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# taz.de -- Nonsens-Komödie „Hundreds of Beavers“: Mein Quatsch geschehe
> Die Slapstick-Komödie „Hundreds of Beavers“ von Mike Cheslik behauptet
> sich mit minimalem Budget. Noch geringer sind ihre Anforderungen an
> Logik.
Bild: Treffen sich ein Trapper und ein Biber im Wald: „Hundreds of Beavers“
Die Destille des Schnapsbrenners Jean Kayak explodiert, und in der Folge
muss sich der von nun an ausdauernd gebeutelte Mann in der Eiseskälte des
nordamerikanischen Winters als Pelzjäger durchschlagen. Im Versuch, seiner
menschenfeindlichen Umgebung Nahrung, Kleidung und Liebe, also Wärme
abzuringen, nimmt Jean den beharrlichen Kampf gegen die Natur auf.
Das Dasein wird erschwert von wilden Tieren (Wölfen und einer Biber-Kolonie
vor allem), dem herrischen Vater der Frau, in die Jean sich verliebt hat,
und durch Eis und Schnee. Heulen und Zähneklappern: Flora und Fauna sind
widerspenstig, die Tiere dem Menschen ein Feind, die Liebe entzieht sich.
Die Idee zum Slapstick-Irrsinn „Hundreds of Beavers“ kam den Filmemachern
Mike Cheslik und Ryland Tews in einer Kneipe, 2019, spätnachts. Fünf Jahre
später ist ihr gerade mal 150.000 Dollar teurer Film eine der
erfolgreichsten Indie-Produktionen des letzten Jahres. Der Erfolg mag vor
allem in seiner Einzigartigkeit begründet sein. Es gibt eigentlich nichts,
das so aussieht wie dieser Film.
Wobei die historischen Bezüge allesamt sehr präsent sind: das
Slapstick-Kino der zehner und zwanziger Jahre von Chaplin über Harold Lloyd
bis Buster Keaton, [1][die surrealen Exkursionen in die Filmgeschichte Guy
Maddins] (der von „Hundreds of Beavers“ dann auch sehr begeistert war),
der Stummfilm generell. Hinzu kommen noch Momente und Sequenzen, die ahnen
lassen, dass Cheslik und Tews in ihrer Jugend Gaming- und
Jump’n’Run-Erfahrung gesammelt haben.
Die Art und Weise, in der alles das hier zusammengedacht und -montiert
wird, ist dann aber weitgehend singulär. Vor allem ist „Hundreds of
Beavers“ ein kleines, aber in seiner Konsequenz starkes Zeugnis radikaler
künstlerischer Unabhängigkeit. Und zwar nicht im Sinne einer großen
filmischen Vision oder etwas Derartigem. Sondern im Sinne der Möglichkeit
und dem unbedingten Willen, nichts anderes als die eigenen Quatschideen zum
einzig gültigen Maßstab zu erklären. Um dann befreit von nahezu allen
Kriterien, wie ein guter Film auszusehen habe, loszulegen.
## Gesprochen wird nicht, Geräusche sind erlaubt
Das erlaubt es der Geschichte, wenn es denn überhaupt eine ist, sich in
einer Aneinanderreihung von irrwitzigen Sequenzen aufzulösen. In dem
Setting finden Zuschauerin und Zuschauer sich, bei aller
Unvorhersehbarkeit, schnell zurecht. Gesprochen wird nicht, Geräusche sind
erlaubt. Realfilm und Animation durchdringen einander. Die Zeichensprache
ist einfach. Die Tiere werden von Menschen in Tierkostümen gespielt, wenn
eins erlegt wird, erscheint ein Kreuz in den Augen.
„Hundreds of Beavers“ bezieht seine Komik aus einer fast schon ermüdenden
Repetitivität und der wirklich beeindruckenden Fähigkeit des Helden
(gespielt vom Drehbuchautor Ryland Tews), immer wieder auf unterschiedliche
Weise zu stolpern, irgendwo herunter und/oder auf die Schnauze zu fallen.
„Wir wussten, dass das Bild eines Typen im Maskottchenkostüm, der hinfällt,
grundsätzlich witzig ist“, [2][hat Cheslik der Variety erzählt]. „Und wenn
das in jeder Szene vorkommt – selbst wenn unsere Gags nicht gut
funktionieren – haben wir immer noch diese grundlegende Komik.“
Bald rennt Jean unermüdlich, weil hungrig und verliebt, im Trapper-Outfit
mit Biberkopfmütze durch die schwarzweiße Schneelandschaft. Die Frau seiner
Träume ist die Tochter eines Pelzhändlers, und damit er um ihre Hand
anhalten darf, muss Jean die titelgebenden Hunderte Biberfelle besorgen.
Der Film steigert sich nach den ersten rabiaten Auseinandersetzungen
zwischen Mensch und Natur zu einem ideenüberschießenden Finale. Das setzt
sich unter anderem aus einer Gerichtsverhandlung der Tiere gegen ihren
Jäger, einem monumentalen Dammbruch, zwei sehr ausgiebigen
Verfolgungsjagden, einer Schlägerei Mann gegen Biber und einer Lawine
zusammen und gemahnt in seinen besten Momenten an die durchgedrehteren
Cartoons Tex Averys.
## Wenn die Idee gefällt, kommt sie in den Film
Zwischendurch aber schleppt sich „Hundreds of Beavers“ auch durch einige
Längen, die allerdings weniger der Nachlässigkeit der Filmemacher
geschuldet sind, sondern aus einer spürbaren und recht sympathischen
Scheißegal-Haltung herrühren: Wenn die Idee gefällt, kommt sie in den Film,
ohne Rücksicht auf Logik und so Sachen, und egal, ob sie in den letzten
zehn Minuten schon dreimal variiert wurde oder eben auch einfach nicht
zündet. Der Maßstab ist der Kopfinhalt der Filmemacher, nicht ein
Publikums- oder Produzenteninteresse.
Somit wäre „Hundreds of Beavers“, wenn er nicht eindreiviertel Stunden,
sondern zum Beispiel nur 70 Minuten dauern würde, wahrscheinlich ein nach
gängigen Maßstäben besserer Film geworden. Allerdings ist er so, als
Kunstwerk, wesentlich konsequenter.
Und wenn man als Zuschauer:in Eingang findet in diese fremde und seltsame
Welt mit eigenen physikalischen Gesetzen und logischen Kausalitäten,
entfalten die Bilder einen bestimmten Zustand, eine Art meditatives,
befremdliches Schweben, das vielleicht auch damit zu tun hat, dass dieser
Film sehr clever und sehr doof zugleich ist.
11 Feb 2025
## LINKS
[1] /Guy-Maddins-The-Green-Fog-im-Forum/!5482452
[2] https://variety.com/2024/film/news/hundreds-of-beavers-movie-indie-black-an…
## AUTOREN
Benjamin Moldenhauer
## TAGS
Komödie
USA
Winter
Biber
Nonsens
Kurzfilm
Schwerpunkt Berlinale
Spielfilm
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