# taz.de -- Guy Maddins „The Green Fog“ im Forum: Sprachloser Spaß | |
> Guy Maddin sampelt in „The Green Fog“ berühmtes Material aus der | |
> Filmgeschichte – und entwirft eine virtuose Hommage an San Francisco. | |
Bild: So sieht San Francisco in grün aus | |
Einen Film komplett aus anderen Filmen zusammenschneiden, mit dem Anspruch, | |
daraus ein irgendwie zusammenhängendes Ganzes zu machen, kann das gehen? | |
Und kann das Ergebnis dann mehr als bloß ein paar Filmnerds interessieren? | |
Im Fall von Guy Maddins Film „The Green Fog“ heißt die Antwort zweimal | |
entschieden Ja. Und richtig komisch ist das Ganze auch noch. | |
Diese Found-Footage-Orgie – soll konkret heißen: das konsequente | |
Recycling von Hollywoodfilmen und Fernsehserien –, das Maddin | |
veranstaltet, hat schon mal ein verbindendes Element: Alle Szenen wurden in | |
San Francisco gedreht. Zum Teil durch mehrere Jahrzehnte getrennt. Die | |
Motive sind aber geblieben. | |
Was passiert in „The Green Fog“? Auf den ersten Blick nichts Eindeutiges. | |
Männer und Frauen sitzen sich gegenüber, im Café, im Restaurant, im | |
Schlafzimmer, blicken sich an, blicken aneinander vorbei, sprachlos. | |
Polizisten rennen über die für San Franciso typischen Flachdächer. | |
Darsteller, die sich im echten Leben womöglich nie begegnet sind, schauen | |
einander mittels Schuss-Gegenschuss-Montage an, erwartungsvoll, | |
misstrauisch oder wütend. | |
„The Green Fog“ ist ein collagierter Spielfilm ohne – eigene – Schauspi… | |
und – fast – komplett ohne Dialoge. Mit Szenen aus dem Thriller „Basic | |
Instinct“, den Krimiserien „Die Straßen von San Francisco“ und „McMill… | |
Wife“, Komödien wie „The Woman in Red“ oder dem Science-Fiction-Klassiker | |
„Invasion of the Body Snatchers“ – und aus diversen Arbeiten der | |
Schwarz-Weiß-Film-Ära. Zwischen alldem tauchen immer wieder Motive aus | |
Alfred Hitchcocks „Vertigo“ auf und an zentraler Stelle der berühmte Sturz | |
vom Kirchturm. | |
## Atmen, stöhnen, „äh“ | |
Dass sich diese sehr lose miteinander verbundenen Bilder widerstandslos | |
ineinanderfügen und man ihnen ebenso bereitwillig folgt, verdankt sich | |
zunächst den wahlverwandten Motiven. Doch Maddin hat noch einige andere | |
Verfahren parat, um Kohärenz zu erzeugen, wo es im Grunde allenfalls | |
Ähnlichkeiten gibt. Vor allem schafft er regelmäßig Zusammenhänge durch den | |
Einsatz der Filmmusik, gespielt vom Kronos Quartet. | |
Zum Beispiel ist die Musik während einer Szene in vollem Klang zu hören, | |
wie es bei Soundtracks normal ist. Dann wechselt das Bild, man sieht | |
Menschen vor einem Tonband sitzen. Dabei spielt die Musik übergangslos | |
weiter, klingt nun aber dünn und blechern, als komme sie vom Tonband, das | |
gerade im Bild ist. | |
Überhaupt spielt Musikalität eine entscheidende Rolle für die Sinnstiftung | |
von „The Green Fog“. Bewegungsszenen wie die genannten | |
Dachverfolgungsjagden gehorchen einem strengen Rhythmus, wobei das Tempo | |
der rennenden Darsteller entscheidend ist für die Einheit der Sequenz. Wer | |
da im Einzelnen läuft, spielt dann schon keine so große Rolle mehr. | |
Ein weiterer Trick ist das fast vollständige Herausschneiden der Dialoge. | |
Die Darsteller heben regelmäßig an zu sprechen, atmen laut aus, stöhnen, | |
machen „äh“. Worte vernimmt man hingegen fast keine. Dramatisch aber wird | |
es auch so. | |
Und um das Spiel mit dem Material auf die Spitze zu treiben, gestattet sich | |
Maddin die ein oder andere ironische Bemerkung zu seiner eigenen | |
Vorgehensweise – wie diesen kurzen Dialog aus der Polizeiserie „McMillan & | |
Wife“: „Wonach suchen wir eigentlich?“, fragt da ein Techniker vor einem | |
Bildschirm mit Überwachunsgsmaterial Kommissar McMillan (Rock Hudson). | |
Der erwidert knapp: „Ich weiß es nicht, aber an diesem Punkt würde ich | |
alles nehmen.“ Im wild geschnittenen Szenenfeuerwerk wird dieser | |
eingestreute Wortwechsel unversehens zum Kommentar über den Film selbst. | |
Auch wenn der mitnichten beliebig verfährt. | |
16 Feb 2018 | |
## AUTOREN | |
Tim Caspar Boehme | |
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