| # taz.de -- Ausstellung in Darmstadt: Wunderkammer kommt von Wundern | |
| > Das Designduo Jakob Lena Knebl und Markus Pires Mata versammelt im | |
| > Landesmuseum in Darmstadt Schönes und Praktisches. Es ist ein Parcours | |
| > der Dinge. | |
| Bild: Feder, Föhn, Föhnfrisur: Blick in die Ausstellung „Ich muss mich erst… | |
| Der Braun 550 ist ein Föhn aus orangefarbenem Plastik, gestaltet von Heinz | |
| Ulrich Haase, 1976 von dem Elektrogerätehersteller Braun auf den Markt | |
| gebracht. Damals zählte er zur Grundausstattung unzähliger bundesdeutscher | |
| Badezimmer, heute findet er sich [1][als Designklassiker in diversen | |
| Coffeetable-Büchern] und eben auch Museumssammlungen – in jedem Fall im | |
| Hessischen Landesmuseum Darmstadt (HLMD), das als eines der größten | |
| [2][Universalmuseen Europas] in seinen Depots nicht nur Kunst, sondern auch | |
| Naturwissenschaften und zum Beispiel eben Alltagskulturen umfasst. | |
| Aus diesen Tiefen haben ihn jetzt Jakob Lena Knebl und Markus Pires Mata | |
| ans Tageslicht geholt, mit anderen Objekten aus der Sammlung | |
| zusammengebracht und dafür den schönen Titel „Ich muss mich erst mal | |
| sammeln“ gefunden. Das österreichische Künstlerinnen-und-Modedesigner-Duo �… | |
| beide arbeiten auch in unterschiedlichen Konstellationen, Knebl vertrat | |
| etwa 2022 mit Ashley Hans Scheirl zusammen Österreich auf der Kunstbiennale | |
| in Venedig – hatte Carte blanche. | |
| Mehrere Tage durften die zwei in der Museumssammlung verbringen und | |
| herausnehmen, was gefällt. Bezüge zu anderen Objekten quer durch alle | |
| Klassifizierungssysteme ergaben sich ganz automatisch. Im Falle des | |
| Föhn-Klassikers teilen sich jetzt mehrere Exemplare eine Vitrine mit | |
| präparierten Vogeltieren mit besonders auffälligem Kopfputz, darüber | |
| [3][das barocke Porträt eines namenlosen Herren] mit zeitgenössisch | |
| hochgebauschter Lockenfrisur. „Sinn & Sinnlichkeit“ haben Knebl und Mata | |
| die Installation genannt. | |
| Manche Zusammenstellung ist naheliegend, siehe Föhn und Föhnfrisuren. Oder | |
| die Auswahl regionaltypischer Mülleimer in Neon, die das Duo vor eine | |
| vergrößerte, mit grellem Grün und Pink versehene Landschaftsmalerei von | |
| Peter Angermann zum begehbaren Diorama setzt. Das ist wie vieles hier be- | |
| oder zumindest umgehbar, auf eine Sofagarnitur aus dem Museumsdepot kann | |
| man sich gar setzen. | |
| Später gesellen sich ausgestopfte Eulen zu Schmuck und Geoden oder die | |
| Bronzeplastik „Große Badende“ des [4][französischen Kubisten] Henri | |
| Laurens zu einer dottergelb glänzenden Figur mit aufgeklebten Augen und | |
| Puschelhaaren. Letztere ist von Jakob Lena Knebl selbst entworfen und | |
| Ausdruck ihres Faibles für die vermeintlich niederrangigen Dinge, die sie | |
| schon in vorigen Ausstellungen gern zwischen große Namen und andere | |
| Artefakte steckte. | |
| ## Knebl und Mata sind keine DogmatikerInnen | |
| Die gesamte Schau vollführt eine solche assoziative Vermengung aus High und | |
| Low, Kunst und Design, Natur und Kunst, den schönen und den praktischen | |
| Dingen. Vor Ort stellt sich bald eine gute Orientierungslosigkeit ein: | |
| Namen, Jahreszahlen, Epochen, bildungsbürgerliches oder akademisches Wissen | |
| sollen für den Ausstellungsbesuch keine Rolle spielen. Überhaupt keine, wie | |
| das Duo im Gespräch versichert. | |
| Man könnte dies als Antithese zum ubiquitären „Man sieht nur, was man weiß… | |
| verstehen. Aber Knebl und Mata sind keine DogmatikerInnen. Ihnen geht es | |
| nicht um ein Dagegen, sondern um ein Mehr an Wissen – eines, das | |
| subjektive, emotionale, vor allem wohl: individuelle Zugänge umfasst. Sich | |
| zur Welt in Bezug zu setzen, das komme einer Art Verführung gleich, sagt | |
| Knebl. Ein Einlassen aufs Gegenüber, das in Multikrisen vielen Menschen | |
| Angst mache. | |
| „Regungen“ sollen die Besucherinnen und Besucher haben, wenn sie durch den | |
| Ausstellungsraum laufen. Nicht nur schauen, sondern sich durch den Raum | |
| bewegen, zwischen den Objekten hindurch, die hier aus diversen | |
| Jahrhunderten und Epochen versammelt stehen, liegen, hängen. | |
| Das Format der Wunderkammer galt ja eine Weile als antiquiert, gefährlich | |
| gestrig gar. „Ich muss mich erst mal sammeln“ formuliert eine freundliche | |
| Rehabilitierung. Das Wundern ist bei Knebl und Mata nicht verpönt, sondern | |
| steht vielmehr am Anfang der ganzen Sache. Auch deshalb kann ein | |
| Ausstellungsbesuch, unzähligen Objekten zum Trotz, ziemlich befreiende | |
| Wirkung entfalten. Keine Werksbeschreibungen oder QR-Codes unterbrechen den | |
| Rundgang. Und dumme Assoziationen gibt es eh nicht. | |
| 15 Jan 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Katharina J. Cichosch | |
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