# taz.de -- Gedenken an spanischen Faschismus: Der Kampf um den Folterkeller | |
> Vier Jahrzehnte lang haben Franco-Schergen im Gebäude der heutigen | |
> Regionalregierung gefoltert. Eine dort geplante Gedenkstätte sorgt für | |
> Streit | |
Bild: Demonstration rechtsextremer Aktivisten auf der Puerta del Sol im Dezembe… | |
Madrid taz | Seit 14 Jahren geben die Demonstrierenden nicht auf: Jeden | |
Donnerstagabend Abend versammeln sich einige Dutzend Menschen vor dem | |
Gebäude der Madrider Regionalregierung am zentralen Platz Puerta del Sol. | |
Sie verlangen „Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung“ für die | |
Gewaltverbrechen, unter der Teile der Bevölkerung während der | |
[1][Franco-Diktatur] gelitten haben. In ihren Händen halten sie Fahnen der | |
von den Faschisten im Bürgerkrieg in den 1930er Jahren gestürzten Republik. | |
Viele von ihnen wurden selbst unter Franco gefoltert oder sind Angehörige | |
von damaligen Folteropfern. | |
Ihre Anliegen betten sich ein, in eine aktuell geführte Diskussion in | |
Spanien. Zu Francos 50. Todestag plant die Regierung eine Reihe an | |
Gedenkfeiern. Für die Folteropfer soll am Gebäude an der Puerta del Sol | |
eine Gedenkstätte entstehen. | |
Ildefonso Gómez zeigt auf den Bau, vor dem sie stehen: „Hier wurde in den | |
Jahren der Franco-Diktatur gefoltert“, erklärt der Sprecher der Initiative. | |
Dort im Keller des Real Casa de Correos, befanden sich von 1939 bis 1979 – | |
vier Jahre nach dem Tod des Diktatoren General Francisco Franco – die | |
Zentrale und die Zellen der Politischen Polizei, der Generaldirektion für | |
Sicherheit (DGS). | |
Der 76-jährige Gómez wurde dort insgesamt neunmal mit Gewalt verhört. „Das | |
erste Mal, als ich gerade 15 war, das letzte Mal 1977“, erklärt er. In | |
seinen jungen Jahren gehörte er der antifranquistischen Schüler- und | |
Studentenbewegung an, später war er in der klandestinen | |
Gewerkschaftsbewegung und der verbotenen Sozialistischen Partei aktiv. | |
„Einmal wurde ich so schwer misshandelt, dass ich anschließend für 25 Tage | |
ins Gefängnishospital eingewiesen wurden musste“, fügt er hinzu. | |
Gewerkschafter, Gegner der Diktatur, rebellische Studenten, Schwule, | |
Frauen, die abtreiben ließen, alle, die als staats- und moralfeindlich | |
galten, wurde hierher gebracht. 1937 starb das erste Opfer nach der Folter, | |
das letzte 1980, bereits in der Demokratie, kurz bevor die neu geschaffene | |
Regionalregierung einzog. | |
## Politischer Streit im Königlichen Haus der Post | |
Der Plan einen Gedenkort zu errichten führt jetzt zu einem politischen | |
Streit. Denn im sogenannten Real Casa de Correos, im Königlichen Haus der | |
Post, hat seit den 1980er Jahren die Regionalregierung der Hauptstadtregion | |
Comunidad de Madrid ihren Sitz. Dort gibt die konservative Partido Popular | |
(PP) den Ton an und die will ein [2][solches Gedenken um jeden Preis | |
verhindern.] | |
Eine Gedenkstätte würde den Namen der Comunidad de Madrid beschmutzen, | |
beschwert sich Regionalpräsidentin Isabel Díaz Ayuso. Sie wäre ein „Angriff | |
auf die Regionalregierung“ und auf die Hauptstädter als solche und würde | |
die Bevölkerung spalten. Deshalb dürften am Gebäude nur Tafeln angebracht | |
werden, die die Spanier einen. Ihr schweben Tafeln vor im Gedenken an den | |
Aufstand gegen die napoleonische Besatzung, an die Opfer der islamistischen | |
Anschläge auf Pendlerzüge und die an Covid Verstorbenen. | |
Díaz Ayuso hatte zwar Auschwitz einen offiziellen Besuch abgestattet. Doch | |
den Faschismus in Spanien und die Gräueltaten der Diktatur, die sich in | |
Díaz Ayusos heutigem Amtssitz abgespielt haben, hat sie nie verurteilt. | |
## Kein Hinweis auf die Gräueltaten | |
Das fragliche Gebäude ist ein Beispiel für den bisherigen Umgang Spaniens | |
mit seiner Vergangenheit. Kaum jemandem ist heute, 50 Jahre nach dem Tod | |
Francos, noch bewusst, was hier geschah. Die Puerta del Sol steht heute für | |
die meisten vielmehr für Neujahr. Die Uhr des Gebäudes, läutet jedes Jahr | |
vor Tausenden auf dem Platz und vor Millionen am Bildschirm den | |
Jahreswechsel ein. | |
Die Weihnachtszeit über werden die Fenster der Regionalregierung zu lauter | |
Musik bunt beleuchtet. Zehntausende Touristen lassen sich jedes Jahr an | |
diesem Punkt fotografieren. Zur traurigen Geschichte des Gebäudes selbst | |
gibt es nichts. | |
„In allen Hauptstädten, die Szenario des Schreckens des Nazismus und | |
Faschismus waren, gibt es Gedenktafeln. Museen, die an die Menschen | |
erinnern, die für die Freiheit kämpften. Doch hier vor der Puerta del Soll | |
erinnert nichts an die Tausende Frauen und Männer, die Widerstand gegen die | |
Diktatur leisteten“, erklärt Willy Meyer gegenüber der spanischen Presse. | |
Der 70-jährige ehemalige EU-Abgeordnete der spanischen Partei Vereinigten | |
Linke wurde als junger Mann selbst an der Puerta del Sol misshandelt. | |
Bevor an der Puerta del Sol tatsächlich etwas geschieht, dürfte es zu einem | |
heftigen Rechtsstreit kommen. Denn die konservative PP von | |
Regionalpräsidentin Díaz Ayuso hat ihre absolute Mehrheit im | |
Regionalparlament genutzt, um kurz vor Jahreswechsel ein Gesetz zu | |
erlassen, dass jedwede weitere Gedenktafel am Gebäude verbietet. | |
## Gedenktafel geht nicht weit genug | |
Ildefonso Gómez geht eine Gedenkstätte ohnehin nicht weit genug. „Es geht | |
uns um Gerechtigkeit. Erst wenn mit der Straffreiheit Schluss ist, geben | |
wir Ruhe“, sagt er. Dafür ist er bereit, auch die kommenden Jahre jeden | |
Donnerstag an die Puerta del Sol zu kommen. | |
7 Feb 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Kulturkampf-um-Franco-in-Spanien/!6059263 | |
[2] /Streit-um-Gesetz-in-Spanien/!6011314 | |
## AUTOREN | |
Reiner Wandler | |
## TAGS | |
Spanien | |
Francisco Franco | |
Gedenkort | |
Faschismus | |
Diktatur | |
Spanien | |
Madrid | |
Spanien | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Kulturkampf um Franco in Spanien: Mythen, die nicht sterben wollen | |
Vor 50 Jahren starb der spanische Diktator Franco. Zwar hat sich in Spanien | |
eine Erinnerungskultur etabliert, aber über Francos Erbe wird gestritten. | |
Stadtplanung in Spanien: Einem Stadtteil stinkt’s | |
In Madrid soll eine Müllsammelstelle direkt neben einer Schule entstehen. | |
Was passiert, wenn Stadtentwicklung die Belange der Menschen ignoriert. | |
Streit um Gesetz in Spanien: „Diktatur“ kommt als Wort nicht vor | |
Spaniens Rechte laufen Sturm gegen Gesetze zur Demokratischen Erinnerung, | |
die den Umgang mit Opfern des Bürgerkriegs und der Franco-Diktatur regeln. |