# taz.de -- Kritik an Söder-Rede: Relativierung an falscher Stelle | |
> CSU-Chef Markus Söder hielt eine Rede bei einem Gedenkakt für die Opfer | |
> des Nationalsozialismus. Verglich er dabei den Angriff in Aschaffenburg | |
> mit dem Holocaust? | |
Bild: Das Fürther Bündnis gegen Rechtsextremismus und Rassismus hält den Ver… | |
Fürth taz | Man könnte denken, dass der bayerische Ministerpräsident Markus | |
Söder vor zwei Wochen im Schloss Dachau zum Gedenktag der Opfer des | |
Nationalsozialismus weitgehend unbeobachtet eine Rede gehalten hat. Und man | |
hätte ihn dafür loben können, dass er darin den Geschichtsrevisionismus der | |
AfD zur Sprache brachte, kurz bevor seine Fraktion mit ihnen im Bundestag | |
für das sogenannte Zustrombegrenzungsgesetz stimmte. Oder dafür rügen, dass | |
er sich ständig verhaspelte und Allgemeinplätze verwendete. Das [1][Fürther | |
Bündnis gegen Rechtsextremismus und Rassismus (BgR)] findet aus einem ganz | |
anderen Grund den Beginn seiner Rede problematisch. | |
Nach der bayerischen Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU), die ungewohnt | |
deutliche Worte für die AfD-„Kanzlerkandidatin“ Alice Weidel fand, trat | |
Markus Söder ans Podium und begann seine Rede mit einem Vergleich: „Dies | |
ist ein besonderer Tag in einem besonderen Kontext. Ich dachte nicht, als | |
ich mir Anfang der Woche überlegt habe, was ich heute sagen darf und sagen | |
kann, dass wir gestern ein ähnlich schlimmes Ereignis hatten: Der | |
schreckliche Angriff in Aschaffenburg auf unschuldige Kinder. Der Tod eines | |
kleinen Jungen gestern … Und der Tod eines tapferen Mannes, der versucht | |
hat, das aufzuhalten.“ | |
Für das Fürther Bündnis gegen Rechtsextremismus und Rassismus ist es | |
skandalös, die fürchterliche Tat eines einzelnen Kranken auch nur in die | |
Nähe des Holocaust – des millionenfachen Mords an Juden und Andersdenkenden | |
– zu rücken, so dessen Sprecher Niklas Haupt. „Söder instrumentalisiert d… | |
Millionen Opfer des Nationalsozialismus für seine Politik der Ausgrenzung | |
und Abschottung, das ist niederträchtig und eines Ministerpräsidenten | |
unwürdig.“ | |
Weiter sprach Söder über den Geschichtsrevisionismus der AfD und wie | |
wichtig es sei, sich gegen Antisemitismus einzusetzen. Insofern könnte | |
Söders Rede wohlwollend betrachtet als Plädoyer für Zivilcourage gedeutet | |
werden. Dennoch mutet gerade der Passus „dass ich sagen darf und sagen | |
kann“ an, als handle es sich bei der Tat von Aschaffenburg um ein | |
willkommenes Wahlkampfgeschenk für ihn. Da der Holocaust durch eine | |
Gleichsetzung relativiert wird, könnten Teile der Rede als sekundärer | |
Antisemitismus gewertet werden. | |
## Keine Reaktion | |
Weder aus dem Publikum, noch in der Öffentlichkeit erfolgte bislang eine | |
kritische Reaktion auf Söders Rede, obwohl die Veranstaltung live | |
übertragen wurde [2][und immer noch] in der ARD-Mediathek zu sehen ist. Im | |
Publikum saßen unter anderem David Husarek, Enkel des Dachau-Überlebenden | |
Paul Husarek, und die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München | |
und Oberbayern, Charlotte Knobloch. Diese äußerte sich bis zum | |
Redaktionsschluss nicht auf Anfrage der taz. Erst das Fürther Bündnis | |
setzte sich kritisch mit dem Wortlaut Söders auseinander. | |
Für Max Czollek, Enkel eines jüdischen Verlegers und Widerstandskämpfers, | |
ist die Sache allerdings eindeutig: „Hier handelt es sich um eine | |
Verharmlosung der Schoah. Aschaffenburg ist bei aller Tragik natürlich kein | |
‚ähnlich schlimmes Ereignis‘, sondern etwas völlig anderes“, so der | |
Schriftsteller zur taz. „Die Relativierung der Schoah durch einen schiefen | |
Vergleich mit irgendwelchen aktuellen Gewalttaten ermöglicht letztendlich | |
eine Entlastung von Verantwortung. Die Gefährlichkeit dieser Entlastung | |
wird besonders deutlich, wenn die CDU die Relativierung als Rechtfertigung | |
nutzt, um mit einer völkischen Partei zusammenzuarbeiten, die dabei helfen | |
soll, ‚ähnlich schlimme Ereignisse‘ zu verhindern. Diese Relativierung der | |
Schoah führt also zugleich zu einer Verharmlosung der AfD.“ | |
Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder hätte sich die Worte seiner | |
Landtagspräsidentin Ilse Aigner zu Herzen nehmen sollen: „Wehren wir uns | |
gegen ideologisches Denken, in dem morgen alle ‚Die Anderen‘ sein können.�… | |
Aber vielleicht hat das Kuscheln mit der AfD inzwischen auch zu sehr | |
abgefärbt. | |
6 Feb 2025 | |
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[2] https://www.ardmediathek.de/video/phoenix-vor-ort/reaktion-soeder-zur-messe… | |
## AUTOREN | |
Leonhard F. Seidl | |
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