# taz.de -- taz-Serie „Was macht eigentlich?“ (2): Lauter Fachleute am Werk | |
> Gute Nachricht aus dem Kino International. Die im Mai gestartete | |
> Sanierung liegt im Zeitplan. Auch böse Überraschungen gibt es nicht. Ein | |
> Rundgang. | |
Bild: Ganz schön leergeräumt: Der Eingangsbereich des Kino International | |
Berlin taz | Das Kino International trägt einen Kokon, das ist schon von | |
Weitem zu sehen. Die obere Hälfte der Fassade ist blickdicht mit hellen | |
Planen verhängt – als wäre Verpackungskünstler Christo am Werk gewesen. Die | |
untere Hälfte mit den bekannten Reliefs trägt schlicht Baugerüste ganz ohne | |
Schutzplanen. Drumherum Absperrgitter und rot-weiße Plastikbänder. | |
Das denkmalgeschützte Gebäude an der Karl-Marx-Allee in Mitte, von der | |
[1][Yorck-Kinogruppe] betrieben, ist geschlossen. Hier laufen derzeit keine | |
Filme. „Auf Wiedersehen“ steht in drei Sprachen über dem Eingang, genau da, | |
wo sonst die Filme beworben wurden. Das Haus wird aufwendig restauriert und | |
[2][denkmalgerecht instandgesetz]t. Die Arbeiten sind im späten Frühjahr | |
2024 gestartet und sollen zwei Jahre dauern. Zeit also für einen | |
Baustellenbesuch. | |
Hinein ins Kino geht es durch eine einfache Baustellentür aus | |
Sauerkrautplatten, die eigentlichen Türen aus Glas sind sorgsam mit Holz | |
verkleidet. Das Foyer ist kaum wiederzuerkennen. Und es wirkt kleiner, als | |
man es in Erinnerung hatte. Thore Horch bestätigt die Wahrnehmung. „Manche | |
Räume wirken leer geräumt größer, andere dagegen kleiner.“ Ab und an sind | |
Bohr- und andere Baugeräusche im großen Gebäude zu hören, stören aber nicht | |
weiter, sie geben den Sound für diesen Baustellenrundgang vor. | |
Thore Horch arbeitet seit 2013 im Kino International, hat dort seine | |
Ausbildung zum Veranstaltungskaufmann absolviert und ist heute für | |
Premieren und Events zuständig. Und nun eben für die Generalsanierung. Der | |
32-Jährige kennt sich vom Keller bis zum Dach bestens aus. | |
## Am nächsten Tag ging es los | |
Der 13. Mai war der letzte Spieltag im Kino International, erzählt er. | |
Gleich am nächsten Morgen ging es los mit den lang geplanten Arbeiten. Als | |
Erstes wurden die Stühle ausgebaut, zeitgleich im Haus aufgeräumt und auch | |
ausgemistet. „Ende Mai ging es dann richtig los, die Baustelle wurde | |
eingerichtet.“ Dazu wurden im Foyer zum Schutz alle Wände mit Holz | |
verkleidet. | |
Ebenso der alte Terrazzofußboden, der aus 1963, dem Baujahr des Kinos, | |
stammt, wie so vieles hier. Holzwände und Fußboden werden später, nach | |
Abschluss der anderen Arbeiten, gereinigt. Nur in den Aufgängen, die nach | |
oben führen, ist der Teppich auf den Stufen nicht geschützt: Der kommt | |
später eh raus und wird komplett durch einen neuen ersetzt. | |
Vieles ist mit dem Haus verbaut, erklärt Horch, kann nicht einfach | |
ausgebaut und muss deshalb an Ort und Stelle restauriert werden. Nur ein | |
paar Elemente wie die Tresen an der Garderobe zum Beispiel konnte man zu | |
Beginn der Bauarbeiten ausbauen und in die Werkstatt eines Holzrestaurators | |
in Weißensee bringen. „Ich war dort zu Besuch und habe Fotos gemacht und | |
konnte am Ende kaum einen Unterschied an den Stellen erkennen, die | |
ausgebessert wurden.“ Da gibt es nun stückweise neues Holz neben altem | |
Holz, aber eben restauriert mit ein paar weniger Kratzern als zuvor – so | |
bleibt Patina erhalten. „Dort wird ganz liebevoll gearbeitet“, schwärmt | |
Horch. | |
Das mit dem „liebevoll“ gilt auch für die „Golddecke“. Thore Horch zei… | |
Foyer mit dem Finger nach oben. Hier leuchten sonst 242 LED-Birnen und | |
sorgen mittels Messingplatten, die natürlich längst eingelagert sind, für | |
den namensgebenden goldenen Schimmer. Sämtliche Fassungen sind noch die | |
originalen von 1963, aus Porzellan und hochwertig. „Sie „haben sich gut | |
gehalten und wurden alle neu verkabelt“, sagt Horch. Die aufgearbeiteten | |
Messingplatten kommen später wieder an die Decke. | |
Im hinteren Raum, der Bibliothek, liegt neben Heizkörpern ein riesiges | |
Paket auf dem Boden, gut verpackt. „Staubfrei“, sagt Horch auf ein Etikett | |
verweisend. „Kino International Premierenvorhang / Vorhang rechts vom | |
Publikum aus / verpackt am 24.06.24“ ist darauf zu lesen. „Den haben sechs | |
Textilfachleute in liebevoller Kleinstarbeit zusammengefaltet.“ Die | |
Ausschreibung für die spezifischen textilen Restaurationsarbeiten läuft | |
noch. Im Kino arbeiten Fachleute für die Restauration von Glas, Metall, | |
Holz und Stein. „Das mit den Steinen können wir uns eben mal anschauen | |
gehen.“ | |
## Das meiste ist Handarbeit | |
Dazu nehmen wir die Treppe mit dem alten, abgewetzten Teppich nach oben. | |
Links und rechts an den Wänden sind wohl Tausende schmale, gelbe | |
Klinkersteine zu sehen und hier und da freigelegte Schneisen, in denen | |
schon neue Kabel verlaufen, um die Treppenlampen später mit Strom zu | |
versorgen. Weil auf der anderen Seite der Wand die Toiletten mit alten | |
Kacheln liegen, konnte man von hinten nicht einfach durchbohren. | |
Also Steine raus, Stück für Stück die Wand aufgestemmt, die Kabel rein, | |
danach müssen die wieder eingesetzten, sorgsam aufgearbeiteten Steine neu | |
verputzt werden. Doch die neuen Fugen sind kaum von den alten aus den | |
1960er-Jahren zu unterscheiden, zum Teil werden die neuen Fugen eingefärbt. | |
„Hier sind halt Fachleute am Werk“, sagt Thore Horch. „Das hat auch das | |
Landesdenkmalamt bei der Abnahme einer ersten Musterfläche überzeugt.“ | |
Diese Abnahme erfolgt weiter abschnittsweise Schritt für Schritt. | |
Heike Zapf vom [3][Baugeschäft Michael Fischer GmbH] aus Berlin ist gerade | |
bei der Arbeit und hat einen der Steine in der Hand. „Wir machen viel | |
Restaurationen“, sagt sie, „natürlich auch Neues, aber am liebsten sind mir | |
die alten Sachen.“ | |
Und wie ist das so, an einem Denkmal zu arbeiten? „Schön“, sagt sie | |
lächelnd, „ich mag das. Manche hassen so eine Arbeit ja, weil das hier | |
wirklich kleinteilig ist.“ Man merkt Heike Zapf an, dass sie mit | |
Leidenschaft bei der Sache ist. „Je weniger man von meiner Arbeit sieht, | |
umso besser.“ | |
Wie lange wird sie zu tun haben, zählt sie Steine mit? „Ich kann nicht | |
sagen, wie lang dass dauern wird“, antwortet Heike Zapf. „Unten, da, wo wir | |
schon fertig sind, kleben Zettel mit Zahlen drauf. Zusammengezählt wird zum | |
Schluss. Die Hälfte lag wohl bei 1.500 Steinchen.“ | |
Ein paar Treppen höher stehen wir in der leer geräumten Panorama-Bar, die | |
Bar ist komplett verschwunden und wird andernorts restauriert. An den | |
Wänden wurden die Holzpaneele aus den 1960er-Jahren entfernt, das schon | |
neue Dämmmaterial ist zu sehen, hier und da auch kleine Wanddurchbrüche für | |
die Kanäle der neuen Lüftung, die in den Kinosaal führen. Gerade wird es | |
höllisch laut, ein Bauarbeiter fräst ein Stück des Bodens auf. Also schnell | |
in den riesigen Saal. | |
Der Anblick dort ist – gelinde gesagt – irritierend. Die Bestuhlung ist | |
gänzlich verschwunden, auch die Vorhänge fehlen. An den Wänden Gerüste über | |
Gerüste, auch mitten im Raum. In großen Holzverschlägen sind die rund 4.000 | |
Holzlamellen – sorgsam nummeriert – eingelagert. Nach und nach werden sie | |
restauriert und kommen später wieder an die Wände. | |
Die Wände liegen gerade offen, neue Lüftungsrohre glänzen silbern. Im | |
Keller stehen schon die neuen Lüftungsgeräte. „Frische Luft wird es damit | |
auch im mittleren Bereich des Kinosaals geben, wo es früher immer stickig | |
war – dank Weitwurfdüsen“, erklärt Daniel Dickmann die Vorzüge der neuen | |
Lüftung. Der Architekt ist gerade vor Ort. „Das alles hier ist aufwendig“, | |
sagt er. | |
Das Haus ist eine Herausforderung, der Denkmalschutz sowieso: „Die Heizung | |
wird komplett erneuert. Auch die ganze Elektrik wird ausgetauscht, es | |
bleibt kein einziger Stecker verkabelt, ich muss überall an alles heran, | |
und am Ende darf man davon nichts sehen.“ | |
Und die gewellte Decke? Die ist weder unter einer Plane verschwunden noch | |
abgebaut. Es handelt sich um eine dünne Konstruktion, eine Rabitz-Decke. | |
Rabitz ist die Bezeichnung für Drahtputz, der aus einer tragenden | |
Unterkonstruktion und dem Putzmörtel besteht. Diese wurde 1963 so vor Ort | |
geschaffen. Sie hängt mittels Drähten vom Dachstuhl herunter. | |
„Da machen wir nicht viel, außer sie zu überholen“, erklärt Dickmann und | |
blickt nach oben. „Da geht der Maler einmal rüber, dann ist sie fertig.“ | |
Die einzige Herausforderung wäre eine handwerkliche: Es muss ohne Abkleben | |
gehen. „Das ist hier verboten“, sagt Dickmann, „da brauche ich einen Male… | |
der das aus der Hand machen kann.“ Denn weil es schon mehrere Farblagen | |
gibt, könnte beim Lösen von Klebeband ein Schaden entstehen. | |
Gab es bei den Arbeiten Überraschungen? Vielleicht ein paar Schadstoffe. | |
Nein. Nichts Schlimmes, kein Asbest oder Ähnliches, ist aufgetaucht, was | |
den Bauablauf hätte beeinträchtigen können. „Hier wurde ja lange geplant�… | |
sagt Dickmann. „Dennoch muss man hier und da improvisieren“, fügt er hinzu. | |
Und das passt dann doch gut zu diesem DDR-Bau. „Man kann überall | |
improvisieren, weil alles handwerklich robust und gut gemacht ist.“ Das ist | |
ein Lob an die Bauleute und Handwerker von einst. Und auch | |
ressourcensparend, sagt Dickmann. | |
„Das Kino lässt sich sehr gut sanieren“, fasst er zusammen.„Das hier ist | |
kein Projekt von der Stange, so ein Kino ist schon ziemlich einmalig“ und | |
so gesehen eine „tolle Referenz“ für das [4][Architektenbüro Dickmann und | |
Richter]. Außerdem hat er eine gute Botschaft parat: „Im Moment sind wir | |
auf einem guten Weg, was den Zeitplan anbelangt.“ Im zweiten Quartal 2026 | |
sollen die Arbeiten abgeschlossen sein. | |
Und das Geld? Ist die Instandsetzung des Kinos in irgendeiner Form von den | |
nun beschlossenen Einsparungen betroffen, die die Berliner Kulturlandschaft | |
hinnehmen muss? „Nein“, versichert Thore Horch, „das tangiert die | |
Instandsetzungsarbeiten in keinster Weise, die werden abgeschlossen wie | |
geplant, da es sich um Mittel aus den Landes- und Bundeshaushalten | |
vergangener Jahre handelt.“ | |
Die Arbeiten werden zudem von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz | |
gefördert. Die hat das Kino schon in den letzten Jahren bei der | |
[5][Sanierung der Fassade] mit den Reliefs unterstützt und jetzt erneut die | |
Förderung für die Restaurierung der Holzlamellen mit noch einmal 100.000 | |
Euro für 2025 zugesagt. | |
2 Jan 2025 | |
## LINKS | |
[1] https://www.yorck.de/ | |
[2] /Kino-International-wird-ab-Mai-saniert/!5989666 | |
[3] https://stein-fischer.de/ | |
[4] https://dickmannrichter.de/Buro | |
[5] https://www.denkmalschutz.de/presse/archiv/artikel/dsd-foerdert-das-kino-in… | |
## AUTOREN | |
Andreas Hergeth | |
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