# taz.de -- Bildersturm in Berlin-Mitte: Privat initiierten und finanzierten Sk… | |
> Sie müssen weg, weil sie auf öffentlichem Grund stehen. Das ist eine | |
> Konsequenz aus dem Streit über die Entfernung der „Trostfrauenstatue“ in | |
> Moabit. | |
Bild: Der Lastenbär aus Elbsandstein neben der evangelischen Zionskirche in Be… | |
Berlin taz | An der Mauerstraße in Mitte erinnert eine Konstruktion aus | |
Licht und Stahl seit 2012 an die einstige Bethlehemskirche, die hier im 18. | |
Jahrhundert von böhmischen Religionsflüchtlingen errichtet wurde. Im | |
Zweiten Weltkrieg wurde die Kirche stark zerstört, in der DDR schließlich | |
1963 abgerissen, weil sie zu dicht an der Mauer stand. Nun soll auch die | |
[1][Installation „Memorias Urbanas“] verschwinden. So zumindest will es das | |
Bezirksamt Mitte. | |
Der spanische Konzeptkünstler Juan Garaizabal, der die Installation schuf | |
und sich selbst als Einwanderer bezeichnet, sieht sie als Mahnmal für | |
Toleranz und Offenheit einer Einwanderergesellschaft. Die Initiative für | |
die Konstruktion ging von einer kirchennahen Stiftung aus, das Land Berlin | |
hat keinen Cent dafür bezahlt, die Gelder wurden auf Benefizveranstaltungen | |
eingeworben. Trotzdem soll das Kunstwerk weg. Die Sache ist nach Angaben | |
des Bezirksamts bereits vor Gericht anhängig. Bis zu einer endgültigen | |
Entscheidung darf die Installation noch stehen bleiben. | |
„Memorias Urbanas“ ist nicht das einzige Kunstwerk im öffentlichen Raum, | |
das in Mitte demnächst abgeräumt werden soll. Gleiches droht dem | |
[2][„Großen Lastenbär“] auf dem Zionskirchplatz. Die Sandsteinskulptur des | |
Berliner Bildhauers Stefan Rinck war während der Cononazeit in einer | |
Ausstellung in der Zionskirche zu sehen und wurde dort zum | |
Publikumsliebling. | |
Darum entschieden die Ausstellungsmacher um die Galeristin Constanze | |
Kleiner, den Bären vor der Kirche aufzustellen. „Sie sollte zeichenhaft | |
daran erinnern, wie notwendig Kunst ist, um gemeinsam harte Zeiten | |
durchzustehen“, sagt Kleiner der taz. Sie bekam eine Genehmigung für zwei | |
Jahre, die um gut ein Jahr verlängert wurde, weil es während dieser Zeit | |
Bauarbeiten an der Kirche gab. | |
## Dauerhafte Standgenehmigung? Antrag abgelehnt | |
„Wir wollten die Skulptur nicht dauerhaft stehen lassen, dachten, sie nach | |
zwei Jahren zu verkaufen. Aber wir haben überrascht festgestellt, dass | |
viele Leute die Skulptur gern behalten wollen“, sagt Kleiner. Nachbarn | |
hätten ohne Zutun der Initiatoren eine Petition für den Erhalt der Skulptur | |
gestartet. Die Initiatoren beantragten daraufhin beim Bezirk Mitte eine | |
dauerhafte Standgenehmigung. Ohne Erfolg. Der Antrag wurde abgelehnt. Ein | |
Widerspruchsverfahren läuft. | |
Ortswechsel, aber ebenfalls in Mitte: Am Magnus-Hirschfeld-Ufer erinnern | |
[3][seit 2011 zwei Stelen] und seit 2017 ein Denkmal an die homosexuelle | |
Verfolgungs- und Emanzipationsgeschichte. Letztere ist eng verbunden mit | |
dem Namen des Sexualwissenschaftlers Magnus Hirschfeld und seinem Institut, | |
das an diesem Standort in der Nähe des heutigen Bundeskanzleramtes stand. | |
Das dürfte zumindest die Stelen kaum vor einer Abrissverfügung schützen. | |
Auch wenn eine Entscheidung noch aussteht und der Sprecher des Bezirksamts | |
Mitte mitteilt: „Was mit diesen geschehen soll, entzieht sich unserer | |
Kenntnis.“ | |
Anders als das Denkmal mit den regenbogenfarbenen Blumen, das auf einen | |
öffentlichen Wettbewerb zurückgeht, wurden die Stelen auf Initiative des | |
Lesben- und Schwulenverbandes LSVD errichtet und finanziert. Sie gehören | |
auch dem LSVD. Und genau das könnte hier ebenso zum Problem werden wie bei | |
der Installation an der Mauerstraße oder dem „Großen Lastenbär“ auf dem | |
Zionskirchplatz. | |
## Private Kunst in Mitte? Nur temporär | |
Denn so wenig die drei Kunstwerke auf den ersten Blick gemeinsam haben, | |
eines eint sie: Sie sind privat initiierte und finanzierte Kunstwerke auf | |
öffentlichem Grund im Bezirk Mitte. Und private Kunst soll in Mitte nur | |
temporär stehen dürfen, sofern sie nicht aus einem Wettbewerb | |
hervorgegangen ist. | |
Das folgt der Begründung des Bezirksamts, weshalb auch die | |
[4][„Trostfrauenstatue“] in Moabit verschwinden soll, die an | |
Zwangsprostituierte in japanischen Militärbordellen im Zweiten Weltkrieg | |
erinnert. Der Bezirk weist die Vermutung zurück, sie solle entfernt werden, | |
weil die japanische Regierung Druck auf Deutschland ausübt und der | |
Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) Japan „Veränderungen“ versproch… | |
hatte, um die Städtepartnerschaft mit Tokio nicht zu gefährden. Nein, der | |
Bezirk beruft sich auf formale Gründe: Private Kunst im öffentlichen Raum | |
darf nur temporär stehen, wenn sie nicht aus einem Kunstwettbewerb | |
hervorgegangen ist. | |
Der Korea-Verband, der die Statue gehört und sie mit behördlicher | |
Genehmigung einst aufbaute, wehrt sich derzeit vor Gericht gegen die | |
Aufforderung, das Mahnmal aus diesem Grund zu entfernen. Und er | |
argumentiert mit anderen privaten Kunstwerken, die in Mitte stehen: eben | |
dem „Großen Lastenbär“, der Kircheninstallation „Memorias Urbanas“ un… | |
Hirschfeld-Stelen. Weil diese Bestand haben, heißt es vom Korea-Verband, | |
sei der formale Grund lediglich vorgeschoben. | |
## Der Bezirk hat schlechte Karten vor Gericht | |
Klar ist: Der Bezirk hat schlechte Karten vor Gericht, wenn er andere | |
private Kunstwerke einfach stehen lässt. In zeitlicher Nähe zur | |
Auseinandersetzung mit dem Korea-Verband wurde dann auch die befristete | |
Genehmigung für den „Großen Lastenbären“ nicht verlängert und die | |
Genehmigung für die Installation „Memorias Urbanas“ entzogen. | |
Constanze Kleiner von der privaten Initiative für den „Lastenbären“ sagt: | |
„Ja, es muss Regeln geben. Aber es muss abgewogen werden, ob deren | |
Einhaltung vielleicht mehr Schaden anrichtet als der Regelbruch. Denn diese | |
Skulptur stiftet Gemeinschaft.“ Deutschland brauche mehr denn je Menschen, | |
die Verantwortung übernehmen: „Darum darf der Staat nicht allein über | |
Erinnerungswertes entscheiden. Es muss dauerhaft gleichberechtigten Raum | |
geben für Kultur von unten.“ | |
Kleiner sieht die Zionskirche auf besondere Weise mit dieser | |
Sandsteinskulptur verbunden. Die Zionskirche habe auch ein widerständiges | |
Erbe. Hier hat einst Dietrich Bonhoeffer gepredigt, hier war in der DDR mit | |
der Umweltbibliothek ein wichtiger Ort des Widerstands. „Der ‚Lastenbär‘ | |
hat das in sich aufgenommen.“ | |
9 Feb 2025 | |
## LINKS | |
[1] http://www.juangaraizabal.com/memoria-urbana-berlin-2128 | |
[2] https://lastenbaer-berlin.de/ | |
[3] https://www.gedenktafeln-in-berlin.de/gedenktafeln/detail/erste-homosexuell… | |
[4] /Streit-um-Trostfrauen-Mahnmal/!6057832 | |
## AUTOREN | |
Marina Mai | |
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