| # taz.de -- Maja T.s Vater über die Haft: „Größtes Problem ist Isolationsh… | |
| > Seit drei Monaten sitzt Maja T. im Gefängnis in Ungarn, wohin sie | |
| > ausgeliefert wurde. Ihr Vater Wolfram Jarosch berichtet, was das für sie | |
| > bedeutet. | |
| Bild: Protest in Erfurt Ende August gegen die Haftbedingungenvon Maja T. im Gef… | |
| taz: Herr Jarosch, ihr Kind, Maja T., befindet sich seit Juli in | |
| ungarischer Haft. T. wird vorgeworfen, sich im Februar 2023 an | |
| antifaschistischen Angriffen auf Neonazis beteiligt zu haben und Mitglied | |
| einer kriminellen Vereinigung zu sein. Waren Sie überrascht, als Sie von | |
| diesen Vorwürfen erfahren haben? | |
| Wolfram Jarosch: Ja, natürlich. Als Maja verhaftet wurde, war das ein | |
| Schock für mich. Es ist nicht einfach, wenn deinem Kind so etwas passiert. | |
| Was die Vorwürfe angeht, möchte ich betonen, dass die Unschuldsvermutung | |
| gilt. Maja ist [1][nach wie vor] in Untersuchungshaft, das heißt, es darf | |
| keine Vorverurteilung geben. Die Vorwürfe müssen in Deutschland | |
| rechtsstaatlich untersucht werden – ohne Erpressung von Geständnissen durch | |
| Folter und erniedrigende Behandlung, wie es derzeit in Ungarn | |
| möglicherweise geschieht. | |
| taz: Können Sie berichten, wie es Maja T. in ungarischer Haft geht? | |
| Jarosch: Maja bemüht sich, mit der Situation klarzukommen. Aber es wird von | |
| Woche zu Woche schwieriger. Maja befindet sich mittlerweile drei Monate in | |
| Isolationshaft, ohne einen geliebten Menschen in den Arm nehmen zu können. | |
| Nicht umsonst wird Isolationshaft in den Nelson-Mandela-Rules der Vereinten | |
| Nationen als Folter bezeichnet. Ich merke, wie das Maja zusetzt, wie sie | |
| leidet. Das ist nicht einfach. | |
| taz: Sie sprechen von „weißer Folter“, die Ihr Kind erdulden müsse. Was | |
| bedeutet das? | |
| Jarosch: Wir kennen die klassische Folter, dass jemandem Gewalt angetan | |
| wird. Das wird hier nicht gemacht. Auf den ersten Blick sieht es aus, als | |
| ob alles gut sei. Aber in Wirklichkeit handelt es sich um psychische | |
| Folter, die dadurch ausgelöst wird, dass jemand niemanden zum Reden hat, | |
| sich mit niemandem unterhalten kann, mit niemandem sein Leid, seine Freude, | |
| sein Leben teilen kann. Deswegen sagen die Nelson-Mandela-Rules: Alles, was | |
| über 15 Tage Isolationshaft hinausgeht, ist Folter. | |
| taz: Wie oft können Sie mit Maja T. sprechen? | |
| Jarosch: Maja hat momentan die Möglichkeit, 80 Minuten in der Woche zu | |
| telefonieren. Das ist wenigstens etwas. Es ist sehr schön, von Maja | |
| angerufen werden zu können. Aber es ist viel zu wenig. Das sind kaum mehr | |
| als 10 Minuten am Tag – und das verteilt sich auf Schwester, Bruder, Majas | |
| Verlobte und uns Eltern. Man möchte sich ja austauschen, möchte erzählen, | |
| am Leben des anderen teilhaben. Das ist nicht wirklich möglich. | |
| taz: Wie waren die Bedingungen in Deutschland? | |
| Jarosch: In der JVA Dresden, wo Maja zuvor inhaftiert war, durften wir Maja | |
| einmal pro Woche besuchen, auch mal am Wochenende, was besser ist, wenn man | |
| berufstätig ist. In Ungarn sind es offiziell zwei Besuche pro Monat, doch | |
| die Termine werden trotz der Entfernung von circa 1.000 Kilometern | |
| willkürlich gelegt, sodass in den letzten drei Monaten jeweils nur ein | |
| Besuch möglich war. In Dresden gab es täglich mehrere Stunden Aufschluss, | |
| Maja hatte Kontakt zu Mitgefangenen. In Budapest ist Maja selbst beim | |
| Hofgang isoliert, muss ständig Handschellen tragen, selbst beim Arztbesuch | |
| und beim Skypen. Und dann sind da die hygienischen Bedingungen, es gibt in | |
| der Zelle Bettwanzen und Kakerlaken. Die Zelle ist halbdunkel, sodass Maja | |
| beim längeren Lesen die Augen weh tun und Maja teils Kopfschmerzen bekommt. | |
| Das größte Problem ist aber die Isolationshaft. | |
| taz: Welche Rolle spielt für Sie die [2][Solidarität] von anderen vom | |
| Budapest-Komplex betroffenen Familien oder auch die der linken Szene? | |
| Jarosch: Das spielt eine sehr wichtige Rolle für mich, schon menschlich. | |
| Weil man sich so gehört fühlt in seiner Trauer. Auch, weil man Menschen | |
| hat, denen es ähnlich geht. Diese Solidarität, dieses Mitgefühl zu | |
| erfahren, das ist eine ganz große Hilfe. Maja ist auch sehr, sehr dankbar | |
| und möchte herzliche und liebe Grüße an alle ausrichten, die unterstützend | |
| sind. Auch das höre ich immer wieder von Maja: Dass andere Häftlinge oft | |
| noch ein viel schlechteres Leben haben, weil sich niemand um sie kümmert, | |
| weil sie keine Kontakte nach Hause haben. | |
| taz: Sollte es wirklich zu einem Prozess in Ungarn kommen – was erwarten | |
| Sie für ein Verfahren? | |
| Jarosch: Auf jeden Fall kein faires. In Ungarn herrscht keine wirkliche | |
| Rechtsstaatlichkeit. Das Europäische Parlament hat Ungarn wiederholt dafür | |
| verurteilt. Die EU hält Milliarden an EU-Geldern zurück, weil die | |
| ungarische Justiz keine rechtsstaatlichen Prinzipien beachtet. Es ist | |
| bekannt, dass die Politik in Verfahren eingreift, gerade bei einem | |
| Verfahren wie diesem. Ich befürchte deshalb, dass da keine Gerechtigkeit zu | |
| erwarten ist. | |
| taz: Was fordern Sie von der deutschen Politik? | |
| Jarosch: Rechtsstaatlichkeit. Das bedeutet, dass die Haftbedingungen | |
| menschenwürdig sein müssen. Deswegen ist mein Appell an | |
| Bundesaußenministerin Annalena Baerbock und auch an Bundesjustizminister | |
| Marco Buschmann: Holen Sie Maja zurück nach Deutschland, damit hier ein | |
| rechtsstaatliches Verfahren stattfindet! Wenn ich darf, würde ich da auch | |
| ganz herzlich um Mithilfe bitten. Wir haben [3][eine Petition gestartet], | |
| die mittlerweile 77.000 Menschen unterschrieben haben, um Maja aus der | |
| Situation herauszuholen und weitere Auslieferungen nach Ungarn zu | |
| verhindern. | |
| 14 Oct 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Antifaschistin-in-Ungarn/!6027477 | |
| [2] /Demo-fuer-Maja-T/!6039411 | |
| [3] https://weact.campact.de/petitions/keine-auslieferungen-nach-ungarn-maja-mu… | |
| ## AUTOREN | |
| Timm Kühn | |
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