# taz.de -- Schräge Forderungen im Wahlkampf: Märchen vom Fleiß | |
> Das Kapital für sich arbeiten zu lassen, ist in der Regel lukrativer, als | |
> selbst einer Arbeit nachzugehen. Das sollte sich dringend ändern. | |
Bild: Egal wie fleißig der Fensterputzer ist, Arbeit lohnt sich nicht | |
Ein neues, altes Wort geht um in Deutschland: Fleiß. Die 50er Jahre haben | |
schon angerufen und es zurückgefordert, bislang leider ohne Erfolg. Und so | |
hat es das Wort auf ein aktuelles CDU-Wahlplakat geschafft, mit der Zeile | |
„Fleiß muss man wieder im Geldbeutel spüren“. Der bayerische | |
Ministerpräsident Markus Söder will „[1][mehr Leistung, Fleiß und | |
Pünktlichkeit]“ (von anderen, na klar). FDP-Chef Christian Lindner forderte | |
schon im vergangenen Jahr, „den Leuten Lust zu machen auf die Überstunde“. | |
Und auch die wiederholten Forderungen aus Unternehmen und | |
Wirtschaftsverbänden nach Einschnitten von Arbeitnehmer:innenrechten | |
– länger arbeiten, mehr Überstunden, kein Geld am ersten Krankheitstag – | |
atmen den Fleiß-Geist. | |
Abgesehen davon, dass diese Forderungen den Arbeitnehmer:innen einfach | |
mal substanzlos Faulheit unterstellen und sie für die kriselnde Wirtschaft | |
verantwortlich machen – als gäbe es keinen Investitionsstau, kein Bremsen | |
bei der [2][grünen Transformation], keine unternehmerischen | |
Fehlentscheidungen, etwa bei der Autoindustrie. Abgesehen davon also, ist | |
der Ruf nach mehr Leistung eine arg realitätsvergessene Forderung. Denn sie | |
blendet zwei Punkte komplett aus. | |
## Es braucht mehr als platte Sprüche | |
Erstens: Wer eine gute Summe [3][Kapital arbeiten lassen] kann, hat viel | |
mehr davon als bei Wind und Wetter Fassaden zu säubern oder Pakete | |
auszufahren – da kann die Paketbotin noch so engagiert in den vierten Stock | |
sprinten. Solange sich an der Ungleichbehandlung zwischen Einkünften aus | |
Kapital und Arbeit nicht deutlich etwas ändert, klingen alle | |
Fleiß-Forderungen hohl. | |
Zweitens ignorieren die Forderungen einen ganz großen Bereich: | |
[4][Care-Arbeit] und ehrenamtliche Arbeit. Wer sich um Kinder kümmert, um | |
Pflegebedürftige, wer für die ältere Nachbarin einkauft, am Wochenende den | |
ehrenamtlichen Büchereidienst übernimmt oder Demos gegen Nazis organisiert | |
– der:die kommt in der Welt der Fleiß-Fans nicht vor. Aber klar: Hier | |
anzusetzen, würde heißen, unser Wirtschaftssystem neu denken zu müssen. Und | |
dafür braucht es eben mehr als platte Sprüche. | |
30 Jan 2025 | |
## LINKS | |
[1] https://de.linkedin.com/posts/markus-soeder_mehr-leistung-flei%C3%9F-und-p%… | |
[2] /Wachstum-und-Klimakrise/!5892098 | |
[3] /Soziale-Herkunft-von-Start-up-Gruendern/!6006172 | |
[4] /Diskussion-um-Care-Arbeit/!5947688 | |
## AUTOREN | |
Svenja Bergt | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025 | |
Kapitalismus | |
Reichtum | |
Mindestlohn | |
GNS | |
Lieferdienste | |
Vermögen | |
Sozialverband | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Miese Arbeitsbedingungen bei Lieferando: Darf's noch etwas mehr Ausbeutung sein? | |
Lieferando drängt Arbeiter*innen zum maximalen Einsatz eigener | |
Ressourcen und Risiken. Es ist die optimierte Ausbeutung im | |
Hyperkapitalismus. | |
Neue Vermögensstudie: Der Duft von Geld | |
Eine Statistik zeigt, dass deutsche Milliardäre wohl um 500 Milliarden Euro | |
vermögender sind als gedacht. Zeit, dass der Staat die Fakten herausgibt. | |
Studie zur Pflege von Angehörigen: „Die Pflege macht arm“ | |
Wenn Angehörige pflegebedürftig werden, ist das oft auch eine finanzielle | |
Belastung. Der Sozialverband VdK fordert mehr staatliche Unterstützung. |