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# taz.de -- CTM Festival Berlin: Die Wahrnehmung von Musik verändern
> Alan Courtis macht experimentellen Rock und gibt Workshops zu Inklusion
> in der Musik. Etwa beim CTM-Festival in Berlin, das am Donnerstag
> beginnt.
Bild: Der argentinische Musiker Alan Courtis
Wie viele Platten er schon aufgenommen hat, das kann Alan Courtis nicht
sagen. Wahrscheinlich seien es inzwischen um die 500 oder gar 600, die der
52-jährige Musiker aus Buenos Aires bei diversen Indie-Labels weltweit
veröffentlicht hat – solo, unter seinem Künstlernamen Anla Courtis, mit
[1][seiner Hauptband Reynols] und auch in Kooperation mit anderen
Musiker:innen. Viele Improvisationen sind darunter, experimentelle Klänge,
Drone, Noise, psychedelischer Rock.
Seine Rockband Reynols, die es seit 1993 gibt und die zunächst „Burt
Reynols Ensemble“ hieß, ist Kult. Sie besteht aus Alan Courtis und Rob
Conlazo an den Gitarren und Miguel Tomasín, der auch singt, am Schlagzeug.
Tomasín hat das Down-Syndrom. Er improvisiert viel und verleiht mit seiner
Stimme den Stücken der Reynols, die häufig psychedelisch klingen, aber auch
mal elektronisch sind oder als Sound Art ins Abstrakte rücken, einen
unverwechselbaren Charakter.
Alan Courtis unterrichtet neben seiner eigenen musikalischen Tätigkeit auch
viel, aktuell am Conservatorio Municipal „Astor Piazzolla“ in der
argentinischen Hauptstadt einen Kurs zu Improvisation und schon seit Jahren
einen Workshop für Menschen mit geistigen und körperlichen Einschränkungen.
Es sei das erste Mal, dass die Musikhochschule so etwas anbiete, sagt
Courtis der taz im Gespräch. Das Format dieses Kurses sei sehr offen.
Manche Teilnehmenden beherrschen Musikinstrumente, aber eine formale
Musikausbildung sei keineswegs Voraussetzung.
Das Recht auf Partizipation
Er entwickle seine Übungen stets in Abhängigkeit von der Zusammensetzung
der Gruppe: „Wir benutzen Elektronik, wir singen. Und wenn es nötig ist,
entwerfen wir sogar Instrumente oder basteln etwas. Es ist wichtig zu
verstehen, dass Menschen mit verschiedenen Behinderungen – ich setze es in
Anführungszeichen – in erster Linie Menschen, Personen sind. Partizipation
ist ihr gutes Recht, denn sie sind Teil, und sogar ein ziemlich großer Teil
der Gesellschaft. Wir sprechen von 10 bis 15 Prozent oder so, was eine
Menge ist.“
Man merkt, dass Inklusion Alan Courtis am Herzen liegt, und dass er andere
von der Wichtigkeit, [2][inklusive Räume zu schaffen], überzeugen will.
Dazu inspiriert ihn die lange und intensive Zusammenarbeit mit dem Drummer
seiner Band, Miguel Tomasín.
Alles begann, als Tomasín Courtis und Conlazo, die damals als Musiklehrer
arbeiteten, um Schlagzeugunterricht bat. „Er hat Unterricht bekommen, und
schließlich schlugen wir ihm vor, in der Band mitzumachen – eine sehr
offene Rockband, mit viel Improvisation“, berichtet Courtis, „und da
merkten wir, dass Miguel sehr viel Talent hat. Er fügte unserer Musik etwas
ganz Besonderes hinzu. Und er hat unsere Wahrnehmung von Musik verändert.“
Seit mehr als 30 Jahren eine Band
Er und Conlazo seien damals auf der Suche nach interessanter Musik gewesen,
dabei hatten sie zunächst überhaupt keine Erfahrung in der Zusammenarbeit
mit Menschen mit Down-Syndrom. Ihr Konzept kristallisierte sich schnell
heraus: „Wir wollen, dass Miguel sich frei fühlt und tun kann, was immer er
tun will. Und wir gehen mit. Das trainieren wir nun schon seit mehr als 30
Jahren.“ Und damit sind sie erfolgreich – 2022 schafften es die Reynols
sogar auf das Cover des Musikmagazins Wire.
Beim diesjährigen [3][CTM-Festival in Berlin], das heute startet, wird Alan
Courtis einen Workshop zu inklusiven Perspektiven in der Musik geben. Die
etwa dreistündige Veranstaltung wird am 1. Februar im Morphine-Raum
stattfinden und auch einen praktischen Teil beinhalten.
Courtis erklärt, worum es ihm bei der Inklusion geht: darum, Wege zu
finden, um Personen mit Einschränkungen das Gefühl zu geben, dass die
Gesellschaft ihnen interessante Orte bietet, an denen sie sich als Personen
entwickeln können.
Das sei in vielen Fällen bisher nicht der Fall: „Ich glaube, wir versagen
als Gesellschaft bei der Inklusion vieler Menschen mit verschiedenen
Behinderungen. Wenn man nur das Klavier oder die Geige hat, dann sind die
Möglichkeiten begrenzt. Aber wenn man all diese neuen Techniken hinzufügt,
Aufnahmen, Geräusche, Objekte, angepasste Instrumente, gibt es viel mehr
Möglichkeiten, jeden einzubeziehen.“
Courtis findet, dass es noch viel zu tun gibt, um die Einbeziehung von
Menschen mit Behinderungen in verschiedene kulturelle Aktivitäten zu
erweitern. Aber auch musikalisch hat er große Pläne für dieses Jahr: Ein
neues Soloalbum werde bald in Japan erscheinen. Auch einige Kollaborationen
mit Freunden stehen an – dieses Jahr „noch mindestens fünf oder sechs
weitere Platten mit verschiedenen Projekten“, darunter auch ein neues Album
der Reynols.
23 Jan 2025
## LINKS
[1] /Argentinische-Rockband-Reynols/!6012569
[2] /Inklusion-und-performative-Kuenste/!6060660
[3] /CTM-Festival-in-Berlin/!5987252
## AUTOREN
Yelizaveta Landenberger
## TAGS
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