebouw, Chef der linksradikalen Partei der Arbeiter PTB. Der
Regierung, die auch das Renteneintrittsalter auf 67 anheben will, wirft er
„Rentenraub“ und einen „Angriff auf die Kaufkraft“ vor. Ähnliche Töne
kommen vom wallonischen Sozialistenchef Paul Magnette. Jeder zweite
Arbeitnehmer werde unter den Sparmaßnahmen leiden, kritisiert er.
Bei den Streikenden haben De Wevers Ankündigungen wie eine Bombe
eingeschlagen. Sie wollen ihre Proteste nun sogar noch ausweiten. Nach dem
Schienenverkehr am Montag sollen am Dienstag Krankenhäuser,
Kindertagesstätten und Schulen bestreikt werden. Für Mittwoch haben die
Gewerkschaften zu einem Generalstreik aufgerufen, der Flugverkehr in
Brüssel wird eingestellt. Die EU scheint das aber nicht zu stören – sie
macht weiter, als wenn nichts wäre.
24 Nov 2025
## LINKS
[1] /Belgiens-neue-Regierung/!6063626
[2] /Flaemischer-Nationalist-regiert-Belgien/!6063436
[3] /Regierungsbildung-in-Belgien/!6066498
## AUTOREN
Eric Bonse
## TAGS
Rente
Belgien
Sozialstaat
Social-Auswahl
Generalstreik
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Flandern
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