# taz.de -- Studie zur Pflege von Angehörigen: „Die Pflege macht arm“ | |
> Wenn Angehörige pflegebedürftig werden, ist das oft auch eine finanzielle | |
> Belastung. Der Sozialverband VdK fordert mehr staatliche Unterstützung. | |
Bild: Häusliche Pflege ist weniger sichtbar, aber für die Pflegenden oft bela… | |
Berlin taz | Berichte über die krasse Überarbeitung, körperliche | |
Belastungen und [1][den generellen Notstand] des Pflegepersonals in Heimen | |
und Krankenhäusern gibt es häufiger. Doch von rund vier Millionen | |
pflegebedürftigen Personen in Deutschland werden rund drei Millionen | |
Menschen Zuhause gepflegt. Diese Arbeit ist zwar weniger sichtbar, aber für | |
die Pflegenden nicht weniger anstrengend und belastend – auch in | |
finanzieller Hinsicht. Sie wird häufig von Angehörigen übernommen – zum | |
überwiegenden Teil von Frauen. | |
Eine Erhebung des Pflegewissenschaftlers Andreas Büscher von der Hochschule | |
Osnabrück und eine [2][neue Studie] des Deutschen Instituts für | |
Wirtschaftsforschung Berlin (DIW Berlin) zeigen: Jede und jeder fünfte | |
pflegende Angehörige ist von Armut bedroht. Bei pflegenden Frauen liegt die | |
Zahl sogar noch höher. Da beläuft es sich auf rund jede vierte Person. Die | |
Befragung von Angehörigen sowie die DIW-Studie wurde vom Sozialverband VdK | |
in Auftrag gegeben und die Zahlen am Dienstag in Berlin präsentiert. | |
Eingeflossen sind in die [3][Online-Befragung des Pflegewissenschaftlers | |
Andreas Büscher] die Antworten von mehr als 27.000 pflegenden Angehörigen – | |
davon 72 Prozent Frauen, 28 Prozent Männer. „Die Daten zeigen ganz klar: | |
Die Pflege macht immer noch arm und macht vor allem Frauen arm“, sagte | |
VdK-Präsidentin Verena Bentele am Dienstag in Berlin. | |
## Der „Gotteslohn“ reicht nicht | |
Die Zahlen zeigen, dass Menschen, die eine [4][angehörige Person pflegen], | |
deutlich häufiger einem Armutsrisko ausgesetzt sind als der Durchschnitt in | |
Deutschland. Auch ist die Zahl von Sozialleistungsempfänger*innen | |
in pflegenden Haushalten um sieben Prozent höher als in der | |
Gesamtbevölkerung. | |
„Wir als VDK fordern eine finanzielle Absicherung für alle Pflegenden | |
Zuhause“, so Bentele. „Diese Leistung muss deutlich höher sein als der | |
sogenannte ‚Gotteslohn‘ also ein ‚Danke‘“. Der VdK plädiert für ein… | |
für Pflegende, da nach der Erhebung des Sozialverbandes rund 49 Prozent | |
aller pflegenden Angehörigen ihre Arbeitszeit reduzieren mussten. Dadurch | |
verlieren sie nicht nur Gehalt, sondern auch Rentenpunkte. | |
„Die Höhe des Gehalts sollte sich nach dem Aufwand der Pflege richten“, | |
sagte Bentele in Berlin. So ein Gehalt würde laut DIW besonders Frauen | |
helfen, die bereits ihre Arbeit reduziert oder ganz aufgegeben haben sowie | |
Eltern von pflegebedürftigen Kindern. Johannes Geyer vom DIW Berlin | |
berechnete im Auftrag des VdK, dass sowohl ein Lohnersatz als auch ein | |
fester Lohn für pflegende Angehörige das Armutsrisiko deutlich verringern | |
können. Eine Lohnersatzleistung an pflegende Angehörige zu zahlen, wie es | |
die [5][Ampel-Koalition im Koalitionsvertrag] in Anlehnung an das | |
Elterngeld formulierte, lehnte die VdK-Präsidentin ab. | |
Das Elterngeld richte sich nach dem vorigen Einkommen, so Bentele. Damit | |
würden pflegende Frauen erneut benachteiligt, weil sie weniger verdienten | |
als Männer und häufig in Teilzeit arbeiteten. Als positiv Beispiel zum | |
Pflegelohn nannte die VdK-Präsidentin das [6][Modellprojekt im Burgenland | |
in Österreich]. Dort erhielten pflegende Angehörige den Mindestlohn für 20 | |
Stunden bei Pflegegrad 3, 30 Stunden bei Pflegegrad 4 und 40 Stunden bei | |
Pflegegrad 5. Das würde das Armutsrisiko erheblich senken. | |
In der Online-Befragung von Büscher wurde deutlich, dass die finanzielle | |
Belastung eine große Rolle bei pflegenden Angehörigen spielt. Mehr als 64 | |
Prozent aller Befragten gaben an, dass es ihnen helfen würde, „mehr Geld | |
für die Verpflegung zur Verfügung zu haben.“ Auch wünschten sich 40,4 | |
Prozent aller Befragten „Eine spezielle Beratung zu finanziellen Fragen der | |
Pflege.“ | |
Die Möglichkeit zur Freistellung von der eigenen Arbeit für die Pflege | |
nutzen knapp 29 Prozent aller Befragten mit der Begründung nicht, weil ihr | |
„Einkommensverlust zu groß wäre.“ Über 50 Prozent gaben an, Leistungen w… | |
Pflegedienst, Tages-, Verhinderungs- oder Kurzzeitpflege nicht weiter in | |
Anspruch zu nehmen, weil sie zu viel dazuzahlen müssten. Bentele sagte: „Es | |
ist schockierend zu sehen, dass aus finanzieller Sorge heraus auf | |
professionelle Unterstützung und Entlastung verzichtet wird.“ (mit epd, | |
dpa) | |
27 Sep 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Streik-des-Klinikpersonals-in-NRW/!5864963 | |
[2] https://www.vdk-naechstenpflege.de/wp-content/uploads/2022/09/Geyer_VdK_Kur… | |
[3] https://www.vdk-naechstenpflege.de/wp-content/uploads/2022/09/VdK-Studie_Bu… | |
[4] /Ueberalterung-der-Gesellschaft/!5871985 | |
[5] /Buergergeld-in-Koalitionsverhandlungen/!5806593 | |
[6] https://www.deutschlandfunkkultur.de/modellprojekt-in-oesterreich-ein-gehal… | |
## AUTOREN | |
Linda Gerner | |
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