| # taz.de -- Politologe über Druck auf den Iran: „Die iranische Regionalmacht… | |
| > Der Autor und Politologe Ali Fathollah-Nejad übt Kritik an der deutschen | |
| > Politik gegenüber dem Iran. Er fordert, mehr Druck aufzubauen. | |
| Bild: Straßenszene aus Teheran, zwei Frau gehen ohne Hijab über einer Platz, … | |
| taz: Ali Fathollah-Nejad, der Titel Ihres neuen Buches lautet: „Iran: Wie | |
| der Westen seine Werte und Interessen verrät“. Welche dem Westen inhärenten | |
| Werte und Interessen sind das? | |
| Ali Fathollah-Nejad: Zugegeben: Der Untertitel meines Buches ist ein wenig | |
| irreleitend. Denn eigentlich beziehe ich mich weniger auf westliche Werte, | |
| sondern auf universelle. Ein Berufen auf genau diese Werte ist in der | |
| iranischen Gesellschaft stark zu beobachten – besonders bei den „Frau, | |
| Leben, Freiheit“-Protesten 2022, dem vorläufigen Höhepunkt des – wie ich | |
| ihn nenne – langfristigen revolutionären Prozesses in Iran. | |
| taz: Inwieweit steht die bisherige deutsche Iran-Politik dem entgegen? | |
| Fathollah-Nejad: Insgesamt würde eine werteorientierte Außenpolitik | |
| gegenüber der Islamischen Republik nicht nur „unseren“ Werten und denen der | |
| iranischen Mehrheitsgesellschaft entsprechen, sondern auch unseren | |
| sicherheitspolitischen Interessen. Die bisherige Quasi-Appeasement-Politik | |
| hat nur Instabilität erzeugt und ein hoch repressives Regime eher gestärkt | |
| als geschwächt – auch zum Nachteil deriranischen und nahöstlichen | |
| Gesellschaften. | |
| taz: Welche Impulse konnte die scheidende Bundesregierung in der | |
| Iran-Politik setzen? | |
| Fathollah-Nejad: Nach der Niederschlagung des | |
| „Frau-Leben-Freiheit“-Aufstandes zur Jahreswende 2022/23 hat auch die | |
| Bundesregierung dem Regime Verhandlungsbereitschaft in Bezug auf die | |
| Atomfrage signalisiert und Gespräche gesucht. Wenn es einen Fall gegeben | |
| hätte, wo die [1][von Außenministerin Baerbock proklamierte feministische | |
| Außenpolitik] sich hätte beweisen oder zumindest graduelle Impulse hätte | |
| setzen können, dann wäre das natürlich ein revolutionärer Aufstand gewesen, | |
| der von Frauen angeführt wird und bei dem Frauen- und Menschenrechte im | |
| Mittelpunkt stehen. Dass man sich mit dem Regime arrangieren will, komme | |
| was möge, haben die Machthaber im Iran wohlwollend registriert. Mitunter | |
| hatte sich die Rhetorik der deutschen Politik ein wenig verschärft. Doch | |
| das wurde nicht begleitet von stärkerem politischem Druck. Die | |
| Sanktionspakete, die auf europäischer Ebene durchgesetzt wurden, waren | |
| allesamt sehr milde. | |
| taz: Im Oktober 2024 wurde der vom Regime entführte Deutsch-Iraner | |
| [2][Jamshid Sharmahd] hingerichtet. Die ebenfalls gekidnappte | |
| italienische Journalistin Cecilia Sala ist seit Kurzem wieder frei, | |
| ebenso die [3][Deutsch-Iranerin Nahid Taghavi]. Reagiert die deutsche | |
| Bundesregierung richtig auf die Geiseldiplomatie des iranischen Regimes? | |
| Fathollah-Nejad: Das Auswärtige Amt hat hier seit jeher eine sogenannte | |
| leise Diplomatie bevorzugt. Da die Islamische Republik sehr bemüht ist um | |
| ihr internationales Image, wäre es hilfreicher, die Geiselnahmen auch von | |
| Regierungsseite öffentlich viel stärker zu skandalisieren. Doch weil man | |
| die Iraner bloß nicht entmutigen will, weiterhin am Atomverhandlungstisch | |
| zu sitzen, scheut man davor zurück, Dinge zu tun, die die Gegenseite | |
| möglicherweise als Affront wahrnimmt. | |
| taz: Was erwarten Sie von der kommenden Regierung? | |
| Fathollah-Nejad: Ich hoffe, dass die kommende Bundesregierung erkennt, dass | |
| die Druckkomponente gegenüber aggressiven Autokratien wie der Islamischen | |
| Republik bislang vernachlässigt wurde. Zwischen den Putin-Verstehern und | |
| den Iran-Verstehern sehe ich starke Parallelen. Selbst der Atomdeal von | |
| 2015, der nach wie vor als Kronjuwel europäischer Diplomatie und deutscher | |
| Außenpolitik gilt, wäre nicht möglich gewesen ohne die zuvor verhängten, | |
| sehr scharfen Sanktionen durch die Obama-Administration und die EU. | |
| taz: Wie blicken die Iraner die bald beginnende zweite Amtszeit von | |
| US-Präsident Trump? | |
| Fathollah-Nejad: Das iranische Establishment erwartet mit großem Schrecken | |
| eine Wiederkehr seiner Politik des „maximalen Drucks“. Die Sanktionen in | |
| seiner ersten Amtszeit haben der iranischen Führung die schwersten Jahre | |
| seit ihrem Bestehen eingebracht. Über 200 Milliarden Dollar gingen ihr | |
| dadurch verloren. Bei Trump kann man allerdings nicht vollkommen | |
| ausschließen, dass er im Zuge seiner Unberechenbarkeit, seines Faibles für | |
| den Transaktionalismus und „große Deals“ und seiner Sympathie für | |
| autoritäre Herrschersysteme einen Pakt mit dem Regime schließt. | |
| 2025 wird für die Islamische Republik wohl das schwierigste Jahr seit ihrem | |
| Bestehen. Im vorigen Jahr konnten wir sehen, wie im Zuge des Krieges in | |
| Nahost das Regime zu einem Kaiser ohne Kleider geworden ist. Die iranische | |
| Regionalmacht ist ein Schatten ihrer selbst. Das Zerbröckeln der von Iran | |
| geführten sogenannten Achse des Widerstandes ist eine historische Zäsur. | |
| Die Kulmination dessen ist der Sturz des syrischen Diktators Baschar | |
| al-Assad, der unter anderem ohne das Ausschalten des iranischen Kronjuwelen | |
| Hisbollah durch die Israelis nicht möglich gewesen wäre. | |
| taz: Welche konkreten politischen Maßnahmen aus Deutschland und Europa | |
| könnten die iranische Machtelite grundlegend schwächen? | |
| Fathollah-Nejad: Vor allem Sanktionen müssen endlich differenzierter | |
| diskutiert werden. Sie können die Zivilgesellschaft schwächen, das stimmt. | |
| Aber vor allem, weil das kleptokratische Regime die Kosten auf die | |
| Bevölkerung abwälzt und seine Gelder ohnehin lieber in sein Drohnen- und | |
| Raketenprogramm sowie in die Milizen im Ausland investiert – und natürlich | |
| in den Repressionsapparat nach innen. Es sollten endlich nicht mehr nur die | |
| zweit- oder drittklassigen Personen innerhalb des Systems sanktioniert | |
| werden, sondern die wirklichen Machtfiguren des Regimes sowie die mit ihm | |
| verbundene iranische Oligarchie in Europa und in Deutschland. | |
| Eine weitere wichtige Maßnahme wäre nach wie vor die [4][Listung der | |
| Revolutionsgarden als Terrororganisation] durch die EU. Entgegen weit | |
| verbreiteter Mythen gibt es dafür eine rechtliche Grundlage – doch der | |
| politische Wille fehlt bislang. Für zentral halte ich auch eine | |
| Koordinierung der Iranpolitik innerhalb Europas, die die Druckkomponente | |
| stark einsetzt und dabei auch offen ist, das mit Washington zu | |
| koordinieren. Man muss dem Regime sehr viel mehr Grenzen aufzeigen und ihm | |
| das Gefühl der Straflosigkeit nehmen. | |
| taz: Im Oktober 2025 läuft die Resolution 2231 des UN-Sicherheitsrates zum | |
| iranischen Nuklearprogramm aus. Was bedeutet das? | |
| Fathollah-Nejad: Bis dahin besteht die Möglichkeit, im Rahmen des | |
| Atomabkommens den sogenannten Snapback-Mechanismus zu aktivieren. Unter | |
| Hinweis auf Vertragsverletzungen durch die iranische Seite könnten damit | |
| ohne Weiteres und ohne die Möglichkeit eines Vetos durch Russland und China | |
| die UN-Sanktionen wiedereingesetzt werden, die sehr umfassend sind. Davor | |
| hat die iranische Machtelite große Angst. | |
| 20 Jan 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Beziehungen-von-Deutschland-und-Iran/!6044595 | |
| [2] /Iran-ermordet-Deutschiraner/!6047349 | |
| [3] /Nach-ueber-1500-Tagen-Geiselhaft/!6058510 | |
| [4] /Resolution-zum-Iran/!6040582 | |
| ## AUTOREN | |
| Till Schmidt | |
| ## TAGS | |
| Interview | |
| US-Außenpolitik | |
| EU Außenpolitik | |
| Atomabkommen mit Iran | |
| Schwerpunkt Iran | |
| Atomabkommen mit Iran | |
| Atomabkommen mit Iran | |
| Schwerpunkt Iran | |
| Schwerpunkt USA unter Trump | |
| wochentaz | |
| Atomabkommen mit Iran | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Israelischer Militärschlag gegen Iran: Die Angst vor der Bombe | |
| Der israelische Militärschlag gegen Iran war lange vorbereitet. Dass er | |
| jetzt stattfand, hat mit dem iranischen Atomprogramm zu tun. Eine Analyse. | |
| Iran und die Welt: Märtyrertod oder Demütigung | |
| Die Gefahr eines Krieges gegen Iran ist so groß wie noch nie, das würde im | |
| Nahen Osten einen Flächenbrand auslösen. Nun kommt es auch auf die USA an. | |
| Verfolgung im Iran: Bundesamt spielt Inquisition | |
| Als Christin droht Roza Moheb im Iran Verfolgung, auch ihr Vater bedroht | |
| sie mit dem Tod. Dem BAMF reicht das nicht als Asylgrund. | |
| Nahost-Pläne von Vance und Trump: Die Hölle existiert bereits | |
| Der kommende Präsident Trump droht mit der „Hölle auf Erden“, sein Vize | |
| Vance will Hamas-Unterstützer sanktionieren. Ahnungslosigkeit oder steckt | |
| Kalkül dahinter? | |
| Mohammad Rasoulof über seinen neuen Film: „All diese Drehbücher halten mich… | |
| Der Regisseur von „Die Saat des heiligen Feigenbaums“ floh vor der | |
| Repression des iranischen Regimes nach Deutschland. Ein Gespräch über die | |
| Arbeit unter totalitären Systemen. | |
| Resolution zum Iran: Europarat findet klare Worte | |
| Der Europarat veröffentlicht eine neue Resolution über das Regime in | |
| Teheran. Dies sei eine Bedrohung – für die Welt und für die Menschen im | |
| Iran. |