Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Budapest-Komplex: Frankreich zweifelt an fairem Verfahren in Ungarn
> Angehörige von Maja T. sind schockiert über das drohende Strafmaß. Die
> französische Justiz vertagt die Entscheidung über die Auslieferung eines
> Antifa-Aktivisten.
Bild: Mehrere hundert Menschen demonstrieren im Juli 2024 in Bremen Solidaritä…
Berlin taz | „Mein Kind soll ein halbes Leben weggesperrt werden“, sagt
Wolfram Jarosch, der Vater von Maja T. Die deutschen Behörden hatten
den:die Antifaschist:in im Juni 2024 nach Ungarn ausgeliefert, obwohl
das Bundesverfassungsgericht noch versuchte, die Aktion zu stoppen. Gegen
T. wurde vergangene Woche Anklage erhoben, [1][die ungarische
Staatsanwaltschaft fordert wegen vier Angriffen auf Neonazis bis zu 24
Jahre Haft.]
[2][Der Vorwurf: schwere Angriffe auf Teilnehmende des rechtsextremen
Aufmarschs „Tag der Ehre“ in Budapest im Februar 2023.] Gesteht T., will
Ungarn T. 14 Jahre einsperren – in jedem Fall unter „besonders strengen
Bedingungen“.
Er glaube, dass Maja T. den Deal ablehnen wird, sagt Jarosch der taz. „Ein
Strafmaß anzunehmen, was offensichtlich politisch motiviert ist und nicht
in der vorgeworfenen Tat begründet liegt, ist für Maja vermutlich einfach
völlig inakzeptabel.“ In Ungarn seien 15 Jahre das Mindeststrafmaß für
Mord. Ein vergleichbares Strafmaß für Maja T. zu fordern – „da fehlen mir
die Worte“, so Jarosch.
Auch das Budapest Antifascist Solidarity Committee (BASC) ist schockiert
über das angestrebte Strafmaß. „Wir sind entsetzt, ja wirklich fassungslos
über die geforderte Strafe und das Vorgehen der ungarischen Justiz“, heißt
es in einem Statement der Gruppe, die die Soliarbeit für die im
„Budapest-Komplex“ verfolgten Antifas koordiniert. Solche Deals seien dazu
da, „Beschuldigte massiv unter Druck zu setzen und letztlich zu brechen“.
## Auch Italien verweigert Auslieferung
Einen weiteren Beschuldigten der Antifa liefert Frankreich derweil nicht
nach Ungarn aus – zumindest vorerst. Das Pariser Berufungsgericht traf am
Mittwoch keine Entscheidung über die Vollstreckung des von Ungarn
beantragten europäischen Haftbefehls gegen Rexhino A., Szenename „Gino“.
Auch A. wird vorgeworfen, sich mit anderen Antifas im Februar 2023 an
Attacken auf Neonazis beteiligt zu haben. „Gino“ war im Herbst vergangenen
Jahres in Paris festgenommen worden, seitdem sitzt er in Untersuchungshaft.
Das Gericht gab der ungarischen Justiz eine Frist von 15 Tagen, um
darzulegen, dass A. im rechtsautoritär geführten Ungarn ein
rechtsstaatliches Verfahren erwartet. Die Entscheidung sei ein „wichtiger
Erfolg“, so das Budapest Antifascist Solidarity Committee (BASC), das die
Soliarbeit für die im „Budapest-Komplex“ verfolgten Antifas koordiniert.
Zuvor hatte schon ein italienisches Gericht die Auslieferung des in U-Haft
sitzenden Gabriele M. verweigert. Der zuständige stellvertretender
Generalstaatsanwalt von Mailand, Cuno Jakob Tarfusser, hatte die
[3][Entscheidung deutscher Gerichte, Antifas nach Ungarn auszuliefern,
kürzlich als „grottenschlecht“ bezeichnet]. Nicht nur bestünden ernsthafte
Zweifel an der Rechtsstaatlichkeit Ungarns, die dort drohenden Strafen
stünden auch in keinem Verhältnis zu den vorgeworfenen Taten.
„Nachdem inzwischen auch die französischen Gerichte die Zustände der Justiz
und die Bedingungen, unter welchen diese agiert, mindestens infrage stellen
und sogar systematische Mängel feststellen, stellt sich uns umso mehr die
Frage, wie dies der deutschen Justiz entgehen kann?“, heißt es in einer
Stellungsnahme des BASC.
## Prozessbeginn im Februar
Auch die Linkspartei übt heftige Kritik am Vorgehen der ungarischen und
deutschen Behörden. „In Ungarn herrscht eine politische Justiz, die
Angeklagte vorverurteilt“, sagte etwa der Europaabgeordnete Martin
Schirdewan der taz und forderte einen europaweiten Auslieferungsstopp nach
Ungarn. Die Bundestagsabgeordnete Martina Renner spricht von einem
drohenden „politischen Schauprozess“ und forderte die Bundesregierung zum
Handeln auf.
Wolfram Jarosch hofft, dass Maja T. nach einem Urteil in Ungarn vor dem
Europäischen Gerichtshof Gerechtigkeit erfahren könnte. Zudem fordert er
ein Umdenkens der deutschen Politik. Zwar gebe es Unterstützung, etwa durch
das Konsulat. Doch er erwarte, dass die Bundesregierung „Klartext spricht –
wie es auch in Italien passiert ist“. Vom Auswärtigen Amt hieß es auf
taz-Anfrage, die deutsche Botschaft in Ungarn betreue den Fall Maja T. und
setze sich für bessere Haftbedingungen ein. Eine Aussetzung der
Untersuchungshaft und eine Rückkehr nach Deutschland vor einem ungarischen
Urteil sei aber eine Entscheidung der dortigen Gerichte.
Der erste Prozesstag gegen Maja T. in Budapest ist für den 21. Februar
angesetzt. Jarosch hofft, dass Maja T. nach einer möglichen Verurteilung
wieder zurück nach Deutschland überführt werden könnte. Dennoch drohe T.,
noch längere Zeit in der nun schon seit einem halben Jahr andauernden
Isolationshaft verbleiben zu müssen. Laut den Vereinten Nationen ist
Isolationshaft von mehr als 15 Tagen als Folter zu bewerten. „Maja hält
sich dort sehr tapfer und bleibt stark, auch unter diesen Bedingungen“, so
Jarosch.
16 Jan 2025
## LINKS
[1] /Anklage-gegen-Linke-Maja-T-erhoben/!6061701
[2] /Anklage-gegen-Linke-Maja-T-erhoben/!6061701
[3] https://www.nd-aktuell.de/artikel/1188143.antifaschismus-grottenschlechtes-…
## AUTOREN
Timm Kühn
## TAGS
Maja T.
Ungarn
Schwerpunkt Antifa
Budapest
Repression
Linksextremismus
Social-Auswahl
Linksextremismus
Schwerpunkt Antifa
Schwerpunkt Antifa
Schwerpunkt Antifa
Maja T.
Budapest
## ARTIKEL ZUM THEMA
Prozessauftakt im Budapest-Komplex​: Hanna S. ist nicht allein​
In München steht eine 30-jährige Kunststudentin wegen mutmaßlicher
Überfälle auf Neonazis in Budapest vor Gericht. Die Solidarität mit der
Angeklagten ist groß.
Beschluss des Bundesverfassungsgerichts: Später Erfolg für Maja T.
Die non-binäre Person Maja T. wurde mit Billigung eines Berliner Gerichts
nach Ungarn ausgeliefert. Das Bundesverfassungsgericht hat dies nun
beanstandet.
Nach Attacken auf Rechtsextreme: Sieben gesuchte Linke stellen sich
Seit zwei Jahren waren neun deutsche Linke abgetaucht, die in Budapest
Neonazis attackiert haben sollen. Nun haben sich sieben der Polizei
gestellt.
Anklage gegen Linke Maja T. erhoben: Ungarn droht mit jahrelanger Haft
Im Juni 2024 wurde Antifaschist*in Maja T. nach Ungarn ausgeliefert.
Nun wurde Anklage erhoben – mit drakonischen Strafandrohungen.
Immunität von linker EU-Abgeordneter: Orbán versus Antifa im Europaparlament
Ungarn hat das EU-Parlament gebeten, die Immunität der italienischen
Abgeordneten Ilaria Salis aufzuheben. Ihr werden Angriffe auf Neonazis
vorgeworfen.
Maja T.s Vater über die Haft: „Größtes Problem ist Isolationshaft“
Seit drei Monaten sitzt Maja T. im Gefängnis in Ungarn, wohin sie
ausgeliefert wurde. Ihr Vater Wolfram Jarosch berichtet, was das für sie
bedeutet.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.