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# taz.de -- Apple im Museum: Eine Frage der Philosophie
> Die Firma Apple bestimmt nicht nur die aktuellen Schlagzeilen, sie hat es
> auch mit der der Ausstellung "Stylectrical" ins Hamburger Museum für
> Kunst und Gewerbe geschafft.
Bild: Transparenz, Sachlichkeit und Reduktion: Apples Designsprache seit 2000.
Es kommt nicht alle Tage vor, dass eine Ausstellung in einem Museum derart
von aktuellen Nachrichten flankiert wird wie in diesem Fall. Der Rücktritt
von Apple-Chef Steve Jobs beispielsweise wurde am gestrigen Donnerstag
international zur Topmeldung, die Auswirkungen des Rücktritts auf die
Aktienkurse und die Kräfteverhältnisse in der Computerbranche wird die
Medien noch die nächsten Tage beschäftigen.
Überstrahlt wird durch diese Neuigkeit ein Vorgang, der sich ebenfalls am
gestrigen Donnerstag in Düsseldorf zutrug: Dort beschäftigte sich das
Landgericht einmal mehr mit der Frage, ob die Firma Samsung das Design
ihres Tablet Galaxy Tab 10.1 von den Tablets der Firma Apple abgekupfert
hat oder nicht. Apple wirft den Südkoreanern Ideenklau vor, hat eine
einstweilige Verfügung gegen den Verkauf des Samsungs-Tablets erwirkt und
fordert einen generellen Verkaufsstopp.
Evident ist, dass das Design der Apple-Produkte eine wesentliche Rolle
spielt für den enormen wirtschaftlichen Erfolg der Firma. Die Bedeutung des
Designs spiegelt sich bei Apple auch in der Firmenstruktur wieder: Im
Gegensatz zu anderen Computerherstellern hat Apple eine eigene
Designabteilung, deren Chef der 44-Jährige Brite Jonathan Ive ist. Dessen
Arbeit seit seiner Ernennung zum Senior Vice President for Industrial
Design im Jahr 1997 widmet das Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe
derzeit die Ausstellung "Stylectrical. Von Elektrodesign, das Geschichte
schreibt".
Die Hamburger Ausstellung ist die erste, die im großen Stil das Schaffen
von Ives fokussiert und die zweite, die Apple-Design ins Museum holt - im
Frühjahr 2011 zeigte das Museum für Angewandte Kunst in Frankfurt bereits
eine kritische Schau, die sich vor allem um die Macht von Apple drehte. Die
Schattenseiten des Unternehmens, sein Geschäftsgebaren, seine Kontrollwut
und seine fragwürdigen Arbeitsbedingungen spielen in Hamburg eine
untergeordnete Rolle. In Hamburg geht es um Designfragen und nicht um
Firmenpolitik. "Ich sehe die Apple-Kritik auch", sagte die junge Kuratorin
Ina Grätz. "Aber die ist, wenn man übers Produktdesign redet, nachrangig."
Es sind im Wesentlichen drei Punkte, die die Apple-Designsprache seit dem
Jahr 2000 ausmachen: Transparenz, Sachlichkeit und Reduktion. Viel Wert
legt die Hamburger Ausstellung darauf, die Traditionslinien aufzuzeigen,
die Apple mit der deutschen Firma Braun verbindet. Das
Braun-Transistorradio T3 aus dem Jahr 1958 beispielsweise nimmt das runde
Scrollrad und die abgerundeten Ecken des iPods vorweg. Der Braun-Fernseher
HF1, ebenfalls aus dem Jahr 1958, beschränkte sich auf einen einzigen
sichtbaren Knopf an der Frontseite des Geräts, der zum Ein- und Ausschalten
diente - Jonathan Ive hat das bei den iPhones und iPads übernommen.
Parallelen zum aktuellen iMac wiederum liefert der Braun Lautsprecher LE1:
Der hat in etwa das Format eines 16:9-Monitors und schwingt luftig auf
dünnen Aluminiumbeinen.
Prägend für das Braun-Design ist der studierte Architekt Dieter Rams, der
bei Braun ab 1956 erste Designentwürfe machte und ab 1961 über vierzig
Jahre Chefdesigner von Braun war. Rams steht gestalterisch der Ulmer
Hochschule für Gestaltung nahe und wollte die Nachfolge des Bauhauses
antreten. Dem Schwulst der Nazi-Zeit wollte er eine unaufgeregte, klare
Welt entgegensetzen. Dass sich Apple-Designer Jonathan Ive von der Arbeit
des heute 79-Jährigen Dieter Rams inspirieren ließ, ist kein Geheimnis. Ive
hat Rams als Vorbild genannt und die virtuellen Taschenrechnertasten in
einer der ersten Versionen des iPhones als direktes Zitat der
Braun-Taschenrechnertasten gestaltet.
Unterschiede zwischen Rams und Ives gibt es vor allem in der Philosophie,
die hinter der Wahl eines Designs steckt. Für Rams steht der Nutzwert des
Designs im Vordergrund. Das war bei Ive nicht immer so: Die Hamburger
Ausstellung zeigt beispielsweise transparente Monitore in quietschbunten
Farben aus der zweiten Hälfte der 1990er Jahre. Dass Ive das Innenleben des
Monitors sichtbar machte, hatte keinen unmittelbaren Nutzwert, es hatte
höchstens einen psychologischen Effekt: Kuratorin Grätz deutet es als
Reaktion auf ein damals zunehmendes Misstrauen den Computern gegenüber -
auch in Zusammenhang mit der Angst vor dem "Millennium-Bug". Die bunten
Farben sieht Grätz als Ausdruck des positiven Zeitgeistes der 1990er und
stellt den Monitoren Kleider aus den 1990ern gegenüber, die die
Zeitgeistthese stützen sollen.
Generell ist die Hamburger Ausstellung eine Ausstellung der
Wechselwirkungen. Gezeigt werden soll, wie sich Apple-Design verhält zu
Braun, zu den 1990ern, zu kalifornischem Design, zu den Kunststoffen der
1950er und 1960er Jahren, zur Popularität des Stoffes Aluminium. Die
Apple-Produkte ziehen sich zumeist in der Mitte durch den Raum und werden
mal von Elektrogeräten anderer Hersteller, mal von Stühlen, Kleidung oder
Lampenschirmen flankiert.
Es erschließt sich nicht immer von selbst, welche Idee der jeweiligen
Gegenüberstellung zugrunde liegt. Auch geht die Ausstellung mit ihren
insgesamt 15 Themenbereichen nicht in die Tiefe, sondern in die Breite.
Dafür ist gewährleistet, dass sich allein aufgrund der Unterschiedlichkeit
der Exponate die Ehrerbietung gegenüber Apple in Grenzen hält: Lediglich
ein Viertel der rund 400 Exponate sind Apple-Produkte.
Museumsdirektorin Sabine Schulze verweist nicht ohne Stolz darauf, dass 90
Prozent der Exponate aus der eigenen Sammlung stammen. Der Ausstellung tut
diese Zeigefreudigkeit nicht immer gut: Oft weiß man nicht, wo man vor
lauter Objekten hinschauen soll.
Wie eine PR-Veranstaltung für Apple wirkt die Ausstellung dank ihrer Fülle
keineswegs. Ebenfalls frei vom PR-Verdacht ist der Katalog, in dem etwa
Friedrich von Borries, ebenfalls Kurator am Museum für Kunst und Gewerbe,
beschreibt, wie weit die Firma Apple von jenen Werten entfernt ist, die
Dieter Rams mit seiner Designsprache verband. Apple forciere beispielsweise
nicht die Brauchbarkeit, sondern die Unbrauchbarkeit, die durch den Zwang
zu immer neuen Adaptern oder Stromkabeln bei neuen Geräten zustande komme.
Ebenso wenig benutzerfreundlich sei die Kontrolle der Webinhalte: Über die
Apple-Apps auf dem iPad und dem iPhone lassen sich bekanntlich gewisse
Webinhalte, die Apple nicht gut findet, nicht anzeigen.
Das reduktionistische Design interpretiert von Borries als Versuch,
ethische Seriosität und Solidität zu erzeugen, um so über die
"alltagskulturelle und politische Tragweite der neuen ökonomischen
Konzepte" hinwegzutäuschen. Gemeint ist damit beispielsweise das Sammeln
von User-Daten, die Apple zu Marktforschungszwecken verwendet und teuer
verkauft - so jedenfalls lautet die Kritik von Datenschützern.
Gemeint sind auch die Arbeitsbedingungen, die in chinesischen
Zulieferbetrieben herrschen sollen und die mangelhafte ökologische Qualität
der Produkte, die Greenpeace dem Unternehmen vorgeworfen hat.
Wie gnadenlos Apple die eigenen Pfründen verteidigt, zeigt die Geschichte
mit dem ei-pott, der auch in der Ausstellung zu sehen ist. Der ei-pott ist
ein Eierbecher, den ein Aschaffenburger Designer in Anlehnung an den iPod
gestaltet und auf den Markt gebracht hat. Apple ging gerichtlich gegen die
Verwendung des Namens vor und hatte Erfolg: Den Namen ei-pott gibt es nicht
mehr.
Im Fall Samsung wird die Auseinandersetzung übrigens noch spannend: Samsung
argumentiert, das von Apple geschützte Design sei schon Jahrzehnte alt. Als
Beweis dient Samsung eine Szene aus dem Stanley-Kubrick-Film "2001 -
Odyssee im Weltraum" aus dem Jahr 1968. In der Szene sind Raumfahrer mit
flachen Computern ohne Tastatur zu sehen - acht Jahre, bevor Steve Jobs die
Firma Apple gründete.
25 Aug 2011
## AUTOREN
Klaus Irler
Klaus Irler
## TAGS
Ausstellung
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