| # taz.de -- FDP fordert digitale Streetworker: An der Realität vorbei | |
| > Niedersachsens FDP will der Jugend ins Netz folgen, weil diese unter | |
| > fehlendem Sozialleben leide. Dabei ist die Lage laut Studien besser als | |
| > gedacht. | |
| Bild: Jugendliche hängen seit der Pandemie nur noch im Netz herum? Aktuelle St… | |
| Eine super freshe Idee hat jetzt die FDP Niedersachsen. Sie fordert ein | |
| Landesprogramm für digitale Streetworker. Weil sich „das Leben der | |
| Jugendlichen zunehmend in den digitalen Raum“ verlagere, wie es am Dienstag | |
| [1][in einer Pressemitteilung hieß], vor allem seit Corona. „Mehr denn je | |
| haben Jugendliche seitdem den digitalen Raum genutzt, um mit Freunden und | |
| Familie zu interagieren.“ | |
| Deshalb sei digitale Streetwork sinnvoller, als in Schulen und | |
| Jugendhilfeprogramme zu investieren, wie es die niedersächsische | |
| Landesregierung mit ihrem beendeten 25 Millionen Euro schweren | |
| Aktionsprogramm „Startklar in die Zukunft“ getan hatte, das die Folgen der | |
| Pandemie für Kinder und Jugendliche abmildern sollte. | |
| Klar. Wenn die Kids nicht mehr auf der Straße, in Sporthallen und | |
| Freizeitheimen herumlungern, sondern in Telefonen und Tablets, müssen die | |
| erwachsenen Helfer:innen ihnen dorthin folgen. Es brauche „eine | |
| verlässliche digitale Anlaufstelle, wo sie gezielte Beratung und | |
| Unterstützung für ihre individuellen Sorgen und Probleme erhalten können“, | |
| wird die Generalsekretärin der Niedersachsen-FDP, Imke Haake, in der | |
| Pressemitteilung zitiert. | |
| Sie erklärt, [2][warum Jugendliche nach der Pandemie so dringend Hilfe | |
| bräuchten:] Weil sie „die psychosozialen und emotionalen Folgen, bedingt | |
| durch das weitgehend vollständige Herunterfahren der sozialen Kontakte“, | |
| bis heute spüren würden. | |
| ## Online-Nutzungszeit auf dem Niveau von 2016 | |
| Nun könnte man daraus folgern, dass es gut wäre, alles zu fördern, wo sich | |
| Menschen in echt begegnen, sich auch mal in den Arm nehmen können. Aber wir | |
| können vorher abbiegen und der FDP fröhlich zurufen: Entspannt euch, die | |
| Lage ist besser als ihr glaubt! [3][So zeigte die umfangreiche | |
| Copsy-Studie] von Wissenschaftler:innen am Hamburger | |
| Universitätsklinikum Eppendorf Ende 2024, dass Kinder und Jugendliche zwar | |
| häufiger psychisch belastet seien als vor der Pandemie, aber sich der | |
| Anteil seit 2020 wieder verringert hat. Besonders gefährdet seien Kinder | |
| und Jugendliche in prekären Lebensverhältnissen. | |
| Und: Die kleinen Kröten kriechen wieder aus dem Netz heraus, [4][wie der | |
| aktuellen Jim-Studie] (Jugend, Information, Medien) des medienpädagogischen | |
| Forschungsverbunds Südwest zu entnehmen ist. Die befragt seit 1998 jährlich | |
| Jugendliche zwischen 12 und 19 Jahren zu ihrer Mediennutzung und stellt | |
| fest, dass sich im Vergleich der vergangenen zehn Jahre die | |
| Online-Nutzungszeit „auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau befindet“. | |
| Im Durchschnitt verbrachten die 1.200 Befragten im vergangenen Jahr 200 | |
| Minuten täglich online, eine Minute mehr als 2016. Im ersten Corona-Jahr | |
| 2020 waren es mit 258 Minuten täglich so viel wie nie zuvor oder danach. | |
| [5][Entwarnung gibt auch die jüngste Shell-Jugendstudie], für die im | |
| vergangenen Jahr 2.509 Jugendliche im Alter von 12 bis 25 Jahren befragt | |
| wurden: „Die Corona-Pandemie hat das Freizeitverhalten der jungen Menschen | |
| nicht grundlegend verändert: Der langfristige Trend zu mehr digitalen | |
| Beschäftigungen setzt sich fort, bei Geselligkeit, Ausgehen und Sport haben | |
| sich in den letzten fünf Jahren keine dramatischen Veränderungen ergeben.“ | |
| Aber weil es den Trend gibt, haben bundesweit viele Beratungsstellen schon | |
| vor 20 Jahren begonnen, ihre Angebote im Netz und später auch über | |
| Messenger-Dienste verfügbar zu machen, zum Beispiel Pro Familia mit | |
| Informationen über Sexualität (2001) oder das Mädchenhaus Bremen (2004) bei | |
| Gewalterfahrungen. | |
| Natürlich enthält der FDP-Vorstoß in digitale Welten auch echte Chancen. | |
| Wie viel Geld bitte lässt sich sparen, wenn Kinder und Jugendliche von | |
| künstlicher Intelligenz betreut werden?! Folgerichtig taucht das Wort | |
| „Sozial-“ oder „Jugendarbeit“ im aktuellen Programm der FDP zur | |
| Bundestagswahl auch gar nicht erst auf. Dafür, steht darin, sollen | |
| Jugendliche früher und günstiger den Führerschein machen dürfen. Auch eine | |
| Form von Streetwork. | |
| 15 Feb 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.fdp-nds.de/imke-haake-einfuehrung-digitaler-streetworker-fuer-n… | |
| [2] /Fuenf-Jahre-nach-Pandemiebeginn/!6061824 | |
| [3] https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=5043077 | |
| [4] https://mpfs.de/studien/jim-studie/ | |
| [5] https://www.shell.de/about-us/initiatives/shell-youth-study-2024/informatio… | |
| ## AUTOREN | |
| Eiken Bruhn | |
| ## TAGS | |
| FDP | |
| Jugend | |
| Covid-19 | |
| Niedersachsen | |
| Mediengesellschaft | |
| Medienkonsum | |
| Sozialarbeit | |
| Schwerpunkt Coronavirus | |
| Social Media | |
| Soziale Medien | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Fünf Jahre nach Pandemiebeginn: „Ich fühlte mich verraten von den Erwachsen… | |
| Einsamkeit, Frust, Zusammenhalt: Sieben Jugendliche erzählen, wie sie auf | |
| die Coronazeit zurückblicken – und was sie daraus heute noch beschäftigt. | |
| Social Media erst ab 16?: Was Kindern nicht gut tut | |
| Politik und Gesellschaft müssen endlich Kinder und Jugendliche vor den | |
| Gefahren der digitalen Welt schützen. Sonst droht massenhafter „Brain Rot“. | |
| Social-Media-Verbot für Jugendliche: Generation Gammelhirn | |
| Australien will Social Media für Jugendliche verbieten. Die Gen Z setzt | |
| sich oft selbst schon Grenzen, ihr digitaler Detox ist Selbsterhaltung. |