# taz.de -- Flämischer Nationalist regiert Belgien: Erst sparen, dann separier… | |
> Erstmals wird mit Bart De Wever ein flämischer Nationalist Regierungschef | |
> von Belgien. Seine „Arizona-Koalition“ hat große Veränderungen vor. | |
Bild: Hat keine Hauptrolle bei den Simpsons, sondern wird Regierungschef von Be… | |
Amsterdam Der flämische Nationalist mag lateinische Weisheiten. Mit „Alea | |
iacta est“ – „Die Würfel sind gefallen“ – kommentierte Bart De Wever… | |
fast acht Monaten den Durchbruch der [1][Koalitionsverhandlungen in | |
Belgien]. Der 54-jährige Historiker von der Partei Nieuw-Vlaamse Alliantie | |
(N-VA) war bislang Bürgermeister von Antwerpen, jetzt wird er | |
Premierminister. | |
Die Parlamentswahlen im letzten Juni hatten [2][ein historisches Ergebnis] | |
beschert: Mit N-VA-Chef De Wever wird erstmals ein Mitglied einer | |
flämisch-nationalistischen Partei Regierungschef. Beteiligt an seiner | |
Fünfparteienregierung sind außerdem die flämischen Christ- (CD&V) und | |
Sozialdemokrat*innen (Vooruit) sowie das liberale Mouvement | |
Réformateur (MR) aus dem frankophonen Landesteil und die humanistischen Les | |
Engagés. Das Bündnis wird auch Arizona-Koalition genannt, weil die | |
Parteifarben – Orange, Blau, Rot, Gelb – ungefähr denen der Flagge des | |
US-Bundesstaats entsprechen. | |
Der Aufstieg der 2001 gegründeten, bürgerlich-rechten N-VA ist eng mit De | |
Wever verbunden, seit 2004 ihr Dauervorsitzender. Sie zieht Wähler:innen | |
aus dem [3][flämisch-nationalistischen ebenso wie aus dem konservativen und | |
wirtschaftsliberalen Spektrum] an. Im separatistischen Nationalismus des | |
niederländischsprachigen Landesteils sind die Übergänge zwischen den | |
Strömungen fließend. De Wever, aus einer flämisch gesinnten Familie, hielt | |
die N-VA weitgehend auf Abstand zum Vlaams Belang. Bei der Gunst der | |
Wähler*innen ist ihr die rechtsextreme Partei dicht auf den Fersen. | |
Vom Ziel eines unabhängigen Flandern, in ihren Statuten nach wie vor | |
enthalten, hat sich die N-VA unter De Wever nach und nach entfernt. Als | |
junger Politiker propagierte er, das ungeliebte Belgien werde zwischen den | |
Regionen und Europa langfristig „verdampfen“, da die Regionen und die EU | |
immer mehr politische Befugnisse übernommen haben. Inzwischen strebt die | |
N-VA eine Konföderation an: einen losen Überbau fast souveräner Regionen, | |
die über die meisten Politikfelder selbst bestimmen. | |
## Separatismus nicht offiziell im Programm | |
Bemerkenswert an der neuen Regierung ist, dass man eine derartige Agenda | |
vergeblich sucht. De Wever schob sie bewusst auf die lange Bank, um sich | |
zunächst einem anderen Kernthema der N-VA zu widmen: sozial-ökonomischen | |
Reformen, die im Lauf der Legislaturperiode den Haushalt des massiv | |
verschuldeten Belgien sanieren und rund 20 Milliarden Euro einsparen | |
sollen. Diese Agenda verbindet sie mit dem MR als stärkster frankophoner | |
Partei, wobei ihnen die sozialdemokratische Vooruit Konzessionen abringen | |
konnte. | |
Demnach enthält der Koalitionsvertrag eine Kapitalertragsteuer von 10 | |
Prozent, die ab Beträgen von 10.000 Euro gelten soll, und den vollständigen | |
Erhalt der Lohnindexierung. Die Arbeitslosenunterstützung will man indes | |
auf zwei Jahre beschränken – mit Ausnahme von Personen ab 55 Jahren. Das | |
Rentenalter bleibt bei 67. Eine Reform des Rentensystems soll längeres | |
Arbeiten belohnen und bei vorzeitigem Ausscheiden aus dem Beruf die Bezüge | |
kürzen. Der Senat, in seiner Bedeutung in den letzten Jahren stark | |
eingeschränkt, wird abgeschafft, die Asylpolitik deutlich restriktiver. | |
Geplant wird auch eine „Staatsreform“ für 2029 – damit ist eine Verlager… | |
von Befugnissen vom föderalen auf das regionale Niveau gemeint. Dabei haben | |
De Wever und die N-VA durchaus auch die flämische Perspektive im Auge, um | |
ihre nationalistischen Wähler:innen nicht dem Vlaams Belang zu | |
überlassen. | |
2 Feb 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Regierungsbildung-in-Belgien/!6066498 | |
[2] /Parlamentswahlen-in-Belgien/!6016551 | |
[3] /Parlamentswahlen-in-Belgien/!6016551 | |
## AUTOREN | |
Tobias Müller | |
## TAGS | |
Belgien | |
N-VA | |
Nationalismus | |
GNS | |
Belgien | |
Belgien | |
Nationalismus | |
Belgien | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Großer Streik in Belgien: Landesweite Proteste gegen „Oster-Akkord“ | |
Die belgischen Gewerkschaften rufen erneut zum Generalstreik auf. Es geht | |
gegen Sozialkürzungen und Aufrüstungspläne – und den sogenannten | |
„Oster-Akkord“. | |
Regierungsbildung in Belgien: Flämische Nationalisten führen „Arizona-Koali… | |
Mehr als 230 Tage nach der Parlamentswahl steht fest: Belgien erhält eine | |
Mitte-Rechts-Regierung, in der die N-VA stärkste Kraft ist. Premierminister | |
soll ihr Parteichef Bert De Wever werden. | |
Regierungskrise in Belgien: „Arizona“-Koalition wackelt | |
Der Versuch, zweieinhalb Monate nach der Parlamentswahl eine Regierung zu | |
bilden, scheitert. Streitpunkt ist die Steuerpolitik. | |
Parlamentswahlen in Belgien: Rechts mit weniger Extremen | |
Bei den belgischen Wahlen schneidet der rechtsextreme Vlaams Belang | |
schlechter ab als erwartet. Gemäßigte Nationalisten erstarken. |