| # taz.de -- Subkultur in Berlin: Back to the roots für die KvU | |
| > Zum zweiten Mal wird der alternative Veranstaltungsort KvU in Berlin | |
| > weggentrifiziert. Immerhin: Es gibt einen Lichtblick – in Räumen einer | |
| > Kirche. | |
| Bild: Linda Steffl und Frida Schlegel am Tresen der KvU | |
| Berlin taz | Beim Öffnen der schwarzen Metalltür scheppert es | |
| ohrenbetäubend. Der Raum dahinter ist dunkel und kalt, aber durch die bunt | |
| zusammengewürfelten Möbel gemütlich eingerichtet. Die Wandfarbe ist nicht | |
| zu erkennen, überall kleben Sticker, Plakate und Zeichnungen. | |
| In diesem Raum an der Storkower Straße – zwar in Prenzlauer Berg, aber fern | |
| der schicken Hipsterkieze – veranstaltete die KvU bis vor Kurzem | |
| nichtkommerzielle Konzerte, Theater und andere Events. Doch das ist bald | |
| vorbei. Den Macher:innen der KvU wurde der Mietvertrag gekündigt. | |
| „Ich stand an dem Tag gerade draußen vor der Tür“, berichtet Linda Steffl, | |
| Sozialarbeiterin in der KvU. „Dann kam so ein Typ an. Ich hab den gesehen | |
| und ich wusste: Das bedeutet nichts Gutes.“ Der unbekannte Mann habe sich | |
| weder vorgestellt noch gefragt, wer Steffl sei. Dann habe er mündlich den | |
| Mietvertrag gekündigt. „Das war für mich ein Schock. Ich war sprachlos“, | |
| sagt Steffl. | |
| Die KvU – mit vollem Namen: [1][Kirche von Unten] – ist 1987 in Ostberlin | |
| entstanden, zunächst nur als innerkirchliche Oppositionsgruppe. Noch im | |
| selben Jahr erweiterte sie ihre Aktivitäten und begann, sich auch politisch | |
| zu engagieren. „Es hat damals einige Gemeindeleitungen gegeben, die Gruppen | |
| wie der KvU geschützte Räume geboten haben“, sagt Matthias Lohenner, | |
| Pfarrer und Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Stadtmitte, der | |
| sich um die Ortsteile Mitte, Tiergarten, Prenzlauer Berg, Friedrichshain | |
| und Kreuzberg kümmert. | |
| ## Jugendarbeit im Gewerbegebiet | |
| „Nach der Wiedervereinigung war man sich einig, dass die KvU so wertvoll | |
| ist, dass man sie erhalten sollte“, sagt Linda Steffl. Heute ist die KvU | |
| offiziell eine Jugendeinrichtung mit einem Träger, der auf Jugendarbeit | |
| spezialisiert ist. Sie hatte zunächst Räume der St.-Elisabeth-Gemeinde in | |
| Mitte, danach für viele Jahre in der Kremmener Straße in der Nähe des | |
| Mauerparks. „Die KvU war dort sehr präsent in der Nachbarschaft“, sagt | |
| Steffl. Es gab nicht nur Konzerte und Diskos, sondern auch „Küchen für | |
| Alle“ und Nachbarschaftsveranstaltungen. | |
| Aber: 2014 war auch hier Schluss. Die KvU wurde weggentrifiziert. Die Suche | |
| nach neuen Räumen begann. [2][Fündig wurde man in der Storkower Straße | |
| 119], für die die KvU einen auf fünf Jahre befristeten Mietvertrag bekam. | |
| Seit 2019 gibt es nur noch einen mündlichen Mietvertrag. Genau der wurde im | |
| August vergangenen Jahres gekündigt. Mithilfe eines Anwalts konnte die KvU | |
| eine Galgenfrist heraushandeln. Doch auch die läuft jetzt aus. Ende März | |
| 2025 muss die KvU raus sein. | |
| Linda Steffl und ihre Kollegin Frida Schlegel führen durch die Räume in dem | |
| unwirtlichen Gewerbegebiet an der Storkower Straße. Im zentralen Raum steht | |
| ein großer Tisch, es gibt bunt zusammengewürfelte Stühle, eine Bühne, alte | |
| Kinosessel, ein altes DJ-Pult, eine Bar, einen Proberaum für Bands, einen | |
| Büroraum und einen großen Saal. Schlegel sagt: „Es ist Fluch und Segen, | |
| dass das hier alles so groß ist. Es sammelt sich ganz schön viel Zeug an.“ | |
| Zugleich bietet die große Fläche die Möglichkeit für Veranstaltungen der | |
| verschiedensten Art. „Hier gab es alles, was von den Leuten eingebracht | |
| wurde“, sagt Steffl. Theater, Videodrehs, Bandproben, Konzerte, eine | |
| Fahrradwerkstatt, Kampfsportkurse, Tresenabende, Kickerturniere. Steffl | |
| schaut auf den Kicker und seufzt. Noch ist nicht klar, was mit „dem ganzen | |
| Zeug“ passiert, das hier noch steht. | |
| ## Ein politischer Ort | |
| „Es ist so bitter, dass in Zeiten des Rechtsrucks und der | |
| Chancenungleichheit ein Freiraum wie die KvU verschwinden soll“, sagt | |
| Steffl. Die KvU ist ein politischer Ort. Trotzdem glauben die | |
| Sozialarbeiterinnen nicht, dass der Rauswurf des Vermieters ein politisches | |
| Statement ist. Steffl sagt: „Wahrscheinlich hat er jetzt einfach die | |
| Möglichkeit, mehr Geld zu machen.“ | |
| Die Räume gehören der Delphi Vermögens- und Verwaltungs-GmbH. Auf eine | |
| Anfrage der taz hat das Unternehmen bis Redaktionsschluss nicht reagiert. | |
| „Das sind nur ein paar Leute“, glaubt Steffl, „aber Leute mit Macht, die … | |
| einer anderen Welt leben als wir.“ | |
| In einem Raum der KvU hängt ein großes Banner mit der Aufschrift: „Hey | |
| Macker, mach dich raus hier, was soll ich denn noch mit dir hier?!“ Das | |
| trifft die Stimmung mit Blick auf den Vermieter ganz gut. | |
| „Uns ist klar, dass wir uns keine normale Gewerbemiete leisten können“, | |
| sagt Steffl. Deswegen habe die KvU auch beim Senat und der Deutschen Bahn | |
| nach Räumen angefragt. „Das war viel Recherchearbeit für am Ende nichts, | |
| weil alles nichts geworden ist“, sagt Schlegel. | |
| ## Last exit Tiergarten? | |
| Seit einigen Wochen gibt es immerhin einen Lichtblick für die KvU. „Wir als | |
| Kirchengemeinde haben eine freie Gewerbeeinheit im Hansaviertel“, sagt | |
| Simon Gramß, Geschäftsführer der Evangelischen Gemeinde Tiergarten. | |
| Steffl und Schlegel haben die Räumlichkeiten besichtigt und sehen dort | |
| Potenzial. „Wir haben denen gesagt, was KvU ist. Dass wir auch mal laut | |
| sind und die Wände nicht lange weiß bleiben werden“, sagt Steffl: „Wenn es | |
| jetzt back to the roots geht, sind wir natürlich gespannt, wie offen die | |
| Kirche heute für uns ist.“ | |
| Gramß ist aufgeschlossen: „In der Gemeinde hat es sich bewährt, dass man | |
| Dinge ausprobiert und wenig Berührungsängste hat.“ Die endgültige | |
| Entscheidung, ob die KvU die Räume der Gemeinde nutzen darf, wird an diesem | |
| Mittwoch im Kirchenrat fallen. | |
| Dass die KvU jetzt wieder in die Räume einer Kirche ziehen könnte, ist aus | |
| historischen Gründen interessant. Die Rolle der Kirche in der Gesellschaft | |
| habe sich seit 1990 verändert, so Matthias Lohenner vom [3][Evangelischen | |
| Kirchenkreis Stadtmitte]. Trotzdem glaubt er, dass „die Suche nach | |
| geschützten Räumen wieder ein Thema werden könnte“. Und genau das passiert | |
| gerade bei der KvU. | |
| „Die evangelische Kirche hat jetzt wieder die Chance, die linke Subkultur | |
| und ihre gesellschaftskritische Orientierung mit ihren Räumlichkeiten zu | |
| unterstützen“, sagt Steffl. „Damals wegen des gesellschaftlichen | |
| Ausschlusses, heute wegen der Gentrifizierung“, ergänzt Schlegel. | |
| 11 Feb 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://kvu-berlin.de/ | |
| [2] /Berliner-Jugendeinrichtung/!5051764 | |
| [3] https://www.kkbs.de/?p=5000 | |
| ## AUTOREN | |
| Leonore Kogler | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin | |
| Evangelische Kirche | |
| Berlin Kultur | |
| Jugendzentrum | |
| Berlin Prenzlauer Berg | |
| Social-Auswahl | |
| Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin | |
| Schwerpunkt Stadtland | |
| Clubkultur | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Fotos über Gentrifizierung in Berlin: Abreißen, aufhübschen, unbrauchbar mac… | |
| Die Fotogalerie Friedrichshain zeigt Fotos über Gentrifizierung. Nur wenige | |
| Gegenden sind stärker davon gezeichnet als der Kiez rund um die Galerie. | |
| Museumsleiterin über Utopie und Alltag: „Wir wollen keine Ostalgie bedienen�… | |
| Andrea Wieloch leitet das Museum „Utopie und Alltag“ in Eisenhüttenstadt. | |
| Sie fühlt sich manchmal ostdeutsch, Ostalgie mag sie nicht. | |
| Clubsterben in Berlin: Die „Kirche von Unten“ soll gehen | |
| Dem seit Tagen der DDR-Opposition existierenden subkulturellen Club Kirche | |
| von unten wurde gekündigt. Doch aufgeben wollen die Betreiber noch nicht. |