| # taz.de -- Demos gegen Merz und AfD: Bewegung auf der Straße | |
| > Nach Merz’ Tabubruch weitet sich eine bundesweite Protestwelle aus. Auch | |
| > dem Antrag auf Prüfung eines AfD-Verbots könnte das neuen Schwung | |
| > verleihen. | |
| Bild: Gehen gegen Merz und die AfD auf die Straße: Protestierende in Dresden a… | |
| BERLIN taz | Nach dem [1][Tabubruch von Friedrich Merz] stehen am | |
| Mittwochabend rund 1.000 Menschen vor der CDU-Parteizentrale. An der | |
| Fassade des Konrad-Adenauer-Hauses prangt ein überlebensgroßer Parteichef | |
| mit dem Schriftzug „Haus des Politikwechsels“. Merz hatte ohne Not die | |
| Stimmen der AfD für einen migrationskritischen Antrag akzeptiert, was dem | |
| Spruch eine neue, vielleicht ehrlichere Bedeutung verleiht. | |
| Die Parteizentrale der CDU ist an diesem Abend abgeschottet. Die Polizei | |
| droht, einen Teil der Kreuzung zu räumen, und hat das Adenauer-Haus | |
| weiträumig abgesperrt. Hinter Absperrgittern bellen Schäferhunde, an den | |
| Laternen zwischen Kundgebung und Parteizentrale hängen AfD-Plakate. „Alle | |
| zusammen gegen den Faschismus“, rufen die Menschen lautstark. Zwei Stunden | |
| verharren die meisten hier und schwören, am nächsten Abend zurückzukehren. | |
| Selber Ort, selbe Zeit. | |
| Die Zusammenarbeit der Union mit der AfD im Bundestag löst Schockwellen | |
| aus: Über 90 Kundgebungen sind laut der Klima-Aktivistin Luisa Neubauer und | |
| dem [2][Geschäftsführer der Kampagnenplattform Campact, Christoph Bautz], | |
| allein für Donnerstag und Freitag geplant, ebenso viele am Wochenende – | |
| viele davon vor CDU-Zentralen und Büros, auf kleinen und großen | |
| Marktplätzen. Einen genauen Überblick über die Demos gibt es noch nicht, | |
| aber man plant, die Proteste auf einer Website zusammenzufassen. | |
| Eine der größten Demos dürfte am Sonntag in Berlin stattfinden: Ein breites | |
| Bündnis plant ab 15.30 Uhr auf der Reichstagswiese eine Kundgebung und will | |
| unter dem Motto „Wir sind die Brandmauer“ zum Konrad-Adenauer-Haus ziehen. | |
| Für Christoph Bautz ist klar: „Die Antwort auf diesen Tabubruch kann nur | |
| ein Aufstand der Anständigen sein.“ Man rechne mit Zehntausenden Menschen. | |
| Luisa Neubauer von Fridays for Future sagt: „Merz ist ein Sicherheitsrisiko | |
| für unsere Demokratie geworden. Demokratie hat man nicht, sondern lebt | |
| man.“ Deswegen sei es wichtig, gemeinsam mit Kirchen, Gewerkschaften und | |
| sich zur Demokratie bekennenden Parteien in einem breiten Bündnis die | |
| Brandmauer wieder hochzuziehen und zu schützen. | |
| ## Mehrere Unions-Abgeordnete wohl nun doch für Verbot | |
| Katja Karger vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) kündigt an, man werde | |
| „für eine verantwortungsvolle und menschenwürdige Asylpolitik, Solidarität | |
| und Rechtsstaatlichkeit“ auf die Straße gehen, gemeinsam mit 70 weiteren | |
| Organisationen. Karger fordert auch ein Bekenntnis zu Verfassung und | |
| Rechtsstaat von den Arbeitgeberverbänden: „Wer sich von Stimmen der AfD | |
| abhängig macht, verlässt eindeutig die demokratische Mitte dieses Landes.“ | |
| Unterdessen gibt es auch im Parlament Bewegung: Am Donnerstagvormittag | |
| warben die Bundestagsabgeordneten Marco Wanderwitz (CDU), Carmen Wegge | |
| (SPD), Till Steffen (Grüne), Martina Renner (Linke) und Stefan Seidler | |
| (SSW) um Unterstützung ihres überfraktionellen Antrags auf Prüfung des | |
| AfD-Verbots durch das Bundesverfassungsgericht. Der von zunächst 124 | |
| Abgeordneten eingebrachte Antrag sollte ab 17.30 Uhr debattiert werden. | |
| „Viele Menschen haben große Sorge um unsere Demokratie, wir haben es mit | |
| einer wirkmächtigen, gruseligen Partei zu tun, die leider von Wahlsieg zu | |
| Wahlsieg eilt und die politische Kultur und die Herzen und Köpfe der | |
| Menschen im Land vergiftet“, sagte Wanderwitz. Er selbst blieb der | |
| Abstimmung fern und wollte keine Einschätzung zum Tabubruch abgeben, sagte | |
| aber, dass mehrere Unions-Abgeordnete nun doch den Verbotsantrag | |
| unterstützen wollen. | |
| Ebenso gebe es Bewegung in der SPD-Fraktion und bei den Grünen, wie die | |
| Abgeordneten mitteilten. Eine Mehrheit war dennoch nicht absehbar, weswegen | |
| man den Antrag zunächst in den Innenausschuss überweisen wolle. | |
| Sollte durch die Diskussionen über Merz’ Brandmauerabriss eine Mehrheit | |
| entstehen, wolle man ihn im Februar erneut zur Abstimmung vorlegen. Doch es | |
| jetzt zu versuchen, sei man den vielen Menschen und bedrohten Minderheiten | |
| schuldig, bei denen die AfD im Wahlkampf etwa Abschiebetickets in die | |
| Briefkästen geworfen habe, sagt die Sozialdemokratin Wegge: „Sollte es in | |
| dieser Legislatur nicht klappen, dann in der nächsten.“ Der Grünenpolitiker | |
| Till Steffen sagt, er halte bereits jetzt „die Beweislage für erdrückend“, | |
| die AfD habe sich für einen verfassungsfeindlichen Radikalisierungskurs | |
| entschieden, die demokratischen Fraktionen müssten nun wieder | |
| zusammenfinden. | |
| ## Großes neues Gutachten zur AfD geplant | |
| Linken-Politikerin Martina Renner, die wie Wanderwitz nicht wieder für den | |
| Bundestag antritt, betont: „Geschichte wiederholt sich nicht, weil man | |
| Fehler nicht zweimal machen muss.“ Deswegen hätten Mütter und Väter des | |
| Grundgesetzes das Instrument des Parteiverbots ins Grundgesetz geschrieben. | |
| In einem solchen historischen Moment beim Erstarken einer faschistischen | |
| Partei müsse die Tür nach Karlsruhe geöffnet werden. | |
| Für den Fall, dass der Antrag wie erwartet in dieser Legislatur noch keine | |
| Mehrheit findet, haben andere vorgebaut. Ein zivilgesellschaftliches | |
| Bündnis bestehend aus der Gesellschaft für Freiheitsrechte, FragDenStaat, | |
| Innit, dem Republikanischen Anwält*innenverein, dem postmigrantischen | |
| Jurist*innen-Bund, dem Blog Volksverpetzer und Campact hat ein | |
| 800.000-Euro-Projekt angekündigt. Es soll ein Gutachten zur | |
| Verfassungsfeindlichkeit der AfD erstellen. Es soll im Gegensatz zur | |
| Verfassungsschutzeinstufung transparent erarbeitet werden, um den offenen | |
| gesellschaftlichen Diskurs zu einem möglichen AfD-Verbotsverfahren mit | |
| juristischen Fakten zu untermauern. | |
| Der Jurist Bijan Moini sagt, dass die Unsicherheit ein Grund für das | |
| Scheitern des Antrags im Bundestag sei. Die wolle man ausräumen, indem man | |
| ein Jahr lang mit einem Team von 4 Jurist*innen und 2 | |
| Rechtsextremismusexpert*innen sowie einer Person für Dokumentation | |
| die Verfassungswidrigkeit der AfD ergebnisoffen anhand der Kriterien des | |
| Bundesverfassungsgerichts prüfe. Am Ende soll ein wissenschaftlich | |
| fundiertes umfangreiches Gutachten stehen, das der Komplexität der AfD und | |
| ihrer Strategie gerecht werde. „Das Gutachten soll die Frage der | |
| Verfassungswidrigkeit für viele Menschen klären und eine wichtige Lücke in | |
| der Debatte schließen“, sagte Moini. [3][Bisherige Gutachten] seien nicht | |
| breit genug, weil der Untersuchungsgegenstand so groß und kompliziert sei. | |
| Moini rechnet am Ende mit einem mehrere Hundert Seiten umfassenden | |
| Gutachten mit noch größerem Anhang. Für die Debatte danach solle kein Weg | |
| mehr an diesem zivilgesellschaftlich und transparent erarbeiteten Gutachten | |
| vorbeiführen. | |
| ## Pöbeleien aus der AfD-Fraktion | |
| Am Abend schließlich Verwies der Bundestag den Antrag auf Prüfung des | |
| AfD-Verbots in den Innenausschuss. Zuvor gab es eine längere kontroverse | |
| Debatte, die auch durch anhaltende Pöbeleien aus Reihen der AfD-Fraktion | |
| geprägt war. Brandner bekam einen Ordnungsruf, weil er einen | |
| SPD-Abgeordneten als einen „Sozialfaschisten“ beschimpfte. | |
| Zuvor hatte er bereits in der gewohnten Opferrolle Deutschland mit einer | |
| Diktatur und einem Polizeistaat verglichen, in dem die Opposition verboten | |
| werde – gleichwohl das Verbot rechtsstaatlich vom Bundesverfassungsgericht | |
| überprüft würde. Die Initiatoren beschimpfte er als „abgehobene Clique von | |
| Politfunktionären“ und „Hofschranzen“, Brandner rief martialisch: „Sie | |
| wollen uns vernichten und Blut sehen!“ | |
| Der Christdemokrat Wanderwitz hatte treffend gesagt, man könne allein an | |
| den Zwischenrufen den destruktiven Charakter dieser Partei sehen. Um | |
| „irreparable Schäden an der Substand unseres Landes“ abzuwenden, brauche es | |
| den Antrag. Er zitierte den Holocaust-Überlebenden Leon Weintraub, der | |
| 99-jährigen beim 80-jährigen Jahrestag der Befreiung von Auschwitz gesagt | |
| hat: „Nehmt die Feinde der Demokratie ernst!“ | |
| Auch die Sozialdemokratin Wegge verwies darauf, dass sich die Losung „Nie | |
| wieder“ mittlerweile leider zu „Nie wieder ist jetzt“ weiterentwickelt | |
| habe. Man müsse die Angst der Menschen vor der AfD ernst nehmen und | |
| deswegen sei die Prüfung der AfD durch das Bundesverfassungsgericht | |
| angezeigt: „Inzwischen sitzen meine Freunde am Küchentisch und reden nicht | |
| mehr nur im Scherz darüber, wohin wir eigentlich flüchten müssen, wenn die | |
| AfD an der Macht ist.“ Die AfD-Fraktion reagierte mit höhnischem Gelächter. | |
| 30 Jan 2025 | |
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| [3] /Studie-zur-AfD/!5939276 | |
| ## AUTOREN | |
| Gareth Joswig | |
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